Dynamic Lights / Shape
Shape
Italien ist, was Musik angeht unzweifelhaft mit Klassik und Opern gesegnet. Auch mit mehr oder weniger romantischen Sonnenauf- bzw. -untergangs-Schlagern. Die exzellente Küche verdient natürlich Erwähnung und dass der Stiefel ein beliebtes Reiseziel stressgeplagter Erholungssuchender ist, steht ebenfalls außer Frage.
Aber Rockmusik? Na logo, denn allerspätestens seit W.I.N.D. weiß der interessierte Leser, dass Bella Italia Lieferant hervorragender Rockmusik ist.
Dynamic Lights, 1997 in Pesaro gegründet, besteht aus Marco Poderi (g), Raffaele Mariotti (b), Matteo Infante (v), Giovanni Bedetti (kb) und Simone DelPivo (d). "Shape" ist der erste Longplayer der Band und soll laut Ansage in die Richtung progressives Metal marschieren.
Die Tracklängen versprechen schon mal Gutes: acht, neun und gar 11,5 Minutensongs versprechen keine 08/15 Strukturen. Gleich der Opener "In The Hands Of A Siren" zeigt wo es lang geht: man muss zuhören und das steht auch im Waschzettel, aber das ist bei Prog-Nummern eh klar. Genretypische Parts wechseln mit harten, metallischen Gitarrenriffs und auch die Mischung zwischen schnell ins Ohr gehenden Strukturen und aufmerksamkeitsfordernden Passagen stimmt. Jamina Jansson steuert frauliche Gastvocals bei. Das kommt so gut, dass ich mich frage, wieso das ihr einziger Einsatz ist.
"Between Two Paralles" eröffnet mit Tastenläufen und Drumhieben, bevor es stimmlich etwas nach Genesis klingt. Kompliment deshalb besonders an Matteo, dessen Röhre absolut progtauglich ist: sanft oder hart, wie es gerade passt. Wunderbar die immer wieder sehr melodiösen Teile im Prog-Gesamten.
Wow, "Remembrances" walzt sich mit langsamen, abgehackten 'Gitarrenmonsterpowerschlägen' ins Geschehen (super gemacht Marco) und da sind sie dann wieder: die sehr melodiösen Vocals. Schön auch, wie die Rhythmuswechsel vollzogen werden.
"Density" ist 'ne Zweiminuten-Nummer. Piano, sehr ruhig erst mal - dann darf sich Giovanni austoben. Spärliche Begleitung (bisschen Bass) und man kann sich den Track eher vor elitärem Publikum im städtischen Kulturhaus vorstellen. Aber denkste: die kurze Nummer geht nahtlos in "Going To Nowhere" über und diese schon erwähnte Gitarrenwand prescht wieder gen Hörer's Ohren, und auch ohrwurmverwöhnte Lauscher werden dem Mittelteil eine gewisse Vertracktheit attestieren. Einfach mehrmals hören, um da reinzukommen und spätestens wenn die Gitarre wieder die Führung übernimmt, bekommt die 'Vertracktheit' einen roten Faden.
"One Thousand Nothing", längster Track der Scheibe beginnt wieder verhalten mit Tasteninstrumenten, Percussion schaltet sich ein, anschließend die Saiteninstrumente und nach ca. zwei Minuten auch des Hörers Füße und Nacken. Es ist einer dieser Songs, die irgendwie die 'Reise nach vorne' antreten. Man hört gespannt zu und harrt ungeduldig, aber erfreut, was noch alles kommt. Und es kommt noch Einiges: eine Art Powerrefrain, der die Nummer auch 'Ungeübten' sehr schmackhaft macht, um sie kurz danach wieder ins Progressive 'fallen' zu lassen und bevor man sich versieht ist dieses Gitarrenbrett wieder im Anmarsch.
Progmetall fiel anfangs, wobei mein persönlicher Schubladen-Musikbus die Progstraßenseite bevorzugt. Besonders ab Minute acht: Piano zum träumen. Sowas wünscht man sich in lauen Sommernächten unterm Kirschbaum, wenn die Liebste den guten Rotwein dabei hat. Und diesen Powerrefrain gibt es auch noch mal. Elfeinhalb Minuten progsche Glückseligkeit.
"Connecting", der zweite Zeiminüter ist der 'zarteste' Track auf "Shape". Harmonisch und ruhig und man kann es eigentlich schon ahnen: es geht über in "The Big Show", die zum Finale noch mal alles aufbietet: Harmonies, vertrackte Rhythmen, die Powergitarrenchords, melodiöse Gitarrenparts.....
Eine würdige Schlussnummer.
Ich weiß nicht wieso, aber ohne das Wissen um die Herkunft der Musiker wäre ich nie im Leben auf Italien gekommen. Zu sehr ist da die Musik beim netten Italiener um die Ecke im Ohr. Aber wie Eingangs bereits geschrieben: Italien und Rockmusik...das passt. Und wie die Landsleute von W.I.N.D. hat es auch Dynamic Lights sprachlich voll drauf: Null Akzent.
Schließen möchte ich meinen Eindruck mit einem italienischen Ausspruch:
Da capo.
Wer mehr über die italienischen Progrocker wissen möchte: wir haben sie interviewt.


Spielzeit: 54:49, Medium: CD, DVS Records, 2005
1:In The Hands Of A Siren 2:Between Two Parallels 3:Remembrances 4:Density 5:Going To Nowhere 6:One Thousand Nothung 7:Connecting 8:The Big Show
Ulli Heiser, 16.03.2005