Willy DeVille / Live In The Lowlands
Live In The Lowlands
Willy DeVille gehört zu den US-Künstlern, die gern zu uns kommen. Hauptsächlich deshalb, weil ihre Musik hier, im Gegensatz zum Heimatland, gefragt ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass er nach "1993 Live" (New Orleans/Paris) und dem 2002er Doppelwerk "The Berlin Concerts" (DVD)/Live in Berlin (CD) auch seine neue DVD-Produktion "Live In The Lowlands" wieder im 'alten Europa' aufgenommen hat.
Der Mitschnitt erfolgte im Rahmen seiner "Crown Jane Alley"-Tour im Herbst 2005 im Amsterdamer 'Paradiso', den wenigen Schwenks im Video nach zu urteilen, ein schöner alter Club. Und Willy samt seiner aktuellen Mink deVille-Band hat wohl ein halbes Heimspiel, wenn ich seine Begrüßung und die Reaktion der Fans richtig deute. Beste Stimmung, der Maestro in ebensolcher und in Topform.
Der Set besteht aus einer Mischung seiner größten Hits und den Songs des jüngsten Albums "Crow Jane Alley". Wie auf dessen Cover präsentiert sich Willy auch auf dem Video zunächst im 'Indianer -Look'. Im Bonus-Material sind allerdings (weitere lohnenswerte) Aufnahmen eines zweiten Gigs und von den Proben zu sehen, da sind Bärtchen und Ohrgehänge weg. Weiterhin gibt´s noch Interviews mit dem Chef und seinen Musiker/innen. Erzählt wird, wie lange (meist schon jahrezehntelang) die in der Band sind und erfährt einiges über die Karriere deVilles. Weiterhin, dass auch ein Rockstar beim Kredit für ein Haus von der Bank sehr misstrauisch taxiert wird.
Willy DeVilleWahrscheinlich hat der Sachbearbeiter ja auch die Vita deVilles gekannt. Als Musiker nicht unbedingt sehr erfolgreich, zumindest nicht mehr nach seiner New Wave-Zeit (bitte nicht 'Punk' dazu sagen, werte Kollegen!), fasste der Ex-New Yorker und Ex-Junkie erst wieder in New Orleans Fuß, was seine Karriere betraf. Als Pferdezüchter setzte er dort sein inzwischen verdientes Geld jedoch auch in den Louisiana Mud. Und kehrte dann nach 'Big Apple' zurück. Aber die alte Stadt am Mississippi mit ihrem leicht morbiden Nimbus und ihren oft ebenso kauzigen Musikern, wie der Exzentriker selbst, war genau das, was er brauchte. Hier nahm er seine neueren Studio-Alben auf, die ihn musikalisch festigten.
1993 begann die 'neue Karriere' von Willy mit seinem groß promoteten und dann auch sehr erfolgreichen Live-Doppel-Album, auf dem er seinen typischen Sound kreierte. Ein origineller und heißer Mix aus Südstaaten-orientierten Stilen, Tex Mex, Blues, Boogie, Cajun, Swamp-Pop und einem kräftigen Schuss Rock ´n´ Roll samt Soul. Und Willy sang die Songs der gebrochenen Herzen, der billigen Vergnügen und der bestens adaptierten Latino-Eitelkeiten mit viel Schmalz. Aber das mit dem Charme und nostalgischen Zauber der 'guten alten Zeiten', der 'High Chaparell'-, der 'Vom Winde verweht'- und der 'Jenseits von Eden'-Filme. Das bringen die Studio-Produktionen meist nicht so rüber.
Willy DeVilleNicht anders klingen Willy und Mink deVille 2005 im 'Paradiso'. Der Chef gibt sich absolut locker (ganz im Gegensatz zu seinem Auftritt beim tff Rudolstadt 2002, als ich ihn nachts um 1 Uhr auf der Bühne im Heine-Park sah - von da stammen die Live-Fotos), die Band ist bestens bei der Sache. Freddy Koella (Gitarren, Mandoline und Geige), David J. Keyes (Kontrabass, Gitarre und Chorgesang), Boris Kinberg (Percussion, Schlagzeug und Chorgesang), Kenny Margolis (Tasteninstrumente, Akkordeon und Chorgesang), Dorene und Yadonna Wise (Chorgesang) und Hook Herrera (Harmonica) sind eine toll groovende Truppe, die den Maestro am Mikrophon (sowie Gitarre und Mundharmonika) hervorragend in Szene setzt. Der ist stimmlich voll auf der Höhe (was sonst nicht immer der Fall ist) und croont mit Hingabe, Verve und dem 'gewissen Etwas', das nicht nur die weiblichen Fans anmacht. Nun, die 55 Jahre seines lange ausschweifenden Lebens sieht man, da können auch seine beneidenswert vollen schwarzen Haare und die Ohrgehänge nicht drüber hinweg täuschen. Doch der Mann hat Ausstrahlung!
An der Songauswahl, an der Präsentation auf der Bühne und an der Tonqualität gibt´s nichts zu meckern.
Widmen wir uns nun halt dem üblichen Manko, der Kameraführung. Anfänglich wog ich mich in der trügerischen Hoffnung, dass die schönen, ruhigen und durchaus aus gekonnten Blickwinkeln aufgenommenen Bilder Bestand hätten. Aber leider … Zwar nicht so 'mit aller Gewalt progressiv' wie bei den 'Rockpalast'-Mitschnitten, aber auch hier mit viel zu vielen Umschnitten. Dazu lange Unschärfen und Wackler, vor allem, wenn die Kamera für die Großaufnahmen schnell zoomt. Eigentlich unverständlich diese technischen Fehler, die auch nicht rausgeschnitten wurden. Können die's einfach nicht?
Die Band sitzt größtenteils, schwach ausgeleuchtet, nur der Chef, auch auf einem Barhocker, wird von einem weißen Spot angestrahlt. Warum, in aller Welt, muss dann, aus diesem bewusst ruhigen Bühnenbild, ein hektischer Film geschnitten werden? Kann man die Künstler nicht so respektieren, wie sie sich selber präsentieren? Die Musik hat soviel Drive, da braucht es dieses unsägliche optische Aufgemotze wirklich nicht! Ich begreif das einfach nicht. Aber auf Cato (den Römer, nicht Charles Bronson) hat ja auch keiner gehört …
Willy DeVilleDie Bonus-Aufnahmen, die in einer anderen Set-Einstellung auch als Splits in den Konzert-Tracks zu sehen sind, machen dagegen wieder Spaß. Wenn die Mitmusiker über Willy erzählen, sieht man den zwischendurch ganz entspannt draußen auf seiner Gitarre spielen, in Sepia-Ton und in nun gewollter Unschärfe als weiteres nostalgisches Gestaltungsmittel. Dazu die immer wieder eingeblendeten Takes vom zweiten Konzert, das mehr R&B-mäßig tönt. Merkwürdigerweise wirkt Willy beim Interview wie ein jüngerer Bruder, sehr entspannt, sehr 'handsome' und macht überhaupt nicht den verhauten Eindruck seines 'Bühnen-Ichs'.
Willy deVille-Fans werden eh nicht zögern und sich die DVD zulegen, die, wenn man nicht ständig auf die Akkord-Bilder schaut, ein guter Konzertmitschnitt mit Background ist. Ich denke, im Surround-Format wird sie noch mehr Spaß machen, als mit den bescheiden Mitteln, die ich mein eigen nenne.
Für den Herbst sind wieder einige Live-Auftritte in Deutschland (vorher im Juli zwei in Frankreich) mit der akustischen Dreier-Besetzung angekündigt. Nächsten Sommer soll dann die komplette Mink deVille-Band durch Europa touren. Eine klare Empfehlung, wenn Willy dann noch immer so gut in Schuss ist.
Technik:
Bildformat: 16:9
Sound-Formate: DTS, Dolby 5.1, Dolby Stereo
FSK: ohne Altersbschränkung, Ländercode-frei
Englisch mit Untertiteln: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Holländisch, Portugiesisch


Spielzeit: ca 118:00, Medium: DVD, Eagle Rock, 2006
1:Low Rider 2:Chieva 3:Even While I Sleep 4:Come A Little Bit Closer 5:Downside Of Town 6:Muddy Waters Rose Out Of The Mississippi Mud 7:Steady Driving Man 8:Running Through the Jungle 9:Bacon Fat 10:Crow Jane Alley 11:Slave To Love 12:Savoir Faire 13:Cadillac Moon 14:Demasiado Corazon 15:Just Your Friends 16:Change Of Heart 17:Cry To Me 18:Spanish Stroll 19:Can't Do Without It 20:Hey Joe 21:Let It Be Me
Norbert Neugebauer, 10.04.2006