Willy DeVille / Pistola
Pistola Spielzeit: 43:25
Medium: CD
Label: Eagle Records, 2008
Stil: Rock

Review vom 10.02.2008


Markus Kerren
'Ach du Scheiße!!' war mein instinktiver Gedanke, als ich das Coverphoto zu Willys neuem Album das erste Mal betrachtete. Darauf ist der Meister, ob cleverer PR-Schachzug oder auch nicht, nämlich in einer Art abgebildet, die mich umgehend vermuten ließ, dass er wieder in seine alten, schlechten Angewohnheiten zurückgefallen ist. Ob dem so ist und auch DeVilles Privatleben (das sowieso die Wenigsten etwas angeht) soll hier aber nicht das Thema sein.
Willy DeVille ist seit mittlerweile weit mehr als 30 Jahren im Musik-Business. Das erste Mal ins breite Licht der Öffentlichkeit trat er im Juni 1977 mit seiner Band Mink DeVille, als direkt mit der ersten Single "Spanish Stroll" überraschend ein Top 20-Hit eingefahren werden konnte. Die Band nahm insgesamt sechs Studioalben auf, bevor sie sich Ende 1985 auflöste. Willy nahm erstmal eine längere Pause, um seine Gesundheit wieder auf Vordermann zu bringen, bevor im Januar 1988 dann sein Solo-Debüt "Miracle" erschien. Produziert von Mark Knopfler und oft viel zu 'Keyboard-überladen' stellt es aus heutiger Sicht, wenn damals auch durchaus erfolgreich, musikalisch den Tiefpunkt seiner Karriere dar.
Aber es erschienen im Laufe der Jahre immer mehr und auch wieder viel bessere Longplayer, die eventuell entstandene Zweifel seiner Anhänger folglich in Luft auflösten. 1999 kam das sehr starke "Horse Of A Different Color" auf den Markt, nachgeschoben wurde "Crow Jane Alley" im Jahr 2004. Fast so lange hat es auch wieder gedauert, bis uns DeVille mit "Pistola" nun sein brandneues Studioalbum vorlegt. Und geboten bekommen wir dabei nicht mehr, aber auch nicht weniger als Willy DeVille pur, bodenständigen wie warmen Sound, eine starke Produktion, jede Menge Feeling, halt ein alter Hase 'still alive and kickin''. Vielseitig wie immer werden wir bestens mit Rockern, einem funkigen Groove-Monster, Country à la Willy, den so typischen Balladen, swampigem, angejazzten Blues aus den Sümpfen Louisianas, einem zur Musik rezitierenden Protagonisten und einem herzhaften Stück New Orleans bedient.
Gestartet wird "Pistola" durch den herzhaften Rocker "So So Real" mit herausragender Gitarrenarbeit von Josh Sklar. Der kräftige Sound, DeVilles geiler Gesang und die herrliche Melodieführung lassen einen künftigen Live-Favoriten erahnen. Im Text von "Been There, Done That" beruhigt Willy dann meine anfänglich geäußerten Befürchtungen, während die Musik pumpt, grooved und funked, dass die Gliedmaßen gar nicht anders können, als sich zum Rhythmus mitzubewegen. Nach der schönen Ballade "When I Get Home" (nur mit Akustik-Gitarren und Chamberlin zum Gesang), bei der sich bei mir der Verdacht einschleicht, dass sie Willys langjähriger und vor wenigen Jahren verstorbenen Lebensgefährtin (oder Ehefrau?) gewidmet ist, heißt es: 'Willy goes Country'. Sehr atmosphärisch geht es bei dem Track "Louise" zu, während erneut zu Akustik-Gitarren und einer wunderschönen Pedal Steel Guitar einmal mehr das Thema 'Tod' behandelt wird. Übrigens der einzige Song des Albums, der nicht aus Willy DeVilles eigener Feder stammt.
Das Herzstück und einer der vielen Höhepunkte auf "Pistola" ist "The Band Played On", in dem DeVille mit belegter Stimme seine ganz eigenen Gefühle zu der verheerenden Flut-Katastrophe in New Orleans (wo er auch selbst viele Jahre gelebt hatte) verarbeitet. Musikalisch begleitet von Blech-Bläsern im so typischen New Orleans-Stil sorgt das für so einige Gänsehaut-Momente, vor allem wenn man den intensiven Text versteht, bzw. im Booklet mitverfolgt.
Erst recht, wenn der Protagonist am Ende des Tracks die Worte »…I lost my New Orleans…but that's alright…she« (die Stadt, der Verf.) »will be back again someday…I know it…she'll be back again someday…« zum Besten gibt und man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass hier todtrauriger und trotzender Optimismus von einem Mann praktiziert wird, der dennoch ganz genau weiß, dass erstens dort nichts und zweitens niemals wieder so sein wird, wie es in seinem 'alten' geliebten New Orleans einmal war.
Ein letzter Trompetenton, der verzweifelt um sein Leben zu ringen scheint, versiegt langsam aber endgültig und verstärkt noch einmal die tieftraurige Stimmung. Der Track ist sowohl eine Liebeserklärung, wie auch ein Grabgesang an eine Zeit und einen Ort, die für immer verloren sind.
Puuh, nach dieser ergreifenden Intensität ist man dann fast schon froh, dass mit "You Got The World In Your Hands" bluesig und etwas 'leichter' weitergemacht wird. "I Remember The First Time" ist eine Willy DeVille-Ballade vor dem Herrn. Einmal mehr sehr starke Melodien, der so typische Gesang und spanisch/mexikanisch angehauchte Gitarren lassen auch diesen Song auf der Haben-Seite verweilen.
Zu Beginn von "Stars That Speak" hört man Cowboy-Boots zu himmlischem Donnern durch die Nacht spazieren. Die Musik und dann Willys (rezitierende) Stimme setzen ein, während die Stiefel weiterhin 'auf ihrem Weg' zu hören sind. Bis man plötzlich bemerkt, dass sie als Taktgeber, bzw. Percussion-Instrument für den Track dienen. Eine total coole Idee, die obendrein auch noch hervorragend funktioniert. "I'm Gonna Do Something The Devil Never Did" ist nochmal ein schwüler Südstaaten-Blues mit Slide-Gitarre, bevor DeVille sein neues Album mit "The Mountains Of Manhattan" in von Musik unterlegter Erzähl-/Gedichtform eher ruhig beschließt.
"Pistola" ist eine absolut 'runde Angelegenheit' mit dem - ja, jetzt lege ich mich fest - emotionalen Höhepunkt "The Band Played On". Und Willy DeVille, in seinem Heimatland USA fast gänzlich unbekannt, sollte man endlich mal die Ehre und den Respekt zukommen lassen, die er schon lange verdient. Denn der Mann ist ein Original, ein 'One-Off', den man aus Tausenden heraushören kann. Obwohl, wenn es tatsächlich soweit käme, er wahrscheinlich mit dem Charles Bukowski-Satz »Verdammt, ich hatte immer so eine Idee, dass ich erst nach meinem Tod entdeckt werde« reagieren würde.
Willy DeVille ist wieder da! "Pistola" ist klasse, eine dicke Empfehlung, wird auch in Deutschland betourt und bekommt von mir fette 8,5 RockTimes-Uhren aufgebrummt. Ein Album mit eingebautem Langzeit-Faktor!
Tracklist
01:So So Real
02:Been There Done That
03:When I Get Home
04:Louise
05:The Band Played On
06:You Got The World In Your Hands
07:I Remember The First Time
08:Stars That Speak
09:I'm Gonna Do Something The Devil Never Did
10:The Mountains Of Manhattan
Externe Links: