Bill Evans Trio with Chuck Israels & Paul Motian / Complete Recordings
Complete Recordings Spielzeit: 68:50 (CD 1), 69:07 (CD 2)
Medium: Doppel-CD
Label: Essential Jazz Classics (Riverside, Atlantic), 2013 (1961, 1962)
Stil: Jazz


Review vom 25.04.2013


Wolfgang Giese
Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Saxofonisten, handelt es sich bei diesem Bill Evans um den am 16. August 1929 in New Jersey geborenen Pianisten, der die meiste Zeit seiner musikalischen Laufbahn im Trioformat arbeitete. Hierbei standen ihm stets hochkarätige und mitgestaltende Musiker zur Seite. Aber auch er selbst übte großen Einfluss aus und zwar bei der berühmten Platte Kind Of Blue von Miles Davis. Das war 1959 und zusammen mit dem Bassisten Scott LaFaro und dem Schlagzeuger Paul Motian bildete er ein Trio, das richtungsweisend im Jazz galt und schon fast telepathisch agierte. 1961 verunglückte der Bassist tödlich und so war es sicher schwierig für Chuck Israels, dessen Stelle anschließend einzunehmen. Dass dies auf brillante Weise gelang, davon zeugen diese Aufnahmen, die kompletten mit ihm und Motian eingespielten Titel. Diese fanden sich auf den Langspielplatten "Moonbeams" und "How My Heart Sings!", beide 1962 eingespielt. Auf der vorliegenden Doppel-CD wurde noch die komplette Platte "Nirvana" des Flötisten Herbie Mann spendiert, 1961 eingespielt und von diesem Trio begleitet. Darüber hinaus gibt es noch drei Rundfunkaufnahmen aus dem Februar 1962, das sind die Titel vier bis sechs der zweiten CD.
Bill Evans hinterließ bei einigen Kollegen seine Spuren, so bei Chick Corea, Herbie Hancock oder Keith Jarrett. Stets waren es Bassisten, die in seinen Trios wichtige Rollen einnahmen. So folgten Israels später noch so bekannte Musiker wie Gary Peacock, Eddie Gomez oder Marc Johnson, Auch die Liste der mitwirkenden Schlagzeuger zeugt von der Qualität der entstandenen Musik, fallen doch unter anderem solche Könner wie Philly Joe Jones oder Jack DeJohnette darunter. Israels war - im Nachhinein betrachtet - wohl eine größere Herausforderung als sein Vorgänger und dies brachte eine besonders effektive Reibung in der Musik, die dadurch extrem lebendig wirkt.
So traf die typisch lyrische Spielweise des Pianisten, oft gebündelt mit einem gehörigen Schuss Romantik, auf die Individualität des neuen Bassisten und Motian war stets mehr als ein reiner Begleiter, sondern immer ein Gestalter - sehr oft mit den Schlagzeugbesen agierend. Diese oft sehr ruhige Musik ist dennoch voller Spannung und Klangreichtum und es ist einfach mehr als nur unterhaltsam, diesen drei hervorragenden Künstlern in ihren Unterhaltungen zuzuhören. Dabei kann man sich schnell dabei ertappen, angesichts vieler verträumter Stimmungen abzuschalten und sich irgendwo auf 'Wolke sieben' wiederzufinden... gedankenverloren und einfach zu schweben. Es ist Jazz und doch finden sich immer wieder Elemente der Kammermusik, was neben den 'Blue Notes' noch eine gewisse Kühle hervorbringt - diese Coolness, wie man sie bei "Kind Of Blue" vorfand.
Nach dem Restprogramm auf der zweiten CD folgen dann die drei Rundfunkaufnahmen, die klanglich leider nicht erstklassig sind. Sie klingen zwar nicht so voll und räumlich, doch Evans selbst scheint in seinem Spiel quirliger und energischer.
Die Titel der Platte von Herbie Mann sind dagegen in erster Linie geprägt von dessen Flötenspiel. Interessant, dass Evans hier die ersten Aufnahmen mit dem neuen Basskollegen machte. Der Titelsong bringt alle vier Musiker jedoch sehr eng zusammen und Mann spielt sich nicht in den Vordergrund. Hervorragend empfinde ich hier das Spiel des Drummers, der mit wenigen Elementen große Stimmung verbreitet und das bei diesem balladesken Titel. So wechseln sich die Tempi ab und nach langsamer Einleitung entwickelt sich "I Love You" zu einem smarten Swinger, der wiederum Motian als großartigen Könner ausweist, sicher einer jener Schlagzeuger, die nie so sehr im Vordergrund standen - vielleicht deshalb, weil sein Spiel so außergewöhnlich war. Obwohl sich Mann im Laufe seines musikalischen Schaffens vielen verschiedenen Stilen zuwandte, hält er sich hier recht eng am Bop-Schema, dazu mit einer gewissen Coolness. Es fällt auf, dass seine und des Pianisten sehr lyrische Spielweise eine feine Allianz eingingen. Manchmal fehlt der Musik vielleicht etwas an Energie und Feuer, aber was schließlich bleibt, ist die hochwertige Qualität des Vortrags.
Line-up:
Bill Evans (piano)
Chuck Israel (bass)
Paul Motian (drums)
Herbie Mann (flute - CD 2, #7-12)
Tracklist
CD 1:
01:How My Heart Sings (4:56)
02:Summertime (5:59)
03:If You Could See Me Now (4:31)
04:Walking Up (4:55)
05:Very Early (5:05)
06:Show-type Tune (4:22)
07:Re: Person I Knew (5:47)
08:34 Skidoo (6:20)
09:Polka Dots And Moonbeams (5:02)
10:I Should Care (4:53)
11:I Fall In Love Too Easily (2:43)
12:Ev'rything I Love (4:12)
13:In Love In Vain (5:01)
14:Stairway To The Stars (4:52)
CD 2:
01:In Your Own Sweet Way 1 (6:56)
02:In Your Own Sweet Way 2 [alt Tk] (5:51)
03:It Might As Well Be Spring (6:07)
04:Gloria's Step (5:56)
05:Haunted Heart (4:01)
06:Nardis (6:46)
07:Nirvana (5:49)
08:Gymnopedie (3:19)
09:I Love You (7:13)
10:Willow Weep For Me (5:33)
11:Lover Man (4:51)
12:Cashmere (6:43)
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