Emerson, Lake & Palmer / Pictures At An Exhibition
Pictures At An Exhibition Spielzeit: ca. 144:00
Medium: DVD
Technik:
Bildformat: 4:3
DVD-Format: NTSC Region 0
Sound-Format: PCM Stereo
Untertitel: keine
Label: Eagle Vision, 2010
Stil: Prog Rock

Review vom 15.08.2010


Steve Braun
Es bleibt natürlich jedem Fan selbst vorbehalten, ob er sich vor dem Anschauen einer Emerson, Lake & Palmer-DVD einen LSD-Trip 'reinpfeifen' möchte. Dies könnte möglicherweise neue Zugänge zu dieser komplexen Musik eröffnen und wäre zudem - angesichts dieser hier zu besprechenden Aufnahmen von 1971 - auch durchaus dem damaligen Zeitgeist entsprechend. Nur schreiben wir jetzt das Jahr 2010 und längst hat sich der Schreiber dieser Zeilen gesellschaftlich akzeptierten Drogen wie Wein und Kaffee zugewandt. Da wirken die psychedelischen Effekte des Konzertfilmes von 1971, "Pictures At An Exhibition", einfach nur störend und deplatziert. Gut, diese sind natürlich absolut authentisch und dem bereits genannten, damaligen Zeitgeist entliehen, aber visueller und 'ohr-aler' Genuss wollen einfach nicht mehr zusammenpassen.
Der hier zu besprechende Konzertfilm, "Pictures At An Exhibition", der 1973 in den Kinos anlief, ist bereits mehrfach auf Video und DVD erschienen und wurde von RockTimes bereits in der 2005er, zum 35. Jahrestag des Konzertes erschienenen Edition, besprochen. Nun liegt der Streifen in einer Special Edition vor, die neben dem g e s a m t e n Konzert - im Dezember 1970 im Londoner Lyceum aufgezeichnet - auch einen Auftritt im belgischen TV von 1971 zeigt. Angesichts der abgedrehten Psychedelic-Effekte sind diese gut fünfzig Minuten der letztgenannten Fernsehshow regelrecht erholsam für Auge und Ohr.
Emerson, Lake & Palmer waren ein sehr schwieriges Konstrukt: drei Charakterköpfe, die irgendwie keinen gemeinsamen Hut finden wollten. So kam es zu einer merkwürdigen Spaltung, einem tiefen Riss im musikalischen Konzept. Auf der einen Seite die beiden experimentell verspielten 'Frontsäue': Keith Emerson und den ihn perfekt ergänzenden Carl Palmer, die von moderner klassischer, orchestraler Musik und Jazz schwer beeinflusst waren. Auf der anderen ein Greg Lake, der mit seinen butterweichen Balladen wie "Lucky Man" oder "Still You Turn Me On" mit Klängen zur akustischen Gitarre einen ganz klaren Kontrapunkt setzte. Diesen Zwiespalt verdeutlicht "Pictures At An Exhibition" überdeutlich. Die Spannung, die Emerson, Lake & Palmer mehrfach 'splitten' ließ, ist fast mit Fingern greifbar. Die Aufnahmen zeigen einen, in seiner Tastenburg regelrecht gefangenen Emerson, der sich mit Palmer geradezu blind ergänzt. Einfühlsam und ständig Augenkontakt haltend führt der eine des anderen Läufe in traumwandlerischer Sicherheit weiter. Dagegen wirkt Lake auf mich eher als Fremdkörper, zumal er mir stimmlich gewaltig limitiert erscheint.
Visuell ist natürlich zumeist Keith Emerson im Mittelpunkt, der seine alte Hammond B3 mit Messern traktierend um die eigene Achse schleudert - immer auf der Suche nach einem möglichst bizarren Ton. Der Steinway Flügel, Emerson gab sich nie mit Kompromissen wie Wurlitzer oder Fender Rhodes ab, verkörpert eine majestätische Würde. Selbst seinem einfachen Hohner Clavinet D6 entlockt er würdevolle Klänge. Dagegen wirkt der Moog Synthsizer wie ein steinzeitliches Relikt. Natürlich noch monophon ausgelegt sind dessen Sounds nach heutigen Maßstäben doch sehr dünn und zittrig, aber immer charismatisch 'moog'. 1971 war dieses Spielzeug - die Oszillatoren mussten noch via Klinkenkabeln geschaltet werden - natürlich d i e Innovation schlechthin und unterstrich die Extravaganz des Egozentrikers Emerson. Dieser war mit diesen Klängen damals seiner Zeit um Längen voraus.
Grundlage ist Modest Petrowitsch Mussorgskis Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" von 1874. Die einzelnen Sätze beschreiben Gemälde und Zeichnungen seines im Jahr zuvor gestorbenen Freundes Viktor Hartmann. Inspiriert von russischer Folklore, regte das als Solostück für Klavier angelegte Werk schon vielfach für eine orchestrale Bearbeitung an. "Pictures At An Exhibition" trägt eindeutig Keith Emersons Handschrift. Mussorgskis Original stellt lediglich das Grundgerüst dar, das die frisch, unbekümmert und dynamisch aufspielende Band mit eigenen Ideen füllt. Die Originalaufnahmen des Auftritts im Lyceum werden durch die eigenen Stücke, "Take A Pebble", "Knife Edge" und "Rondo", abgerundet.
Das Bonusmaterial zeigt neben dem Original-Trailer für den Kinofilm ein Konzert für die Sendung "Pop Show", die 1971 im belgischen TV lief. Diese Aufnahmen stellen das eigentliche Schmuckstück dieser Special Edition dar. Trotz einer dicken Staubschicht auf der Bild- und Tonqualität ist der Streifen atmosphärisch dicht, dafür nimmt man gerne auch einmal verwackelte Bilder und ein zirpendes Rauschen in Kauf. Vom klassisch-verspielten, orgiastisch-improvisierten "Rondo" über den grandiosen "Nutrocker" bis zum Ausflug in einen bluesigen Jam: keine dieser herrlichen Sekunden möchte man missen.
Wurde die Sinnhaftigkeit der 2005er Edition (m. E. zu Recht) angezweifelt, so muss man diese hier besprochene Special Edition dank des kompletten Konzertes und des superben Bonusmaterials lobend erwähnen. Damit sollte das ELP-Kapitel "Pictures At An Exhibition" allerdings auch kompetent und endgültig abgeschlossen sein.
Line-up:
Keith Emerson (Hammond, Steinway Flügel, Hohner Clavinet, Moog Synthesizer)
Carl Palmer (drums)
Greg Lake (vocals, bass, acoustic guitar)
Tracklist
01:Promenade
02:The Gnome
03:Promenade
04:The Sage
05:The Old Castle
06:Blues Variation
07:Promenade
08:The Hut Of Baba Yaga
09:The Curse Of Baba Yaga
10:The Hut Of Baba Yaga
11:The Great Gates Of Kiev
12:Take A Pebble
13:Knife Edge
14:Rondo

Bonus Features:
Pop Shop 1971
01:Interview
02:Rondo
03:Nutrocker
04:Take A Pebble
05:Knife Edge
06:Blues Jam/Nutrocker
Original Film Trailer
Externe Links: