Essenz / Mundus Numen
Mundus Numen Spielzeit: 53:28
Medium: CD
Label: Svart/Cargo Records, 2012
Stil: Okkult Metal


Review vom 17.06.2012


Andrea Groh
»He who wants to be born must destroy a world.« (H. Hesse) - wenn mich ein solcher Satz von einem CD-Booklet anschaut, gibt das gleich schon Bonuspunkte, handelt es sich doch um ein Zitat aus "Demian", einem Buch, das mich in meiner späten Jugend stark beeindruckt hat. Die komplette Aussage lautet übrigens: »Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muss eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.«
Wie schon öfters in letzter Zeit gibt es auch Latein, die CD heißt "Mundus Numen", hm, 'Weltmacht'? Oder eher 'Weltwille'? Das würde zu dem abgedruckten »Welt ist Wille« passen. Wobei der Begriff 'Numen' auch bei C. G. Jung vorkommt, Parallelen zu dessen Theorien sind wiederum bei "Demian" zu finden, so schließt sich der Kreis.
Noch eine Äußerlichkeit, die mir auffällt und die ich erwähnen will: Das Bandlogo ist im Stil eines Palindroms gestaltet, kunstvoll kalligrafiert steht da 'znessEEssenz'.
Und die Musik auf der CD… ich erwarte Doom/Black-Metal… und das ist nicht einmal unbedingt falsch. Die Band selbst nennt es Okkult Metal.
Gegründet wurde das Berliner Projekt 2006, die erste EP "Metaphysis" erschien 2009, gefolgt von "KVIITIIVZ - Beschwörung des Unaussprechlichen" (2010), wobei 'KVIITIIVZ' schlicht 'Kultus' heißt…
Passend zu diesen ganzen Begriffen sollen die 'Live-Rituale' (Auftritte) mit Videoprojektionen unterlegt sein.
LP Klingt alles sehr vielversprechend, und wenn dann die CD noch in einer schmucken Box kommt (eine tolle Klappcover-LP gibt es ebenfalls), deren Optik mich etwas an Tarot-Karten erinnert, dann passt das alles zusammen.
Eingängige Mitsing-Liedchen erwartet nun niemand mehr, oder?
Eher ein düster-magisches Gebräu, das aus den Boxen wabert - und genau das gibt es.
Ob doomiges Kriechtempo, akustik-Parts, Black Metal-Ausbrüche oder abgefahrene Sounds wie beispielsweise im Instrumental "Observing Spectres: Schizophrenia", "Mundus Numen" entführt in mystische Welten, dunkel und majestätisch zugleich.
Der Opener "Extinguish Shapes: Innermediate" lockt noch mit stoner-mäßigen Riffs und gaukelt den Hörern damit eine gewisse Leichtigkeit vor wie ein Köder. Doch wer angebissen hat, gerät in einen unheimlichen Sog, der immer weiter in die Finsternis führt. Sanfte, verspielte Momente können nicht darüber hinweg täuschen, dass "Mundus Numen" in Wirklichkeit ein Höllentrip ins Ich ist. Schon Track zwei, "Seæ Of Light: Pleroma", offenbart, trotz 'Licht' im Titel, die schwarze Seite dieser silbernen Scheibe (metaphysisch gesehen…).
Es soll nicht der einzige Wandel bleiben, kein Song ist berechenbar und das ist gut so, egal ob die Frauenstimme am Ende von "Extinguish Shapes: Innermediate" oder andere Überraschungen, die Musik spiegelt die permanenten Veränderungen der Welt wider; alle Einzelheiten zu beschreiben würde hier zu weit führen.
Außerdem sollte man "Mundus Numen" sowieso als Gesamtwerk betrachten, in dem sich die beigefügten Ingredienzen zu einem mächtigem Gebräu vereinen, das mehr als die Summe seiner Zutaten ist. Die einzelnen Elemente verwandeln sich in der Hand der erfahrenen Adepten, erfahren eine innere und äußere Metamorphose bis von ihrem Wesen die Essenz übrigbleibt bzw. daraus der Klangkosmos der Band Essenz entsteht.
Ob man das Ergebnis nun als eine Reise in das Innere Selbst ansieht, als Alchemie der Töne (die vielleicht zur die Entdeckung des 'Steins der Weisen' führt) oder gar als Messe für Abraxas, bleibt den geneigten Hörern überlassen. Ein beeindruckendes Stück Okkult Metal ist es allemal.
Ob Emil Sinclair "Mundus Numen" mögen würde? Irgendwie kann ich mir schon vorstellen, wie er zusammen mit Demian diesem Werk lauschen würde…vielleicht sollte ich das Buch noch einmal lesen und genau dies dabei tun.
Ob so oder anders, die Scheibe wird bei mir noch einige Male rotieren. Handelt es sich doch um faszinierende Musik mit faszinierenden Gedanken in schöner Verpackung.
Line-up:
g.st. (tone, voice, meditation)
d.rk (inflexion)
t.ngl (pulse)

s.cs (noise - #5,6)
Kaja Kargus (female voice - #1)
Tracklist
I:Dissolving Content And Shape
01:Extinguish Shapes: Innermediate (6:41)
02:Seæ Of Light: Pleroma (6:34)
03:Extricate Spirits: Amor (10:05)
II:Controlling Content And Shape
04:Observed By Spectres: Paranoia (8:05)
05:Observing Spectres: Schizophrenia (8:08)
06:To The Bone: Mania (13:55)
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