Europe / Bag Of Bones
Bag Of Bones Spielzeit: 41:01
Medium: CD
Label: earMUSIC, 2012
Stil: Rock

Review vom 29.04.2012


Boris Theobald
Es ist schon bemerkenswert, welche musikalischen Blüten eine Band Jahrzehnte nach ihrer Gründung und viele Jahre nach der Zeit, die mutmaßlich 'ihre' war, noch einmal treiben kann. Europes Vermächtnis schien längst ein Fall fürs gedruckte Musiklexikon, da begannen sich die schwedischen Superstars anno 2004 mit ihrem Comeback "Start From The Dark" plötzlich neu zu erfinden. "Bag Of Bones" ist nun bereits das vierte Album nach der 'neuen' Europe, und es führt konsequent und mit gewaltigen Schritten den eingeschlagenen Weg der Band fort: schwer und 'klassisch' rockend, oft düster und auch ernst, aber nicht weniger schillernd als zu den Zeiten weltbekannter Klassiker.
Schon auf dem Vorgänger Last Look At Eden gab es diesen stilistischen Einschlag - und nun hat ein Mix aus Hard- und Blues Rock ganz große Strecken des Bandsounds für sich erobert. Mic Michaeli hat das Orchester weitestgehend eingepackt und den Großteil seiner Keyboard-Speicherplätze mit der Hammond programmiert. John Norums retro-rockige Riffs klingen enorm lässig und doch gleichzeitig so tonnenschwer. Es donnert urgewaltig, dampfmaschinig. Meisterproduzent Kevin Shirley war dieses Mal am Werk - dieser Wumms geht wohl mit auf seine Rechung, bravo.
"Riches To Rags", "Demon Head" oder "Mercy You Mercy Me" sind groovende Hard Rock-Perlen mit dröhnend düsterem Grundton. Als Topping je ein kompaktes, aber wildes Solo. John Norum ist die beinahe kindliche Freude in jedem Ton nachzufühlen: »Zum ersten Mal seit den Europe-Anfangszeiten sind wir alle wieder zusammen in einem Studioraum gewesen, haben die neuen Songs durchgespielt und Joey hat dazu gesungen. Ich war so fasziniert von der Tatsache, dass wir zu so etwas noch fähig sind, dass ich vergaß, aufzupassen und immer wieder Stromschläge von meinem Kopfhörer abbekam. Aber das macht nichts« sagt er.
Für all jene, die Europe nur von früher kennen und die Band sträflicherweise erst jetzt wieder entdecken, sei gesagt: Europe klingen weit weniger... sagen wir - 'feierlich', pompös, wie beispielsweise noch im "...Eden"-Titeltrack. Bombastisch nach wie vor, aber in einer düstereren Weise, wie im drängenden, wilden und dramatischen "Firebox". Das geht schon arg in Richtung Uriah Heep oder Deep Purple. Und wenn bei der kugelrund rockenden, vor Esprit und Energie spritzigen Nummer "Doghouse" Nazareth draufstünde, oder Cream oder The Who - würde sich kaum einer wundern. Höchstens über diese Wucht...
... und die kommt nicht nur mit der klanglichen Schlagkraft, sondern auch mit diesem nicht messbaren Fühl-Faktor. Insbesondere Joey Tempests Stimme ist erwartungsgemäß eine Wucht und macht alle Vergleiche wieder irgendwie sinnlos: Das sind Europe, Europe, Europe! Die Stimme und ihre Flair sind einzigartig. Der Mann zieht alle Register, ist enorm präsent und glänzt nicht nur in den Höhen, sondern auch mit ganz, ganz bluesiger Attitüde. "My Woman My Friend" - hier schlägt das Pendel noch etwas stärker als bei "Not Supposed To Sing The Blues" im Hard- und Blues Rock-Gemisch ganz stark in Richtung letzterem. Erst ein ruhiger, klagender Klavier-Einstieg, und dann walzt wieder die Riff-Walze los.
Was passt bei diesen Tendenzen besser als ein Gastauftritt Joe Bonamassas? Der findet tatsächlich statt. Der Blues-Superstar greift beim Titelsong in die Saiten. "Bag Of Bones" wird immer wieder durch diese edel-melancholischen Clean-Arpeggien fortgesponnen; und dann setzt diese sehnsuchtsvolle Lead ein und führt zu einem Chorus, dessen Melodie plötzlich sehr ur-'europe-äisch' klingt. Eine überraschende Kombination; der Song hat irgendwie alles.
Zwei ruhigere Nummern, das folkig-zeppelin'eske "Drink And A Smile" und der nachdenkliche Schlusstrack "Bring It All Home", runden den positiven Eindruck des neunten Europe-Studioalbums ab. Es ist ein ehrliches - eines, das den fünf Schweden hörbar Spaß gemacht hat. Und das, obwohl es kaum Gute-Laune-Partymucke enthält - vielleicht mit Ausnahme von "Doghouse", bei dem man wippt und springt und unweigerlich das 'Luft-Schlagzeug' bedient. Letztendlich eher ein Beweis für die Vielfalt dieser Schwedenplatte. Starkes Stück!
Line-up:
Joey Tempest (vocals)
John Norum (guitars)
Mic Michaeli (keyboards)
John Leven (bass)
Ian Haugland (drums)

Guest musician:
Joe Bonamassa (guitar - #4)
Tracklist
01:Riches To Rags (3:05)
02:Not Supposed To Sing The Blues (5:13)
03:Firebox (3:47)
04:Bag Of Bones (5:31)
05:Requiem (0:29)
06:My Woman My Friend (4:25)
07:Demon Head (3:59)
08:Drink And A Smile (2:22)
09:Doghouse (3:58)
10:Mercy You Mercy Me (4:31)
11:Bring It All Home (3:39)
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