Eier mit Speck-Festival / 25.-27.07.2014, Viersen
Rockwiese Hoher Busch
Eier mit Speck 2013
Eier mit Speck-Festival
Rockwiese Hoher Busch, Viersen
25. bis 27. Juli 2014
Festivalbericht
Fotos: Andreas Döring und Udo Gröbbels


Artikel vom 17.08.2013


Udo Gröbbels
Man singt wieder deutsch
Bühne Zum mittlerweile neunten Male hieß es wieder am letzten Juli-Wochenende: 'Eier mit Speck' für alle auf der Rockwiese in Viersen. Da wir bis jetzt fast jedes Jahr vor Ort waren und auch immer berichteten, schenke ich mir große Infos zum Festival. Wie in den letzten Jahren war dieses Festival schon ein paar Monate vorher restlos ausverkauft und auch 2014 war erneut bunte Vielfalt angesagt. Nichts wurde ausgelassen und wer dachte, dass deutscher Schlager zwischen Metal und Indie völlig untergehen würde, wurde eines Besseren belehrt. Auffällig war in diesem Jahr die Tatsache, dass deutschsprachige Musik aus den verschiedensten Genres wieder sehr angesagt ist und sowohl in den Charts, im Radio und auch in Viersen richtig abgeräumt hat. Aber starten wir erst mal der Reihe nach.
Freitag - Summertime am Niederrhein
Natürlich kann man sich nicht jede Band an einem Drei-Tage-Festival ansehen. Da heißt es Kräfte einteilen. Das habe ich mir auch gedacht und am Freitag zum vierten Act war ich dann vor Ort. Nina Atal Bereits vor einem anständig gefüllten Festivalplatz spielte Nina Atal plus funky Begleitband aus Paris. Die noch sehr junge Französin präsentierte eine sehr engagierte Mischung aus Funk und Pop. Sie überzeugte mit lässiger und charmanter Performance. Ihre wunderbar rauchige Stimme passte dazu hervorragend und das Festivalvolk groovte sich schon mal ein. Die Band hätte für meinen Geschmack eine Zacken rotziger aufspielen können, aber ansonsten war dies für den frühen Abend bei wunderbarem Sonnenwetter schon mal sehr passend.
Eat The Gun aus Münster schlugen dann schon etwas härte Töne an. Das Trio spielte locker-flockigen Rock mit dem eben noch vermissten, dreckigen Sound und wurde zu Recht, nach etwas Startschwierigkeiten, gegen Ende richtig abgefeiert.
Dann kam leider mein persönlicher musikalischer Tiefpunkt mit der Hip Hop-Combo Die Boys aus Hamburg. Zäh wie Kaugummi zog sich ihr Set mit '100 Mal gehört'-Hip Hop-Songs nach Schema F. - sorry, aber das war mal gar nichts.
Knorkator Umso mehr freuten sich danach alle auf den Co-Headliner: Knorkator aus Berlin und das Quintett enttäuschte nicht. Im Gegenteil - ihre Mischung aus Musik und abgefahrener Bühnenperformance war richtig gut. Mit Krachern aus der gesamten Bandbiographie, wie "Ich hasse Musik", "Wir werden alle sterben", "Böse" oder auch dem neuen "Konrad", machte man mächtig Stimmung. Unterstützt wurde die Band immer mal wieder wahlweise von einem Gastsänger oder einer hübschen Gastgitarristen. Als Zugabe gab Sänger Stumpen alles, als er in einer lebensgroßen Gummikugel durchs Publikum rollte. Krönender Abschluss war dann noch die völlig bizarre Version des Boney M.-Klassikers "Ma Baker". Top!!
Knorkator Headliner des ersten Tages waren die Madrider von The Locos. Die Ska/Punk-Band ist ein Nebenprojekt von Sänger Pipi, der hauptberuflich bei der spanischen Combo Ska-P seine Brötchen verdient. Musikalisch geht es in die gleiche Richtung, wenn auch etwas punkiger. Die Stimmung war immer noch bestens und mit einer Mischung aus eigenen Songs plus ein paar Coverversionen, wie das sehr genial interpretierte "Dont Worry - Be Happy", machte man bis 1.00 Uhr nachts nochmals richtig Stimmung und Viersen ging erneut voll ab. Fazit vom Freitag: Bis auf die Hamburger Hip-Hoper ein super Einstieg.
The Locos
Samstag - Das Schlagerwunder trifft auf Metal
Auch heute war ich erst wieder zur vierten Band vor Ort - mit Liedfett aus Hamburg und ihrem Liedfett "Liedermaching" erwischte ich auch direkt einen guten Einstieg. Mit frechen, witzigen deutschen Texten sorgte das Trio mit Gesang, Cajon und Gitarre schon am Nachmittag für ordentlich Stimmung.
Die anschließenden Black City aus Dänemark haben zwar schon als Support für AC/DC gespielt, aber an diesem Samstag konnten sie mit ihrem Rock im Stile von Airbourne die Leute nicht so recht erreichen. Passte einfach nicht. Schade, denn die Band war alles andere als schlecht.
Christian Steiffen Was danach kam, ist mit Worten nicht zu beschreiben und kann nur ansatzweise mit 'unfassbar' erklärt werden. Der Osnabrücker Schlagersänger (!!) Christian Steiffen, der sich selber als das »Bernsteinzimmer der guten Musik« bezeichnet, sorgte von ersten Ton des Openers "Wie gut, dass ich hier bin" für völlig ekstatische Stimmung im Publikum. Klatschen, Arme schwenken, tanzen, mitsingen - einfach unglaublich. Als Bindeglied irgendwo zwischen Roland Kaiser und Helge Schneider fraß das Volk ihm aus der Hand und Songs wie "Sexualverkehr", "Ich fühl mich Disko", "Ich habe Haschisch probiert" oder das abschließende "Arbeiter der Liebe" wurden auch nachts auf dem Campingplatz hoch- und runtergesungen. Wie man mit Sound im Stile der Flippers bei so einem, eher rockig geprägten Publikum abräumen kann, war auch für den guten Christian nicht erklärbar und mehr als einmal merkte man, wie ergriffen und erfreut er von dieser Wahnsinnsstimmung war. Obwohl hier zwei Welten aufeinander prallten, passte es einfach. Wie bereits gesagt: mit Worten nicht zu beschreiben.
Moop Mama Damit lag die Latte extrem hoch und die Newcomer Heißkalt aus Sindelfingen hatte es schwer, danach die Bühne zu betreten. Trotzdem schlugen sie sich mit ihrem modernen deutschen Rock wacker, was vor allem beim jungen Publikum sehr gut ankam.
Die Münchener Moop Mama machten zwar Hip Hop, aber das mit Trommeln und diversen Blasinstrumenten, sodass der Sprechgesang sehr organisch und groovig rüberkam. Nicht so ganz mein Ding, aber der Beweis, das man Hip Hop auch gut auf einem Festival performen kann. Den Leuten jedenfalls gefiel es sehr gut.
Prong Danach hieß es 'Legendenalarm', denn mit Prong hatte man, wie in den Vorjahren auch, mal wieder in der '90er-Rockkiste' gewühlt und dieses Schätzchen als Co-Headliner am Samstag präsentiert. Tommy Victor und Co. machten nach dem coolen Western-Intro keine Gefangenen und ballerten mit sehr guten Sound ihre Songs raus. Extrem tight und cool rockten man sich 70 Minuten durch die komplette Bandhistorie und wurde ebenfalls bestens aufgenommen. Dabei kamen sowohl neuere Songs, wie "Turnover" vom sehr guten neuen Album "Ruining Lives", als auch alte Klassiker wie "Beg To Differ" bestens an. Als Abschluss gab es noch das von allen erwartete "Snap Your Fingers - Snap Your Neck", was auch zwanzig Jahre nach Erscheinen immer noch richtig geil knallt. Rundrum gelungen. Danke und Abmarsch Richtung Bett.
Sonntag - Wanne-Eickel meets Barcelona
Neuer Tag - selbes Prinzip: Pünktlich zur vierten Band bin ich am Start und mit Sebel gibt es direkt ein Highlight. Stoppok trifft auf den ganz jungen Marius Müller-Westernhagen, Sebel könnte man hier grob sagen. Mit dem Titelsong seiner aktuellen CD, "Wie deutsch kann man sein", erwischen Sebel van der Nijhoff plus Band einen Traumstart. Gute deutschsprachige Texte mit ordentlich Rock'n'Roll kommt bestens beim Publikum an und trotz sengender Hitze von knapp 30 Grad zieht es doch sehr viele vor die Bühne. Die Zuschauer werden mit guten Songs wie "Engel" oder "Scheiß auf die Disko" belohnt. Selbst die Ballade "Heimat" wirkt nicht kitschig, sondern wird genauso bejubelt wie der Rest. Nach dem abgefeierten Rausschmeißer "Wer soll das alles ficken" hat die Band einige Fans gewonnen und am Merchandise-Stand gibt es noch jede Menge Autogramme zu schreiben.
Überhaupt fehlt beim "Eier mit Speck" das ganze Stargehabe und fast alle Künstler lassen sich am Merchstand blicken, geben Autogramme und plaudern mit den Fans. Nicht nur in dieser Beziehung ist das Festival absolut vorbildlich.
Die folgenden Her Bright Skies aus Schweden sind dann wieder was für die junge Fraktion und da insbesonders für die Mädels. Einfacher Rock, der aber bei hochsommerlichen Temperaturen immerhin ganz nett rüberkommt.
Dann Hip Hop - die dritte - und hier gab es geteilte Meinungen. Akura Naru hat ihre Wurzeln eindeutig bei der ehemaligen Fugees-Sängerin Lauryn Hill und die Band spielt solide und gut eingespielt dazu. Trotzdem will der Funke nicht so richtig überspringen. Technisch zwar absolut gut, aber etwas fehl am Platze.
La Pagatina Mein persönlicher Abschluss ist dann der Co-Headliner La Pagatina aus Barcelona. Hier gab es nochmals richtig was für die Beine und mit einer Mischung aus Samba, Ska, Folk und Salsa ein Feuerwerk der mitreißenden Rhythmen. Ein letztes Mal ging die Menge steil - weit und breit sah man nach dem Gig völlig erschöpfte, aber strahlende Gesichter. Spielfreude in Reinkultur, die sogar soweit ging, dass man nach der regulären Spielzeit einfach ins Publikum kam und dort noch eine Zugabe mitten unter den jubelnden Zuschauern gab. So etwas ist gelebte Leidenschaft für Musik. Fantastisch.
Da fällt mir das Fazit nicht schwer: Wieder einmal bewies das 'Eier mit Speck' seinen mittlerweile weit über den Niederrhein bekannten Ruf für tolle Atmosphäre und gute Musik. Es gab wieder viel Neues zu entdecken und alte Helden abzufeiern. Als Sahnehäubchen war dieses Jahr das Wetter mit Sonne, Sonne und Sonne satt noch absolut großartig. Der Regen machte einfach mal an diesem Wochenende eine großen Bogen um Viersen. Nächstes Jahr gibt es dann die mittlerweile 10. Auflage vom 24. bis 26. Juli 2015. Wer dabei sein möchte, sollte sich schon Anfang 2015 die Karten sichern. Egal wer spielt - ein Besuch beim 'Eier mit Speck' lohnt sich auch nächstes Jahr garantiert - versprochen.
Danke an Jürgen Haigh vom EMS-Team für die unkomplizierte Akkreditierung sowie Andreas Döring für die Fotos.
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