In meinem Vorbericht deutete ich ja schon an, dass das R-Mine Metalfest 2013 einen Unterhaltungswert der absoluten Sonderklasse darstellen würde - und ich habe mich nicht getäuscht. Das Billing speziell für die NWoBHM-Feinschmecker war in der Form (für die heutige Zeit) im Grunde quasi unerreicht. Wo sonst kann man schon derart viele Helden dieser Garde auf einen Haufen, am selben Wochenende und am selben Ort live und in Farbe sehen? Nun, wer das wollte, der musste sich dafür allerdings aufs platte Land an die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden aufmachen, trotz Ausland auch immer noch ganz nah an Deutschland.
Vom 21. - 23. Juni wurde im belgischen Hamont-Achel eine bunte Ansammlung internationaler Bands mit dem Plan zusammengetrommelt, den Metal zu zelebrieren. Ursprünglich als eine Open Air-Veranstaltung in Tongeren angesetzt, mussten die Veranstalter kurzfristig umdisponieren und eine Ersatz-Location suchen. Einmal mehr scheiterten sie an der kleingeistigen Einstellung maßgeblicher Einscheidungsträger, die mit Metal direkt Mord und Totschlag assoziieren. Letztendlich war der Wechsel in die Halle jedoch ein Glücksgriff, da das Wetter nur bedingt auf Seiten der Metal-Jünger gewesen ist.
Drei Tage Festival, drei Tage Metal, drei Tage voller Eindrücke - quasi von Freitagnachmittag bis Sonntagnacht, weit über die Geisterstunde hinaus. Da ist klar, dass man als Besucher und als Berichterstatter selektieren muss. Für mich stand eine Vorentscheidung aus privaten Gründen eh schon fest: Der Samstag fällt flach. Aber auch an den beiden anderen Tagen wollte mein persönliches Festival-Programm wohl bedacht sein und so wird der nachfolgende Bericht auch lediglich einen unvollständigen Abriss dessen darstellen, was der Fan an jenem Wochenende in Belgien zu sehen bekam.
 Als Opener waren für den Freitag Mental Circus geplant, die ich mir gern angesehen hätte, aber deren Auftritt wurde kurzfristig ein Opfer der Starattitüden von Rhapsody Of Fire, die meinten, die komplette Halle mit einem stundenlangen Soundcheck blockieren zu müssen und somit die gesamte Running Order in Gefahr brachten. Sorry, liebe Band, aber so etwas geht gar nicht bei einem Festival, egal, für wie toll Ihr Euch haltet oder wie toll Ihr seid. So aber war mein erster Live-Kontakt an diesem Tage der mit Ex Libris. Die Niederländer mit Frontfrau Dianne van Giersbergen hatte ich schon diverse Male sehen dürfen und auch hier überzeugten sie erneut mit ihrem leicht gothic angehauchten Melodic Metal. Die stimmlichen Qualitäten der ausgebildeten Sopranistin waren wie eh und je das Highlight der Band, die aber auch ansonsten spielerisch richtig punktete.
 Kurze und knappe Sets sind ja immer das Markenzeichen der früheren Stunden eines Festival-Tages und auch die Zeitfenster für Change Over lassen in der Regel wenig Muße aufkommen. So folgte Knall auf Fall eine Band nach der anderen - für den geneigten Besucher lediglich mit einer 180-Grad-Drehung des Körpers verbunden. Progressive Power Metal stand nun auf dem Plan und der wurde von Ethernity, einer bereits im Jahre 2000 gegründeten Formation, überzeugend zum Besten gegeben. Stimmlich auch wieder von einer jungen Dame in Szene gesetzt, konnte die Band dazu beitragen, dass mehr und mehr Volk in die Halle gelockt wurde. Trotzdem ereilte auch sie das Schicksal der angewandten Selektion bei Festivals: Die Besucher warten oft auf ihre persönlichen Highlights und ein Großteil treibt sich dann halt meist außer Reichweite der Bühne rum. Für eine kleinere Location habe ich mir allerdings bei dieser Band einen mentalen Marker gesetzt, denn das Dargebotene hat mir gut gefallen.
 Etwas anders ging es dann schon bei Voodoo Highway aus Italien ab. Die aktuelle Scheibe Showdown war ja schon landauf landab durch die Presse gegangen und hatte mehr als nur ein wenig Höflichkeitsapplaus erhalten. Dementsprechend dicht gedrängt stand das Publikum dann auch in den ersten Reihen vor der Bühne - und es wurde nicht enttäuscht. Frontmann Frederico Di Marco führte stimmgewaltig und auch optisch gut in Szene gesetzt durch das kompakte Set. Natürlich gab es neben ein paar Stücken von der ersten Scheibe auch welche aus dem aktuellen Programm und was schon auf der CD gut klang, das wurde auch auf der Bühne perfekt intoniert - ein erstes kleines Highlight für den Rezensenten!
 Vorgenannte schlappe Drehung des Körpers bezog sich natürlich nur auf den 'normalen' Festival-Besucher, denn der gemeine Angehörige der schreibenden (und knipsenden) Zunft durfte sich in der knapp bemessenen Pause erneut zum gegenüberliegenden Fotograben kämpfen und auf dem Weg dort hin bei Bedarf noch schnell eine rauchen und ein Bierchen zischen. Die Dänen von Fate lockten schon mit den ersten Tönen ihres Hard Rock, da waren die versammelten Metal-Heads noch im Geiste bei den letzten Klängen der Band davor. Aber die Pflicht rief und Fate waren ja lange nicht auf dem Parkett präsent gewesen. Erst ihre letzte Veröffentlichung hatte sie im Grunde wieder in die Erinnerung zurück gerufen und manch ein Besucher genoss den Auftritt sichtlich. Songs wie "Daddy's Girl", "Walk On Fire" oder "Children Of The Night" kamen zumindest sehr gut an.
 Mit Evil Masquerade blieben wir von der Provenienz der Band weiterhin in Skandinavien. Frontmann Apollo Papathanasio klingt zwar eher griechisch, aber das tat seinem Einsatz keinen Abbruch. Und auch in diesem Fall kann ich mich kaum noch erinnern, wann mir diese Truppe zuvor das letzte Mal über den Weg gelaufen war. Vielen anderen Besuchern muss es ähnlich gegangen sein, denn ein weiteres Mal wurde es hier wieder eng am Ort des Geschehens.
 Die französiche Band Nightmare und ich hatten schon mehrfach das Vergnügen in den vergangenen Jahren. Zuletzt konnte ich sie als mehr als überzeugenden Anheizer von Crimson Glory oder ganz unlängst im Vorprogramm von Circle II Circle genießen und auch der Auftritt in Hamont-Achel versprach mal wieder, richtig gut zu werden. Fronter Jo Amore sieht nicht nur ein wenig wie DIO aus, er hat auch Vergleichbares in der Stimme. Dazu versteht er es perfekt, die Zuschauer durch die Shows zu führen. Hard Rock Schrägstrich Metal steht auf der Fahne und das Volk ging ab wie Schmitz Katze. "The Preacher", "Gospel Of Judas" oder auch "Eternal Winter" gehören zu den richtigen Krachern, um ein Nightmare-Set standesgemäß zu starten. Ein solches mündet üblicherweise in einem Medley, dessen Basis Werke aus dem Schaffen unseres weiter oben genannten göttlichen kleinen, großen Mannes sind. Kernig und mit dennoch viel Gefühl vorgetragen führte das dazu, dass das Publikum nach mehr verlangte. Leider ist aber ein Festival selten für solche 'Extravaganzen' geeignet und so war der letzte Ton auch hier wirklich der letzte Ton.
 Double Headliner-Show? Man mag es fast so sehen, denn die beiden letzten Acts des ersten Tages stachen durchaus hervor aus dem Reigen der anderen Bands dieses Freitags - deren Qualität allerdings hierbei unbelassen. Und wie es sich für Headliner gehört, ließen diese auch ein wenig mehr Luft zum Durchatmen. Endlich war etwas Zeit für einen späten Imbiss vor der Halle bzw. im Pressebereich und auch der soziale Aspekt konnte nun ein wenig mehr gepflegt werden. Irgendwann aber ging das Licht aus und die Bühne war für Jorn und seine Band bereit. Vom (für mich) neuen Gitarristen Trond Holter hatte ich schon viel Gutes gehört und war somit sehr gespannt auf dessen Performance. Im Vergleich zu den zuvor aufgetretenen Bands hatte man dem Norweger natürlich weit mehr als eine Stunde Spielzeit zugestanden und so konnten das Publikum und der Schreiber die kräftig dröhnende Stimme des ehemaligen Masterplan-Sängers ausgiebigst genießen. Jorn'sches Posing gehörte ebenso dazu wie erstaunlich viel Platz für den neuen Mann an der Axt und das Set wurde gebührend abgefeiert. Als sympathisch empfunden und von den Fans dankbar angenommen wurde der ellenlange Ausflug Beider in den Fotograben, wo unzählige Fotos gemacht und sämtliche Autogrammwünsche erfüllt werden konnten.
Fabio, Fabio! schallte es anschließend durch den Saal, wollte man doch endlich mit Rhapsody Of Fire den Top Act des Abends sehen. Etwas divenhaft ließ man sich jedoch noch etwas Zeit - die Spannung muss ja ins Unermessliche gesteigert werden. Irgendwann rauschte dann endlich der Frontmann Fabio Lione mit seiner langen Goldlocken-Pracht auf die Bühne und die Mädels waren es zufrieden. Trotz des beeindruckend langen Sets und der zweifelsohne bestens vorgetragenen Songs haute es den einen oder anderen Besucher ob des langen Tages aus den Socken und nicht jeder bekam mehr das Ende der Show mit.
 Fast-forward bis Sonntagmittag: Für den ersten Act des Tages hatte ich mir Wizz Wizzard rausgesucht, die mich schon beim letzten Auftritt wenige Wochen zuvor mit ihrem Old School-Metal sehr beeindruckt hatten. Auch hier beim R-Mine Metalfest konnte ich nur begeistert registrieren, dass mein letztes Zusammentreffen mit den Flamen keine qualitative Eintagsfliege gewesen ist. Frontmann Wizz geht stramm auf die Sechzig zu und schafft es immer noch mühelos, auch die hohen Töne auf den Punkt zu treffen. Klar, dass es so einige Stücke von der letzten Scheibe "Tears From The Moon" zu hören gab - und das wollte das Publikum auch. Nicht wenige T-Shirts und Hoodies aus dem Fundus des Band-Merch konnte man in den Reihen der Metal-Fans entdecken und auch das bestätigte mich darin, dass Wizzard echt eine Bank sind, wenn es um guten, klassischen Hard Rock/Metal geht. Zieht euch die mal rein, das lohnt sich wirklich.
Hell City durften danach auf der gegenüberliegenden Bühne zum Gesang von Frontfrau Michelle Nivelle abrocken und mit dem Erfahrungsschatz von nunmehr so einigen Auftritten der Belgier darf ich behaupten, dass diese Combo immer besser wird und sie mit Fug und Recht für mehr und mehr Shows gebucht wird. Im Winter war sie selbst noch Gewinner der Vorausscheidungen für große Festivals dieses Sommes. Da muss jetzt unbedingt mal der Silberling "Demons To Rest" ins Haus, und auch hier in den Index.
 Lediglich einen kurzen Sprung über den Kanal von Londons Malocher-East End nach Belgien hatten die Jungs von Monument zu machen, um die NWoBHM zu revitalisieren. Maiden, Priest oder Saxon? Oder alle drei auf einmal? Egal, was die fünf Jungs hier mit unglaublicher Spielfreude an den Mann brachten, war melodisch-hämmernder Metal erster Sahne. Nicht sonderlich innovativ (Bassmann Scott posierte manchmal selbst wie ein gewisser Mr. Harris), aber von höchstem Unterhaltungswert - und das Volk liebte es! Peter Ellis am Mikro ließ keine Pause zu und verstand es, mit einer erstaunlichen Bandbreite die Bude auf höchster Stufe zu kochen. Kein Wunde, dass sich die Briten einer erstaunlichen Anhängerschar erfreuen können.
 Von einer Arbeiterecke in die nächste: Gelsenkirchen ist wohl die Heimat der Jungs von Attic, die mit Schminke im Gesicht und mächtig viel Mercyful Fate-Assoziation im Koffer ihre okkulte Show auf belgischem Boden zelebrierten. Das kam auch ziemlich gut an und ich persönlich bin ja immer wieder schwerst beeindruckt, wenn ein Sänger ohne spürbaren Übergang mal eben schnell vier Oktaven höher springt - gewollt natürlich. Insgesamt eine gute Vorstellung, die natürlich in einer abgedunkelten Halle ihren gewollten Effekt nicht verfehlte.
 Jetzt war richtiges Abrocken angesagt: Die Antwerpener Lokalmatadore von FireForce, geboren, den Metal zu spielen, standen auf der Liste für ein kerniges Heimspiel. Mittlerweile weit über die Grenzen des Königreichs hinaus bekannt, konnten sie sich an dem Gedränge vor der Bühne erfreuen und wie so oft flippte der harte Kern des Publikums bei der Show von Flype, Erwin, Geert, Christophe und dem neuen Gitarristen Yves vollkommen aus. Die Band hat gerade bei R.D. Liapakis in dessen süddeutschem Studio ihre neuste Scheibe aufgenommen und dieser Silberling wird von den Fans schon sehnsüchtig erwartet. Hier beim Festival knallte sie Stücke wie "Coastal Battery", "Fly Arrow Fly" oder eben ihre Hymne "Born To Play Metal" in die Halle und wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann war FireForce die einzige Band, außer den Headlinern, der eine Zugabe gewährt wurde - verdientermaßen!
 Nach dem verdienten Applaus für FireForce holte ich mir die verdiente Pause und so hatte ich erst wieder die Engländer von Savage auf meinem persönlichen Plan. Mit den Gründungsmitgliedern Chris Bradley und Andy Dawson standen hier zwei NWoBHM-Legenden auf den Brettern, unterstützt von Bradleys Sohn Kris an der zweiten Sechssaitigen sowie Mark Nelson hinter dem Schlagzeug. Für mich immer wieder ein Erlebnis, diese Metallica-Inspiratoren live zu erleben. Gleichwohl brauchte das Publikum an diesem Abend etwas mehr Anlaufzeit und erst der zweite Teil des Sets ging dann mit entsprechender Begeisterung aus den Reihen der Zuschauer ab. Bei den Krachern "On The Rocks" oder "Ain't No Fit Place" war letztendlich alles warm und die Aufforderung "Let It Loose" musste nicht zweimal in die Reihen geballert werden.
 Auch die nächste Legende ließ nicht lange auf sich warten, denn nach einer weiteren Unterbrechung für mich erklommen Mick Tucker, Cliff Evans, Chris Dale und Steve Hopgood die Bühne. Eingeweihte wissen längst, dass sich dahinter der Bandname Tank verbirgt. Regulär steht mit diesem Quartett zur Vervollständigung ja eigentlich Doogie White am Mikro, aber der ist bekanntermaßen mit Schenkers Michael mehr als beschäftigt. So freute ich mich trotzdem sehr, an diesem Abend mit ZP Theart einen tollen Ersatz sehen zu können. Der Südafrikaner ist u. a. von Dragonforce bekannt, singt aktuell auch bei seiner neuen Band I Am I und macht derzeit die Live-Auftritte von Tank mit. Hier beim R-Mine Metalfest wusste er nicht nur durch seine absolut beeindruckende lange schwarze Matte zu überzeugen, er legte besonders stimmlich richtig was vor und konnte die guten alten Nummern wie "Judgement Day", "Echoes Of A Distant Battle" oder "This Means War" kernig rüberbringen. Was mir jedoch besonders gut gefiel, war die Art und Weise in der er mit dem Publikum interagierte, da war Kommunikation angesagt (was so manch ein Sänger oft vermissen lässt). Mit Spaß in den Backen beim Verspritzen von Wasser oder dem 'Ausleihen' einer Fernsehkamera und immer ein wenig Fuck-you-Attitüde machte er den Auftritt wirklich sehenswert. Für meinen Geschmack fiel es nicht auf, dass Theart nicht zur Stammbesetzung gehört, die Band hinterließ im Gegenteil sogar den Eindruck einer richtigen, zusammengehörigen Gemeinschaft.
 Zum großen Finale läuteten dann die Mannen aus der Hölle ein: Hell sollten die komplette "Church Of Hell" zelebrieren und in Erwartung der feurigen Ereignisse drängte es sich mehr als zuvor im Pressegraben. Überall die Warnhinweise wegen der Feuer- und Funkenaktionen und war man ansonsten sehr großzügig, was das Fotografieren während der anderen Shows anbelangte, so wurden wir hier auf die üblichen ersten drei Songs limitiert. Bei der Hitze, die die Flammenwerfer produzierten, war das auch durchaus kein großer Verlust, denn außerhalb der Absperrung konnte fleißig weiter geknipst werden. Frontmann David Bower führte in seiner ihm eigenen, schauspielerisch äußerst fundierten Art durch das Programm. Theatralische Mimik und Gestik sind sein Ding und wenn es etwas zu Verkleiden gibt, dann ist er bekanntermaßen auch immer dabei. Alle Register der Hell'schen 'Kirchenkampagne' wurden gezogen: Es fehlten weder der Geißler, noch der Pfaffe, dem die Bibel in der Hand explodiert, noch der Plague Doctor oder der gehörnte Leibhaftige auf Stelzen - die Show war mal wieder perfekt in Szene gesetzt. Unterstützt wurde Bower wie üblich von seinem Bruder Kevin an der Gitarre sowie Andy Sneap an der zweiten Axt, Tim Bowler am Schlagzeug und dem Herrn über sämtliche Grimassen dieser Welt, Tony Speakman am Bass. Die Band arbeitet mit Hochdruck am neuen Album, das übrigens auch eine DVD von der Hell in Derby beinhalten soll und die Veröffentlich dieses Zweitwerks der Band, die ja schon vor über dreißig Jahren gegründet wurde, wird mit Spannung erwartet.
Einmal mehr möchte ich dem kompletten R-Mine-Team und allen freiwilligen Helfern für die freundliche Akkreditierung und für die mir entgegengebrachte Gastfreundschaft während dieses picke packe vollen Wochenendes danken. Hier war mal wieder Herz für Metal angesagt, vielleicht unterm Strich fast schon zu viel, denn so etwas ist kaum zu stemmen. Das nächste Mal - und ich hoffe sehr, dass es ein nächstes Mal geben wird - reichen vielleicht nur zwei Tage, um dem ehrlichen Metal zu frönen.
Bilder vom Event
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