Extramensch / Same
Extramensch Spielzeit: 51:51
Medium: CD (Doppel-EP)
Label: Delicious Releases, 2010
Stil: Neue Deutsche Härte

Review vom 16.09.2010


Andrea Groh
Wenn eine Band auf ihrer MySpace-Seite als Einflüsse folgende Persönlichkeiten angibt: Walter v.d. Vogelweide, J.W. Goethe, Schiller, Heidegger, Cornelius Agrippa v. Nettesheim, Wolfdietrich Schnurre, Ludwig Fels, Voest-Alpine... - dann finde ich das sehr interessant, da ich auch Einige(s) davon gelesen habe und es macht mich neugierig auf die Musik.
Extramensch nennen sie sich (haben wohl auch F. Nietzsche gelesen, der Begriff erinnert mich an dessen 'Übermensch') und verkünden uns:
»EXTRAMENSCH ist Rock, EXTRAMENSCH ist Theater, EXTRAMENSCH ist Jeder, ist Alles und Nichts. Denn Alles, was ist, ist Eins!«
Im Verhältnis zum literarischen Anspruch fällt die Musik dagegen ab, ist nicht so besonders, wie man es vielleicht erhoffen könnte: Eine Mischung aus Deutschrock, Neue Deutsche Härte, Metal, etwas Elektronik und Gothic Rock ist die Unterlage für die Philosophie bzw. der andere Teil des Gesamtkunstwerkes.
Hier liegt der Haken: Elemente von Bands wie z. B. Rammstein, Unheilig, Schiller, Umbra et Imago, Oomph, Wolfsheim, Witt oder auch Depeche Mode werden benutzt und neu zusammengemischt, was dann zwar einigermaßen abwechslungsreich ist und derzeit auch im Trend liegen dürfte, aber den geschürten Erwartungen nicht gerecht wird, denn etwas wirklich Neues wird nicht erschaffen. Da hilft es auch nicht, keine Namen, Fotos und Angaben zu machen, um metaphysischer zu wirken.
Denn hier sind keine Meister wie Goethes Erben oder Einstürzende Neubauten am Werk, immerhin ist das Ganze weniger platt (vor allem textlich) als z.B. Rammstein.
Dennoch sind, finde ich, gerade die Songs mit dem stärksten Anklang an die bekannten Berliner die schwächsten, denn wirklich originell ist das nicht. Insbesondere was die Gitarrenriffs angeht, wirkt mir das zu viel nach Standard und nicht nach dem versprochenen Außergewöhnlichen.
Wenn die Musik eher etwas lässig oder ruhig erscheint, gefällt sie mir besser als die aggressiveren Momente, gleichzeitig bevorzuge ich den Klargesang.
Nicht dass die Extramensch-Scheibe schlecht wäre, sie gehört schon zu den besseren Veröffentlichungen im Bereich deutschsprachiger harter Musik und dürfte sicher mit entsprechender Bewerbung und Bekanntheit unter den Anhängern dieser Sparte auf Gegenliebe und Begeisterung stoßen.
Als Anspieltipp gebe ich mal den namensgebenden Opener "Extramensch" (das könnte sich glatt zu einem Hit entwickeln aufgrund seiner Ohrwurmqualitäten) oder den Abschlusstrack "This Life (Das Mädchen aus der Fremde)", mit weiblichem Gesang als Gegenpart. Wer nun meint, die Melodie oder den Titel irgendwie bereits zu kennen, hat Recht: Es handelt sich um eine Bearbeitung von Carmen Rizzos Song und die Stimme gehört Kate Havnevik.
Ich könnte glatt schreiben (und tue es auch), dass Anfang und Ende der CD am besten sind, sie dagegen im Mittelteil etwas nachlässt, oder in anderen Worten: Die Stärke liegt im Alpha und Omega.
Insgesamt gesehen habe ich mir mehr davon versprochen, Ungewöhnlicheres, Metaphysischeres, wobei mein Anspruch in diesem Punkt recht hoch sein mag.
Extramensch sind doch (bisher) nur Menschen, näher am 'Jedermann' als an Nietzsches 'Übermensch'. Leider haben wir hier noch keine Philosophie-Professoren, keine Doktorarbeit, die etwas völlig neu betrachtet, eher Schüler (Gymnasium teilweise, manchmal auch Realschule), die einiges Gelerntes clever neu kombinieren, dennoch letztendlich Bekanntes wiedergeben. Das lässt sich doch noch steigern ... reden wir beim nächsten Mal drüber - oder war dies ein einmaliges Projekt?
Das fände ich schade, denn - wie gesagt - Potential ist vorhanden und wer mit niedrigeren Erwartungen rangeht, wird vielleicht sogar recht angetan sein. Fans der oben genannten Sparten und Bands sollten ruhig mal ein Ohr oder zwei riskieren.
Line-up:
Extramensch (vox)
Extramensch (dr)
Extramensch (b)
Extramensch (guit)
Extramensch (guit, v)
Tracklist
01:Extramensch (4:46)
02:Das Lied des Bettlers (3:34)
03:Kleine Liebesballade (4:38)
04:Epistel 21 (4:05)
05:Leidenschaft (3:43)
06:Epistel 23 (4:29)
07:Licht (4:04)
08:Gospel (4:55)
09:Liebe Mutter (4:16)
10:Das Lied des Idioten (4:25)
11:Bitter / Süß (4:48)
12:This Life [Das Mädchen aus der Fremde] (4:08)
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