Eyevory / The True Bequest
The True Bequest Spielzeit: 35:29
Medium: EP
Label: Eigenproduktion, 2012
Stil: Prog Rock

Review vom 01.09.2012


Boris Theobald
Eyevory - der wortverspielte Name ist neu, die Aufbruchstimmung, die die Band unter neuem Namen verbreitet, vielleicht auch ... aber dahinter steckt ein eingespieltes Team. Jahre lang firmierten die Bremer unter dem Namen pinK mercury. Der neue, spannend anmutende Fantasiename drückt die im Lauf der Zeit eingeschlagene progressivere Ausrichtung der Band aus. Außerdem ist die Gruppe um den Keyboarder geschrumpft - die Tastenjobs wurden innerhalb der Band umverteilt. Ganz ohne Keyboards würde es kaum funktionieren - denn die gehören oft zu Prog und meist zu Pop. Und Eyevory machen laut eigenem Bekunden 'Prog Pop'.
Dem lässt sich auch kaum widersprechen. Die Songs haben eine sehr melodische Seite mit eingängigen und lyrischen Melodien. "Blind Understanding" ist dafür ein gutes Beispiel. Da ist der Chorus butterweich und rockig zugleich. Und das Kitt, das Refrain und Strophe zusammenhält, das klingt nach Prog Rock. Es ist heavy, es ist rhythmisch angespitzt, und Kaja Fischers Querflöte, ein Markenzeichen der Band, glättet das Ganze zur gleichen Zeit mit diesem typischen, zart-melodiösen Klang. Es schwingt da gerade bei diesem Instrument auch immer ein Stück (zeitloser) Uralt-Prog mit.
Nun zählt "Blind Understanding" zusammen mit drei anderen Songs zu neu aufgelegten, soundtechnisch aufgemotzten Songs aus pinK mercury-Tagen. In diese Kategorie fällt noch die Powerballade "Divided" und der knapp zehnminütige Longtrack "The Tower", der mit schön komplex verschachteltem Instrumentalbreak daherkommt - proggig-vertrackt, dann ein 'Rückzug' in lyrische Sphären, bevor es zur Reprise der Songidee kommt. Gut, da werden keine (Prog-)Welt bewegenden Dinge erschaffen - es ist vielmehr grundsolide und eingängig.
Und der letzte 'Oldie'-Song aus früheren Bandtagen (naja, 2010 eben ...) ist "Mi Corazón". Oh weh, da schrillen die Kitsch-Glocken - aber so schlimm ist es gar nicht, überhaupt nicht! Es groovt ein cooler Groove, es singen die Stimmen beider Sängerinnen, eine mitreißende Melodie (mit spanischem Text) und rockigem Unterbau, und der Song erweist sich als richtig komplexes Kleinod progressiver Songkunst. Der knappe Instrumentalpart ist sehr dynamisch, bisweilen gar 'fetzig', und spielt sich trotz aller Kürze auf mehreren instrumentalen Ebenen ab - klasse Teil.
Die Songs aus der neuen Session von 2011 zeigen die Band nochmal ein Stück weit 'gereift'. Beispielsweise ist die Querflöte präsenter und die progressiven Elemente sind weniger Teil eines Flickenteppiches, sondern kommen in Form von kleinen überleitenden und verzierenden Parallelläufen 'selbstverständlicher' in den Songs vor. Bestes Beispiel ist der Opener "Addicted To Affection", der trotzdem kein bisschen seiner straighten Direktheit einbüßt und somit unterm Strich als - sagen wir - 'progressiv veredelter', hochmelodischer Power Pop-Ohrwurm durchgeht.
"On My Way To Bliss" kommt noch mit etwas mehr Tiefgang daher. Nach ruhigem Start entwickelt sich Stück für Stück eine kraftvolle Atmosphäre. Auch hier bietet der Chorus bezaubernd Melodisches, wobei am Ende keine harmonische Weichspülerei steht, sondern eine interessante Spannung aufgebaut wird. Das passt - so driften die sangbaren Melodien nicht ins Belanglose ab. Von dezenter Dramatik nun zu einem ungeheuer positiven, aufbauenden Stück: "Black Bird" mit einem Energie versprühenden Vorwärtstrieb, der dank 80er-Keyboardunterstützung ein wenig an Prog Rock à la Saga erinnert. Das passt übrigens - für die Kanadier haben Eyevory schon als Support gespielt.
Ist es jetzt 'Prog Rock light' oder ist es doch eher 'Pop Deluxe', was die Band spielt ... jedenfalls haben Eyevory die Welt nicht neu erfunden. Aber sie haben einen attraktiven Stile-Mix für sich erschlossen, mit dem sie einerseits für ein großes Publikum 'buchbar' bleiben, aber dabei andererseits handwerklich auffallen. Wenn nun die Eyevory-Fee vorbeifliegt und ich drei Wünsche habe, dann sage ich: Erstens, ich hätte gern ein paar mehr Überraschungseffekte im Songwriting. Zweitens wünsche ich mir, dass der Gesang ein wenig variabler, mit größerer emotionaler Bandbreite und gern mit ein paar Ecken und Kanten rüberkommt. Und drittens, dass wir auf jeden Fall noch viel von Eyevory hören werden. Dieses Jahr soll ja noch das komplette Album folgen.
Line-up:
Jana Frank (vocals, bass)
David Merz (guitars, keyboards, programming)
Kaja Fischer (vocals, flute)
Sascha Barasa Suso (drums, electronic percussion)

With:
Jannes Waterstrat (keyboards - #4-7)
Tracklist
01:Addiction To Affection (3:30)
02:On My Way To Bliss (3:30)
03:Black Bird (5:22)
04:Blind Understanding (4:08)
05:Divided (4:39)
06:Mi Corazón (4:39)
07:The Tower (9:37)

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