The Folk Survival Club / I Believe In Rock & Roll
I Believe In Rock & Roll Spielzeit: 48:36
Medium: CD
Label: CRS, 2011
Stil: Country Folk

Review vom 10.02.2012


Norbert Neugebauer
Folk aus Holland, nicht gerade alltäglich. Amerikanischer Folk, authentisch und überzeugend, selbst geschrieben und interpretiert, made in The Netherlands - das ist mehr als außergewöhnlich. Dazu The Folk Survival Club als Name des betreffenden Ensembles, der Fan entsprechender Musik staunt - mit leichtem Stirnrunzeln.
Aber messen wir Ad van Meurs (Gitarren), Marjan Cornille (Gesang, Gitarre) und Ankie Keultjes (Gesang) an dem, was sie auf ihrem zweiten Longplayer "I Believe In Rock & Roll" zu bieten haben. Aufgenommen wurde er in Nashville, im (zwischenzeitlich abgebrannten und wiederaufgebauten) Studio des hochgeschätzten Cowboy Jack Clement. Mit von der Partie waren neben den festen Sidemen Theo Wijdeven (Bass, Kontrabass) und Eric van der Lest (Schlagzeug) noch Gitarrist Gene Williams, Violinistin Carrie Rodriguez und Mandolinist/Violinist Glen Duncan, alles Hochkaräter der Americana-Szene. Als Ergänzung wurde dann eine Pedal Steel von Johan Jansen dazugespielt.
Elf federleichte Songs mit sanftem Duett-Gesang, umsponnen von einem luftigen Akustik-Mantel, traditionell, feinfühlig, bis sentimental - aber keine Spur von 'Rock & Roll'! Die beiden Meisjes interpretieren die Songs von Partner Ad van Meurs und ein paar bekannte Titel im Stil bekannter Kolleg/Innen, die auch auf ihrer Homepage zitiert werden: Die McGarrigle-Schwestern,
Emmylou Harris samt Busenfreundinnen, die Carter-Family (aus deren Repertoire "Wildwood Flower" stammt), Peter, Paul & Mary (als Vertreter der 60er-Jahre-Folkies, die Liste ließe sich beliebig erweitern). Aber ich würde auch durchaus die englische Tradition mit einbeziehen: den Waterson-Carthy-Clan oder Shirley Collins & Co. zum Beispiel. Jedenfalls drehen sie die Zeit ein paar Jahrzehnte zurück, das hier hat mit 'New Folk' oder ähnlich modernem Kram nichts zu tun. Es wird tief aus der Old Time Music geschöpft und das mit Inbrunst und Überzeugung.
"The List" ist ein Opener nach Maß, man glaubt irgendwo in einem heimeligen Farmwohnzimmer in den Appalachen zu sitzen und der Stubenmusi der Familie mit ihren Töchtern zu lauschen. Draußen wird's langsam dunkel, mit "Bright Light" singen die beiden Mädels die Kleinen in den Schlaf. Dann wird zu "Loving Heart" zum ersten Mal das Tanzbein geschwungen. Weil inzwischen auch die Alten auf der Ofenbank eingeduselt sind, darf das schamhafte Bekenntnis "I Believe in Rock&Roll" den feucht-keuschen Lippen entfleuchen. Und dann zeigen die Dirndln den eingeladenen Burschen in ihren karierten Flanellhemden den "Own Way" zu ihren Herzen. Mit allem Anstand, versteht sich.
Aber auch in der Welt hinter den Bergen gibt es Sorgen und Nöte, "St. Catharines" heißt die traurige Weltschmerzballade dazu. Zum Trost stimmen die Cowgirls "Wildwood Flower" an, das dort oben schon jedes Kind mit der Muttermilch eingetrichtert bekommt. Und gleich wird es wieder munterer, bei "Homeless Heart" dürfen die Kerle mit ihren abgelatschten Stiefelhacken den Takt klopfen. "I Guess Things Happen That Way" - jetzt geht aber die Post ab und Master van Meurs fährt, anzüglich grinsend, mit einem abgebrochenen Flaschenhals über die Saiten. Eigentlich wär das ein schöner Song, ein fröhliches 'Howdy' zu sagen und sich mit dem Pickup aus dem Staub zu machen…
Aber nein, Chance verpasst, es kommt, wie es kommen muss: Die Mädels drücken auf die Tränendrüsen und schmachten von ihrem "Countryboy", für den sie sich aufsparen wollen. Klar, ein 'Vaterländisches' hintendran: "Motherland", ja, emanzipiert tun sie auch noch, die Weiber. "Missing The Missing You" - o.k., danke für das warme Bier, ihr wisst ja, der Weg ist weit…
The Folk Survival Club und diese bis zum Kitsch ausgereizte Hinterwäldler-Folklore - ich weiß nicht, ob das wirklich alles so ernst gemeint ist. Ein Urteil dazu würde ich mir wohl erst erlauben, wenn ich die Truppe mal live erlebt hätte. Ohne Zweifel haben die beiden Damen wunderbare Stimmen, die sich auch gut ergänzen. Meneer van Meurs schreibt eingängige Songs, spielt klasse Gitarre, das Ganze wird auch noch schön von den honorigen Begleitern ausgeschmückt und von mevrouw Keultjes als Produzentin so original in Szene gesetzt, originaler geht es eigentlich gar nicht. Aber das ist mir dann doch alles zu heimelig, zu unschuldig, zu wunderbar, zu süß. Auch mit gedachtem Augenzwinkern. Freunde traditioneller amerikanischer Folkmusik, die die eingangs genannten Protagonisten mögen, sollten beim holländischen Folk Survival Club ein Probe-Abo buchen und sich selbst ein Hör-Bild davon machen.
Tracklist
01:The List
02:Bright Light
03:Loving Heart
04:I Believe In Rock & Roll
05:My Own Way
06:St. Catharines
07:Homeless Heart
08:I Guess Things Happen That Way
09:Country Boy
10:Motherland
11:Missing The Missing You
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