Henrik Freischlader / Live 2014
Live 2014 Spielzeit: 66:21
Medium: CD
Label: Cable Car Records, 2015
Stil: Blues Rock

Review vom 30.03.2015


Mike Kempf
Henrik Freischlader , inklusive DVD, zum Elften. "Live 2014" heißt das neueste Werk vom Wuppertaler Ausnahme-Blueser, weist zehn Songs in mehr als einer Stunde auf und klingt allein schon durch die Live-Aufnahmen interessant. Diese wurden, trotz des Zusatzhinweises
Night Train To Budapest-Farewell Tour, nicht in Ungarn, sondern vorrangig in Deutschland, den Niederlanden, in Belgien und in der Schweiz eingespielt.
Bereits die Tatsache, dass an den Fellen einer meiner absoluten Top-Drummer, Dirk Sengotta, den Takt vorgibt, begründet fast allein schon meine Kaufempfehlung. Nichts gegen seine Vorgänger, unter anderem Björn Krüger und Hardy Fischötter, doch an Sengotta führte und führt kein Weg vorbei. Zufall oder nicht: Einst begann Freischlader seine erfolgreiche Karriere mit dem 1a-Schlagzeuger, der in den ersten Konzerten der Band seine Soli zum Teil mit Klobürsten zelebrierte und schon damals sein außergewöhnliches Können unter Beweis stellte. Da die Blues Rock-Freunde längst vernommen haben, dass sich der Edelgitarrist vorerst von all den Bühnen, die er einst so erfolgreich erklomm, verabschiedet hat, schließt sich mit Sengotta der Kreis. Zur perfekten Inszenierung fehlte nur noch sein anfänglicher Bassist Schmellenkamp, der - rein vom künstlerischen Standpunkt betrachtet - ebenfalls zu den besseren 'Dicke-Saiten-Zupfern' des Planeten zählt und auch nur schwer zu ersetzen war. Hierbei möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich mich für dieses Zwischenfazit nur an eigenen, unzähligen Live-Auftritten der Henrik Freischlader Band orientiere.
Mit "A Better Man", neben "Everything Is Gone" und "Gimme All You Got" einer von drei Titeln, die es auch auf der "Night Train To Budapest"-Platte zu hören gibt, wird der Silberling eröffnet. Ich muss mich nicht als weisen Propheten darstellen, um auf sein großartiges Können als Sänger und Gitarrist hinzuweisen. Dieses war, ist und wird vermutlich auch künftig exzellent bleiben. So werden auch mit diesem Werk meine seit fast einem Jahrzehnt gewonnenen Eindrücke abermals bestätigt: Das Fundament der Henrik Freischlader Band besteht hauptsächlich aus den Zutaten des Protagonisten selbst.
Mit "Disappointed Woman" offeriert er nicht nur einen Klassiker, sondern auch einen meiner liebsten Songs, der jemals aus der Feder von Freischlader entstanden ist. Gerade bei diesem Teil zelebriert er eine derart gefühlvolle Jamsession, die ich nur mit Bestnoten versehen kann. Zudem hat er mit "She Ain't Got The Blues" ein weiteres Lied von seinem Erstwerk mit ins Live-Programm aufgenommen, das ich ebenfalls zu seinen besseren Songs zähle. Leider hat es sich nach diesem 'Oldie' so ziemlich ausgerockt. Zwar werden die beiden Schlussakte "Guitar Intro" und "Desert Woman" mit der von ihm gewohnten bestechenden Qualität offeriert, doch nimmt man für meinen Geschmack zu abrupt das Tempo raus. Vor allem "Desert Woman" ist mir mit über elf Minuten - inklusive Abschiedsrede - etwas zu lang ausgefallen und ich hätte mir stattdessen lieber noch eine Hendrix-Nummer gewünscht, wie er es einst - vor allem in seinen Anfängen - bis zum Exzess zelebrierte, und dafür zum Ende seiner Konzerte die Blues Rock-Fans mit spektakulären bleibenden Eindrücken zurückließ. Trotzdem: Die Gitarrenläufe, die der Gitarrenchamp hier in die Waagschale wirft, sind natürlich erstklassig, klingen aber derart melancholisch, dass der Zuhörer meinen könnte, es seien die unwiderruflich letzten Töne aus Freischladers Händen erklungen.
Soweit möchte ich nicht gehen und schon gar nicht irgendeinen Gedanken daran verschwenden. Für mich ist es fast undenkbar, dass man den 32-Jährigen nun nicht mehr 'live on stage' erleben soll. Doch zu meiner eigenen Beruhigung gab es nie ein solches Statement von Freischlader selbst. Stattdessen ist die Rede davon, dass sich der Ruhrpottler nach einem zehnjährigen Tourleben einfach eine Pause gönnen will/muss. Für Freischlader selbst und sein unglaubliches Können sehe ich künftig eigentlich nur eine Herausforderung: Wie kann er sich in einer Superband darstellen, wenn er mit so großartigen Rockgrößen musizieren würde, wie es einst sein Freund Joe Bonamassa mit BCC praktizierte?
Fazit: "Live 2014" ist für den Freischlader-Hardcore-Fan Pflichtprogramm. Auch für alle anderen Blues-Freunde klingt das Album sicherlich interessant und nicht nur Kenner der Szene werden Freischladers herausragende musikalische Fähigkeiten heraushören. Allerdings muss ich den Liebhaber des klasssischen Blues Rock der Marke Hendrix, Gallagher oder Stevie Ray Vaughan ein vorheriges Reinhören verordnen, denn "Live 2014" ist eben kein reines Old School-Blues Rock-Album, das an die legendäre Woodstock-Ära erinnert. Deshalb ist "Live 2014" zwar ein gutes Album, kommt aber meiner Meinung nach nicht ganz an das Live-Triple aus 2008 und der 2012er DVD-Produktion heran.
Line-up:
Henrik Freischlader (vocals, guitars)
Theofilos Fotiadis (bass)
Moritz Fuhrhop (keyboard)
Dirk Sengotta (drums)
Tracklist
01:A Better Man (6:08)
02:Too Cool For Me (8:46)
03:Disappointed Woman (9:23)
04:Shine A Light (8:07)
05:Keep Playin' (5:59)
06:Everything Is Gone (4:19)
07:Point Of View (5:50)
08:She Ain't Got The Blues (6:28)
09:Guitar Intro (4:19)
10:Desert Love (11:21)
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