David Gogo - 14.01.2011, Quasimodo, Berlin
Quasimodo
David Gogo
Quasimodo, Berlin
14. Januar 2011
Stil: Blues Rock
Fotos: Holger Ott


Artikel vom 21.01.2011


Mike Kempf              Holger Ott
David GogoEndlich, diverse Pfunde, die sich während der Adventszeit als schützenden Airbag über meinen erweiterten Bauch legten, gilt es nun wieder loszuwerden. Neben sportlichen Aktivitäten helfen bei mir Konzertbesuche, bei denen ich in der Regel einige Kalorien verbrenne. Da David Gogo sich die Ehre gibt, im Berliner Quasimodo den hauptstädtischen Blues Rock-Fans einen Gig zu präsentieren, heißt es für mich: Kameraakku vollpumpen, Notizblock bügeln und etwas 'Geriebenes' für die Bezahlung meiner Zeche oder für den Erwerb diverser Tonträger des zweimaligen Gewinners von Maple Blues 'Guitarist of the Year' Awards, einzupacken. Das ich mich mit dem Radio- und TV-Macher Viktor Büttner und unserem Gastschreiber Holger Ott weit vorm Beginn der Veranstaltung treffe, um den Kanadier einige Fragen zu stellen, steigert meine Vorfreude enorm. Außerdem liest sich sein Steckbrief, in dem solch Granaten wie Little Feat, Johnny Winter, Buddy Guy, B.B. King oder
George Thorogood, aufgelistet sind, nicht gerade schlecht. Allerbeste Voraussetzungen, um ein tolles Konzert geboten zu bekommen.
David Gogo19.00 Uhr im Backstage: David empfängt uns ein wenig abgeschlafft, dennoch gut gelaunt. Während Holger und ich uns am Aufbau der Kamera betätigen, erzählt Gogo, dass es beim gestrigen Gig in Warschau ziemlich trocken war und die Band reichlich trinken musste. Seiner Gesichtsfarbe nach zu urteilen, bestand die Getränkeauswahl sicherlich nicht nur aus Fruchtsäften. '60 Minuten in Berlin'-Moderator Viktor offeriert David im fließendem Englisch einige gezielte Fragen über den kanadischen Blues. Seine Auflistung der nordamerikanischen Blueser erschient mir ellenlang und finde es interessant, als er seine Landsleute, The Perpetrators, mit aufzählt, die ich bereits 2006 in Hamburg als Support von Walter Trout erlebte und die bis zu diesem Zeitpunkt kaum einer kannte. Zum Abschluss des Interviews, dass demnächst auf Berlins Regionalsender Alex ausgestrahlt wird, werden einige Erinnerungsbilder geschossen, signierte CDs überreicht und endet schließlich, obwohl Viktor die Frage schon eintausend Mal von mir gehört hat und leicht die Augen verdreht, wenn es darum geht, dem Künstler eine Abschlussfrage zu stellen: Wie er AC/DC findet. Sorry Viktor, ich kann's einfach nicht lassen.
David GogoBis zum Konzertbeginn (ca. 22.30 Uhr) heißt es nun, sinnvoll die Zeit zu überbrücken. Da passt es hervorragend, dass ich Moritz von Gordeon-Music kennenlerne und wir uns ausgiebig beschnuppern. Dabei wird in einer Vierrunde aus Holger, Viktor, Moritz und mir, reichlich über Musik gefachsimpelt und ich registriere Moritzs lobende Worte über unser Magazin: »Mit Rocktimes bin ich sehr zufrieden. Die Rezis folgen immer pünktlich, sind sehr umfangreich und informativ!«, sehr wohlwollend! Nach zwei köstlichen Pilsetten nehmen wir unsere Plätze direkt vor der Bühne ein und ich bespreche mich mit Holger bzgl. der Arbeitsaufteilung. Wir sind uns schnell einig und er fängt während des Konzerts zahlreiches Bildmaterial ein. Als die Armbanduhr meines Nachbarn 22.35 Uhr anzeigt, betritt David die Bühnen-Holzplanken des Clubs. Und anders als sonst üblich, indem ich regelmäßig über mein Erlebtes berichte, biete ich unserem Gastschreiber Holger an, sich an einem Konzertbericht für RockTimes zu versuchen.
Holger: Heut Abend fand für mich, wie sich später herausstellte, die Begegnung der dritten Art in Sachen Blues statt. Wie bereits Mike erwähnte, kam der in Deutschland relativ unbekannte Bluesrocker David Gogo im Rahmen der Präsentation seiner aktuellen CD Different Views ins Quasimodo. Bis dato war Gogo für mich ein unbeschriebenes Blatt, doch nach eingehenden Recherchen stellte ich fest, dass der Mann eine sehr interessante Karriere aufzuweisen hat (siehe oben), was mich auf ihn und sein Konzert ungemein neugierig machte. Da in meinen Adern auch ein großer Teil Blues fließt, wollte ich unbedingt erleben, was er und seine Begleitmusiker zu bieten haben.
David GogoDavid, mittlerweile Anfang 40, hat in den vergangenen Jahren an unzähligen Festivals teilgenommen und hat dabei mit zahlreichen, renommierten Bluesgitarristen auf der Bühne gestanden. Dass er ebenfalls zu den Großen des Blues zählt, beweist die Tatsache, dass der eine oder andere Medienpreis seine heimische Vitrine ziert. Ein wirklich extrem sympathischer Zeitgenosse, der den Kontakt zum Publikum in keiner Weise scheut, was sich während und nach dem Auftritt noch zeigen sollte. Auf Grund seines geringen Bekanntheitsgrades in Deutschland ist das Konzert leider auch nur mäßig besucht, was aber einen angenehmen und gemütlichen Charakter ausstrahlt. Im feinen Zwirn, Nadelstreifenanzug mit rotem Hemd und Lackschuhen, sowie in Begleitung zweier Gastmusiker, also in der typischen Bluesbesetzung, legt Gogo mit halbstündiger Verspätung los. Sei es ihm gegönnt, wenn man bedenkt dass er erst am Nachmittag aus dem weit entfernten Warschau per Auto angereist ist. Schon bei den ersten Berührungen mit den Gitarrensaiten ist zu erkennen, was der Mann auf dem Kasten hat und seine Begleiter ziehen auf die gleiche Art und Weise mit ihm mit. Alle drei steigern sich Stück für Stück in einen wahren Spielrausch hinein und als sich nach zirka dreißig Minuten aus den Schweißperlen auf Davids Stirn erst kleine Bäche, später dann reißende Ströme gebildet haben, geht bei ihm so richtig die Post ab. Meine Herren ist der Mann gut, bearbeitet seine vier Gitarren wie lange nicht mehr bei einem Musiker gesehen, und versprüht eine unglaubliche Ausstrahlung in den Besucherreihen. Aber da zeigt sich leider wieder die Zurückhaltung des deutschen Publikums. Es kommt irgendwie keine rechte Stimmung auf. Sicher ist der verdiente Applaus nach jedem Stück da, aber es fehlt die von Herzen kommende Begeisterung im Saal. Vielleicht liegt es daran, dass jeder einen Sitzplatz hat. Die Zuschauer sitzen jedenfalls auf ihren Plätzen wie angenagelt und zeigen nicht die geringsten Ansätze mal ihre Körper im mitreißenden Rhythmus zu bewegen. Gogo lässt sich aber davon nicht beirren, im Gegenteil, runter von der Bühne und mitten hinein zwischen die Leute, ihnen die Soli direkt vor die Augen spielen, heißt seine Devise. Endlich kommt ein Hauch von Stimmung in die Menge, die so etwas wohl nicht gewohnt ist.
David GogoDavid ist aber nicht der einzige auf der Bühne, der eine gute Show abliefert. Drummer Ronald Oor prügelt sich die Seele aus dem Leib und spielt Schlagkombinationen, die im Blues völlig ungewöhnlich sind. Auch kann ich ihn bei einer Doublebass-Einlage gut beobachten. Mit extrem verzerrtem Gesichtsausdruck ist bei ihm völlige Hingabe zu beobachten und sein herausragendes, druckvolles, gleichzeitig aber auch sehr filigranes Spiel, treibt David Gogo nur noch zu mehr Leistung an. Teilweise müssen sich die Musiker gegenseitig zwingen ihre Stücke zu beenden. So auch Bassist Jasper Mortier, der sehr oft wie ein Panther mit schleichendem Gang über die Bühne streift, dabei mit starren Blick sein Opfer fixiert, welches in diesem Fall das Publikum ist. Sein alter Fender-Bass wird dabei präzise gezupft und hält die Band ständig auf Trab. Gogo spielt sich derweilen durch das Who is who der Blueshelden und coverte einige Stücke der guten alten Zeit, zum Beispiel von B.B. King. Natürlich dürfen Songs der aktuellen CD "Different Views" nicht fehlen, und in Kombination mit älteren Werken seiner vorangegangenen neun Alben, liefert David ein ausgeglichenes Programm ab, das gut eindreiviertel Stunden läuft und mit Zugaben gekrönt wird. Im Anschluss des, für mich sehr gelungenen Abend, steht David dem Publikum für Fragen, Fotos und Autogramme zur Verfügung und zeigt sich auch hier für jedermann offen. Wie wir erfahren können, wird er im Frühjahr bereits an seiner nächsten CD arbeiten, die spätestens im Sommer erscheinen wird und damit im Rahmen der darauf folgenden Tour wieder in Berlin zu Gast sein.
David GogoZum Schluss melde ich mich nochmal zu Wort: Im Prinzip sind meine und Holgers Eindrücke bzgl. David Gogo ziemlich deckungsgleich. Gogos filigrane Spieltechniken, ob an einer Gibson oder einer Fender, als Slidegitarrist (auch mit Bierflasche) oder nur mit einem Plektrum bewaffnet, rücklings oder steil in die Luft ragend platzierend, er war das herausragende Element des Trios. Und anders als es Holger empfand, bereitete die Rhythmuscombo dem Hauptprotagonisten zwar einen gesunden Klangteppich, trugen aber für meinen Geschmack nichts Besonderes zu der Show bei. So vermisste ich z.B. ein Drumsolo, wie es meist von den namenhaften Bluesgruppen geboten wird. Auch Bassspezi Jasper Mortier wagte sich nicht, den Fans ein Solo anzubieten, wie es zum Beispiel Roger Innes von der Oli Brown-Band 2010 den Quasimodo-Fans offenbarte. Dennoch war es auch für mich ein denkwürdiger Tag. Zum einem scheint sich mit Viktor, Holger und mir eine Berlin-Fraktion gebildet zu haben, die sehr gut harmoniert und einige vielversprechende Projekte an Land ziehen wollen. Dass wir mit Moritz von Gordeon-Music, bei dem ich mich noch für die problemlose Akkreditierung bedanken möchte, einen ebenso 'verrückten' Musikfachmann kennen lernten, rundete den Abend perfekt ab. Ach Holger, es ist übrigens nicht unüblich, dass die Blues Rock-Gitarristen das Bad in der Menge des Berliner Clubs suchen. Ich denke da an erster Stelle an Oli Brown, Bernard Allison oder Aynsley Lister, um nur einige zu nennen.
Line-up:
David Gogo (vocals, guitar)
Jasper Mortier (vocals, bass)
Ronald Oor (drums)
Bilder vom Konzert
David Gogo        David Gogo        David Gogo
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