Ich habe leider zu viel Zeit im Knast verbracht...
Eric, Mike und Holger
Als mein Kollege Mike und ich den Backstagebereich des Quasimodo in Berlin betreten, steigt uns ein wohlbekannter Duft in die Nase, der darauf schließen lässt, dass es heute ein recht bunter Abend werden könnte.

Bestens gelaunt begrüßt uns Eric Gales und stellt uns auch sofort seine bezaubernde Frau Ladonna vor. Gales versucht zwar, während des Gespräches ein klares Englisch zu sprechen, verfällt aber in witzigen Momenten immer wieder in einen derartigen Slang, der von mir beim Übersetzen volle Konzentration abverlangt. Aber gerade dieses ständige langgezogene 'Yeeeaaah Man' oder 'Jooo Man' und weitere Fragmente aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sorgen dafür, dass das Gespräch eher kumpelhaft wirkt, halt wie im wahren Leben.


Interview vom 21.10.2013


Holger Ott
Holger und Eric Rocktimes: Herzlich willkommen in Berlin. Es ist ja schon einige Jahre her, als Du das letzte Mal hier warst.
Eric Gales: Ja, Mann, das war 2010 und ich freue mich, wieder hier zu sein. Wir haben morgen auch einen Tag Pause, bleiben dann noch hier und schauen uns in Ruhe die Stadt an. Meine Frau ist zum ersten Mal in Europa und möchte sich so viel wie möglich ansehen.
Rocktimes: Du hast eine neue CD veröffentlicht, die etwas anders ist, als deren Vorgänger. Erzähl doch bitte etwas darüber.
Eric: Es ist das erste reine Instrumental-Album und ich habe so etwas vorher noch nie gemacht. Der Titel lautet "Ghost Notes" und meine Musiker auf der CD sind Orlando Thompson am Bass, sowie Nick Hayes an den Drums. Die Musik ist sehr abwechslungsreich und heute Abend werden wir einige Stücke daraus spielen. Im Vergleich zum Vorgänger ist die neue mehr Gospel, mehr Funk, mehr Rock. Lasst euch überraschen.
Rocktimes: Du spielt live mit anderen Musikern als im Studio. Warum sind auf der Tour Eric Czar am Bass und TC Tolliver an den Drums dabei?
Eric: Die beiden auf der CD sind reine Studiomusiker und haben so viel Arbeit, dass sie mich nicht hätten begleiten können. Mit Eric und TC bin ich schon lange befreundet. Wir passen sehr gut zusammen und ihre Erfahrung bringt einen besseren Sound und mehr Druck auf die Bühne.
Holger und Eric Rocktimes: In Deutschland kennen Dich leider noch nicht sehr viele Musikliebhaber. Bitte erzähle etwas aus Deinem Leben.
Eric: Ich bin in Memphis geboren und aufgewachsen. Meine Eltern und Geschwister sind alle Musiker und deshalb bin ich seit meiner Kindheit nur von Musik erzogen worden. Mit fünfzehn Jahren habe ich meinen ersten Plattenvertrag bekommen. Das ist nun schon mehr als zwanzig Jahre her. Ich habe damals sehr viel Musik von Albert King, Robin Trower, Stevie Ray Vaughan, Santana und Mick Jagger gehört. Sie alle haben mich sehr beeinflusst.
Außerdem war mein älterer Bruder Eugene Gales ein großes Vorbild für mich. Ich habe damals versucht, so viel wie möglich zu spielen und dabei alle Richtungen ausprobiert, dabei natürlich vieles falsch gemacht. Damals konnte ich noch nicht unterscheiden, was richtig und falsch ist, was oben und unten ist. Ich habe mich auch zu oft von anderen leiten lassen und erst später begriffen, dass es besser ist, seinen eigenen Weg zu gehen und auch einmal einen Niederschlag einstecken zu müssen. Ich hatte auch das Handicap, dass ich eine Rechtshänder-Gitarre mit der linken Hand gespielt habe. Viele Leute haben dann über mich gesagt, dass ich wieder einer bin, der nur
Jimi Hendrix kopieren will. Nach einigen Jahren hat mich das nicht mehr interessiert und heute bin ich soweit gekommen, dass es eine Gitarre mit meinem Namen gibt und sich Sponsoren darum reißen, mit mir zusammenarbeiten zu können.
Eric Gales im Konzert Rocktimes: Ich nehme an, dass Du Deine neue Gitarre heute vorstellen wirst.
Eric: Ja Mann, sie hängt während der ganzen Show gut sichtbar neben den anderen Gitarren und natürlich werde ich sie vorstellen und spielen. Magneto hat ein sehr schönes Teil für mich gebaut.
Rocktimes: Die Gitarre hat trotzdem große Ähnlichkeit mit einer Fender Stratocaster. Was ist das Besondere an Deiner Gitarre und welches sind die Unterschiede?
Eric: Es stimmt, sie sieht der Strat sehr ähnlich, ist aber etwas kleiner und hat in der Technik viele moderne Details. Sie hat meinen Namensschriftzug als Inlay im Hals und beim Bau sind sie ganz genau auf meine Vorschläge und Wünsche eingegangen. Ich zeige die Gitarre später auf der Bühne und werde dann alles erklären. Jedenfalls bin ich sehr stolz ,dass ich sie besitze. Der Name der Gitarre ist 'Ghost Notes', ebenso wie der Name der neuen CD. Der Korpus ist schön schwarz mit einem Perlmutt Inlay. Es sind besondere Pick-ups montiert, die einen besonderen Sound ergeben. Im Zusammenhang mit dem Verstärker klingt es so, dass es immer mein Klang ist.
Eric Gales im Konzert Rocktimes: Du hast ja gerade schon kurz Carlos Santana erwähnt. Deine neue Gitarre soll nun ebenfalls einen besonderen, für alle unverkennbaren Ton haben, so wie es ja bei vielen Gitarristen der Fall ist, aber besonders bei Santana hervorsticht. Wie ich weiß, hast Du mal mit ihm gespielt. Wie ist es dazu gekommen?
Eric: Ich bin ihm begegnet als ich siebzehn Jahre alt war. Er war bei einer Show von mir in San Francisco. Nach der Show kam ein Techniker in den Backstage-Bereich und sagte zu mir, dass Santana vor der Tür wartet, um mit mir zu reden. Ich dachte, dass mich der Techniker veralbern oder mir einen dummen Streich spielen will, zumindest konnte und wollte ich es nicht glauben. Tatsächlich habe ich mich dann mit ihm eine ganze Weile unterhalten. Er war anscheinend sehr angetan von meiner Spielweise, und dass ich so etwas bereits mit siebzehn Jahren konnte. Einige Jahre später wurde angekündigt, dass es ein großes Festival zum Jubiläum von Woodstock geben würde. Santana sollte dort natürlich auch auftreten und hat mich einige Wochen vorher angerufen. Er fragte mich ganz einfach, ob ich zusammen mit ihm spielen möchte. Ich habe keine Sekunde gezögert und es war für mich eines der bedeutendsten Erlebnisse in meinem Leben. Ich erinnere mich, dass die Zufahrtsstraßen dermaßen verstopft waren, dass wir mit einem Eric Gales im Konzert Hubschrauber eingeflogen wurden. Wir wurden empfangen und behandelt wie die größten Stars auf Erden. Die Menschenmassen waren unglaublich. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und dachte, im Himmel könnte es nicht schöner sein. Auch die Musiker untereinander, egal wie berühmt sie waren, haben sich so gut miteinander verstanden. Sicher war Santana ein großes Vorbild und Held - ich habe ihn regelrecht vergöttert. Dann diese Ehre zu erleben mit ihm gemeinsam bei diesem Ereignis mitzuwirken, das werde ich niemals vergessen. Er hat viel dazu beigetragen, meinen Lebensweg zu ebnen.
Rocktimes: Nun spielst Du aber bei Deinen Konzerten keinen Song von Santana, sondern hast heute gleich drei von einem anderen deiner Vorbilder im Programm. Warum spielst Du so viel von Hendrix, obwohl Du doch ausreichend eigenes Material hast? Was bedeutet Hendrix in Deinem Leben?
Eric: Oh Mann, Hendrix spielte einfach in einer anderen Liga, auf einem deutlich höheren Level. Was kann ich nur über ihn sagen? Ich muss kurz überlegen. Es ist schwer zu erklären. Für viele Musiker ist er die absolute Inspiration. Er konnte mit seinem Spiel Dinge vermitteln, die kein anderer Gitarrist geschafft hat. Er verleiht noch heute Kraft, Ausdruck und Stärke. Ich schaue oft seine Videos und höre seine Musik. Ich beobachte seine Hände und wie er mit dieser Leichtigkeit über die Saiten streicht, um dabei Töne zu entlocken, die nur er spielen konnte. Jeder gute Gitarrist versucht, ihm nachzueifern, allerdings schaffen es nur die wenigsten. Ich will nicht behaupten, dass ich es schaffe, aber ich versuche immer, so dicht wie möglich heranzukommen. Trotzdem möchte ich, dass mein eigener Stil erkannt wird und ich nicht als Kopie gelte. Es genügt schon der Vergleich durch meine Linkshändigkeit. Ich bin jetzt ein wenig durcheinander. Bitte frage mich doch etwas anderes.
Eric Gales im Konzert Rocktimes: Ich bin darüber informiert, dass Du heute Abend einen Song zusammen mit Deiner Frau singen wirst. Ist das eine Ausnahme, oder möchtest Du einmal eine ganze CD mit ihr aufnehmen?
Eric: Das ist ja eine gute Idee. Vielleicht machen wir es wirklich einmal. Ich habe bisher noch nie darüber nachgedacht. (Seine Frau lacht laut im Hintergrund und es entwickelt sich ein kurzes Zwiegespräch zwischen den beiden, um den Vorschlag etwas zu vertiefen.) Aber um doch noch einmal kurz auf Hendrix zurückzukommen: Ich spiele seine Songs ja auf meine Art und covere sie nicht einfach nur so. Damit will ich dem Publikum zeigen, dass er mich beeinflusst hat und auch ihm zu Ehren. Ich erhalte dadurch zusätzlich Aufmerksamkeit von Leuten, die mich vorher noch nicht kannten.
Rocktimes: Kannst Du Dich an Deine schlechtesten und besten Tage in Deinem Leben als Musiker erinnern?
Eric: (Wirkt plötzlich etwas traurig) Oh Mann, schlechte Tage hat es so viele gegeben. Gerade zu Beginn, als ich noch orientierungslos war. Da habe ich sehr viel Mist gebaut und habe dafür auch im Gefängnis gesessen. Das war übel und ich will so etwas nie wieder erleben müssen. Du darfst nicht vergessen, ich stamme aus ärmlichen Verhältnissen und bin nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen. Ich musste mir vieles erkämpfen und erarbeiten. Das dabei auch etwas schief gehen kann, ist in den Kreisen, in denen ich mich zwangsläufig bewegen musste, völlig normal. Sicher habe ich auch viel mit Drogen, Waffen und Alkohol zu tun gehabt und habe deshalb auch meine Strafe abgesessen. Das war die dunkelste Seite. Zum Glück geht es mir jetzt besser und ich bin erfahren genug, um ein vernünftiges Leben zu führen. Der schönste Tag ist immer der heutige Tag. Ich bin gesund, kann die Welt entdecken, kann meine Musik spielen und Freude verbreiten und ich habe immer meine Frau an meiner Seite. Ich bin zufrieden.
Eric Gales im Konzert Rocktimes: Wenn Du drei Wünsche frei hättest, welche wären das?
Eric: (Überlegt sehr lange) Gesundheit, mehr Geld und weiterhin die Menschen mit meiner Musik inspirieren und erfreuen zu können. Das ist sehr wichtig für mich. Also Gesundheit, Geld und Inspiration.
Rocktimes: Was hast Du für Zukunftspläne?
Eric: Im Januar fange ich an, eine neue CD aufzunehmen. Wieder mit Gesang und natürlich möchte ich damit erneut auf Tour gehen. Ich möchte versuchen, so lange wie möglich Musik zu machen. Gerne würde ich öfter in Europa und speziell in Deutschland spielen. Ich möchte durch so viele Länder reisen, wie ich es schaffe. Egal, ob es die Menschen hier sind oder in meiner Heimat. Für mich sind alle gleich. Ich möchte viele von ihnen kennenlernen, ihnen mit meiner Musik Freude bereiten und dann mit ihnen reden, um mehr zu erfahren.
Rocktimes: Wenn Du die Möglichkeit hättest, eine neue Supergroup zu gründen, wen hättest Du dabei gerne an Deiner Seite?
Eric: Hast du schon einmal von Pinnick Gales Pridgen gehört?
Eric Gales im Konzert Rocktimes: Nein, leider noch nicht. Bitte erzähle mir etwas über ihn.
Eric: Ich habe noch ein weiteres Projekt, das für mich die ultimative Supergroup ist. Die Band besteht aus dUg Pinnick am Bass - er stammt von King's X - Thomas Pridgen als Drummer - ehemals Mars Volta - und mir. Nächsten Monat wird unsere neue CD "Pinnick Gales Pridgen" veröffentlicht. Check das aus, Mann. Das ist für mich die neue Supergroup. Schau einfach auf meine Webseite oder auf die Seite von Magnacarta.
Rocktimes: Mike möchte zwischendurch wissen, ob Eric Autodidakt ist. Also frage ich ihn, ob er Singen und Spielen selbst, oder mithilfe eines Lehrers gelernt hat.
Eric: Mein älterer Bruder war mein Lehrer. Er hat mir alles beigebracht, was ich wissen musste, um auf der Bühne und im Business zu bestehen. Ich habe ihm alles zu verdanken. Ich hatte sonst keinen weiteren Lehrer.
Rocktimes: Warum spielst Du nicht weiterhin mit Deinem Bruder zusammen?
Eric: Oh, er führt inzwischen ein gesetzteres Leben. Seine Familie geht ihm jetzt vor allem anderen. Sicher spielt er auch noch Musik, aber nicht mehr so viel wie früher. Wenn er spielt, hat er inzwischen andere Interessen und führt sein eigenes Leben. Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir wohl irgendwann noch einmal zusammenspielen werden.
Rocktimes: (Er spielt inzwischen mit einer Zigarette und signalisiert mir damit, dass er diese rauchen möchte und somit das Gespräch dem Ende entgegen gehen sollte) Eric, ich möchte mich ganz herzlich bei Dir bedanken und wünsche Dir für den heutigen Abend und für die Zukunft alles Gute.
Eric: Ebenfalls vielen Dank und Grüße an alle, die mich kennen oder kennenlernen möchten.
Im Gegensatz zum vorangegangenen Konzert in der Bluesgarage Isernhagen, scheint der Sound in Berlin deutlich besser zu sein. Alle Musiker sind sehr gut zu hören. Zudem scheinen sie extrem motiviert und spielfreudig zu sein. Einziges Manko ist die Beleuchtung. Zu viel rotes Licht sorgt zum Eric Gales im Konzert Beispiel dafür, dass die funky Klamotten von TC Tolliver hinter seinen Drums überhaupt nicht zur Geltung kommen. Eric Gales betont des Öfteren, dass er gerne im Quasimodo spielt, da er den sehr engen Kontakt zum Publikum lieben würde. Vielleicht dehnt er auch deshalb den Abend um eine Zugabe mehr aus und ändert die Setlist im Vergleich zur Bluesgarage etwas. Die Band steigert sich von Song zu Song und spielt sich in einen wahren Rausch hinein. Sicher werden die Gerüche, die wir anfangs im Backstage vorgefunden haben, etwas dazu beigetragen haben, allerdings springt der Funke hauptsächlich vom Publikum auf die Bühne. Szenenapplaus, ständige Anfeuerungsrufe und zum Schluss endlose 'Zugabe'-Aufforderungen, sorgen dafür, dass sich die Band völlig verausgabt. Highlight neben Gales ist eindeutig Bassist Eric Czar. Gebückt, mit aggressivem Blick, schleicht er ständig wie ein Raubtier auf Beutejagd über die Bühne. Als die Band gegen Ende den Klassiker "Voodoo Chile" in einer fast zwanzig Minuten langen Version spielt und während des Songs zu Led Zeppelins "Kashmir" umschwenkt, flippt Czar beim Spielen völlig aus. Selbst als wir ihn nach dem Konzert noch einmal im Aufenthaltsraum treffen, kriegt er sich kaum ein und fällt regelrecht über Mike und mich her. Für die Fans in Berlin ist es ein großartiger Abend gewesen.
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