Spielzeit: 55:07 Medium: CD Label: Cherry Red Records, 2013 Stil: Art Rock Review vom 20.05.2013 Steve Braun

Wenn zwei musikalische Generationen aufeinander treffen, birgt das schon eine gewisse Brisanz. Wenn aber zugleich zwei musikalische 'Welten' zueinander stoßen, bringt das zusätzlichen Sprengstoff in die Angelegenheit. Beim vorliegenden gemeinsamen Projekt von Gordon Giltrap und Oliver Wakeman trifft beides zu. Der 65-jährige Giltrap entstammt der progressiven britischen Folkszene - beim 24 Jahre jüngeren Wakeman hat selbstredend Vaddern das musikalische Fundament gelegt. Nachdem dieser vor vier Jahren mit Giltrap das Instrumentalalbum "From Brush And Stone" einspielt hatte, geht nun der Sohnemann einen Schritt weiter und verbindet gemeinsam mit dem britischen Veteranen folkige mit progressiven Klängen. Das Ergebnis ist ein zauberhaft schönes Album für ebensolche Stunden...

Für "Ravens & Lullabies" hat man sich die Dienste des großartigen Paul Manzi, seines Zeichens neuer Sänger von Arena, und des überaus erfahrenen Gitarristen und Produzenten der Prog-Metaller Threshold, Karl Groom, für die Aufnahmetechnik gesichert. Dieser brachte bei der Gelegenheit noch den Drummer Johanne James mit. Der zwischenzeitlich wieder geschasste Yes-Sänger Benoit David singt "From The Turn Of A Card" - tut dies durchaus gut, allerdings ohne Manzis Intensität auch nur annähernd zu erreichen. Abgerundet wird das Line-up durch den vielseitig erfahrenen Steve Amadeo am Bass.

Der Rabe steht in der Mythologie für Weisheit und Intelligenz - ein Lullaby gilt dagegen als unbeschwertes Wiegen- und Schlaflied. Die progressiven Rocker - "Moneyfacturing", "Is This The Last Song I Write?" und "Credit Carnival" - stellen nach meiner Interpretation die 'weise' "Raven"-Seite, das musikalische 'Gerüst', dar. Dazwischen werden reichlich "Lullabies" gestreut, wobei die Giltrap-Kompositionen betont folkig ausgefallen sind. Wakemans Eigengewächsen merkt man demgegenüber deutlich die Ausrichtung am Klassischen an. Auch wird hier deutlich, wie sehr der talentierte Keyboarder (überaus erfolgreich) dem langen Schatten seines Vaters entwächst. Spätestens mit "Ravens & Lullabies" dürfte Oliver seinen musikalischen 'Freischwimmer' in der Tasche haben!

Die Hörerschaft wird mit dem vorliegenden Songzyklus mit der genau richtigen Dosierung von An- und Entspannung bedient. Die drei angesprochenen Prog-Rocker dürfen als durchaus 'bissiges' Gerüst betrachtet werden. Dazwischen tupft Gordon Giltrap seine akustischen Instrumentals, die gelegentlich an den Fingerstyle Werner Lämmerhirts oder Klaus Weilands erinnern. In diesem Zusammenhang seien "Fiona's Smile" und "One For Billie" hervorgehoben. Wenn Oliver Wakeman hier eingreift - wie bspw. bei "Wherever There Was Beauty" - geschieht dies auf sehr einfühlsame Weise.
Seine eigenen Kompositionen (wie "LJW" oder "A Perfect Day") sind zwar modern ausgelegt, aber tief im Geist der Klassik verwurzelt. Die gemeinsamen Kompositionen zeugen von Kongenialität und ausgeprägter Harmonie - auch und gerade in Verbindung mit Paul Manzis Gesangsbeiträgen.
Durch die gesamten Aufnahmen zieht sich eine lockere Luftigkeit, die auf eine hohe Kongruenz der Beteiligten, sicherlich auch im zwischenmenschlichen Bereich, schließen lässt.

Gordon Giltrap und Oliver Wakeman liefern mit "Ravens & Lullabies" ein kleines Stück für die Musikewigkeit ab. Anregend wie entspannt gleichermaßen und mit mindestens vier ultimativen Knallern: "Moneyfacturing", "Is This The Last Song I Write?", "Credit Carnival" und "Ravens Will Fly". Uneingeschränkte Kaufempfehlung!!

Line-up:
Gordon Giltrap (electric and acoustic guitars)
Oliver Wakeman (piano, keyboards, backing vocals)
Paul Manzi (vocals)
Benoit David (vocals - #3)
Steve Amadeo (bass)
Johanne James (drums, percussion)