Gov't Mule feat. John Scofield / Sco-Mule
Sco-Mule Spielzeit: 77:46 (CD 1), 76:47 (CD 2)
Medium: CD (plus Bonus-CD)
Label: Provogue Records/MLG, 2015
Stil: Jazz Rock

Review vom 23.01.2015


Steve Braun
Wie ich das hasse: Eine Promo-CD ohne Booklet besprechen zu müssen! Vor allem, wenn es sich um überaus bemerkenswerte Live-Aufnahmen handelt. Man möchte in einem solchen Fall schon, mittels ausführlicher Liner Notes, nachvollziehen können, wie es zu dem Event kam oder etwas über die Beweg- und Hintergründe wissen wollen, gerade wenn einer der Protagonisten ein paar Monate später verstarb.
Gemeint sind hier die beiden legendären Konzerte, die Gov't Mule im September 1999 gemeinsam mit John Scofield in Atlanta ausrichtete. Jenem Jazzgitarristen, der mit nahezu jeder Jazz-Legende zusammenarbeitete und darüber selbst zu einer solchen wurde. Diese wurden für eine Live-Veröffentlichung nach der "Life Before Insanity" aufgezeichnet, zu der es - wohl aufgrund Allen Woodys Tod und dem danach prioritären The Deep End-Projekt - nie kam. So blieb als einzige Erinnerung an diese einzigartige Zusammenarbeit das "Sco-Mule" betitelte Stück auf den "Hidden Treasures" des besagten Albums sowie dessen Live-Ausgabe auf The Deepest End (mit Victor Wooten und Bernie Worrell).
Nun endlich, mit fast 16 Jahren Verspätung, erscheinen diese lang erwarteten Aufnahmen unter dem Titel "Sco-Mule" (wie auch sonst?) im Handel. Der Silberling ist bis zum Platzen mit allerfeinstem Jazz Rock gefüllt. Die beiden Edelgitarristen werden natürlich aufs Allerfeinste von der damaligen Mule-Rhythmussektion unterstützt. Dass Matt Abts anspruchsvollen Jazz Rock draufhat (was kann dieser Ausnahme-Drummer eigentlich nicht?), dürfte hinlänglich bekannt sein. Wenig überraschend ist auch die Klasse von Allen Woody und es treibt einem beim Hören von "Sco-Mule" förmlich Rotz und Wasser in die Augen, wenn man bei seinen unnachahmlich knurrigen Bassläufen noch einmal realisiert, was für ein außergewöhnlicher Bassist dieser hünenhafte Bär war.
Unterstützt werden diese Vier von Dr. Dan Matazzo an den Keyboards. Alle Jam-Freunde werden seine Qualitäten von der Aquarium Rescue Unit oder Col. Bruce Hampton And The Fiji Mariners kennen und zu schätzen wissen. Er wird diese hohe Erwartungshaltung in den vorliegenden zweieinhalb Stunden voller jazzrockiger Jams garantiert nicht enttäuschen.
Gov't Mule feat. John Scofield interpretieren Scofield-Stücke, wie "Hottentot" und "Tom Thumb", Haynes' Hommagen an Charlie Parker ("Kind Of Bird") oder Miles Davis ("Birth Of The Mule") und natürlich das besagte "Sco-Mule".
Ein einziger Song ist kürzer als zehn Minuten ausgefallen - muss ich noch mehr zur Beschreibung des Dargebotenen anführen? Ein wahres Hochamt für Freunde des Jam Rock, der ausufernden Improvisation, der orgiastischen Interaktion, des gepflegten Jazz und gelegentlich auch des urwüchsigen Blues.
Einige der bereits angesprochenen Songs kennt die Maultier-Anhängerschaft natürlich schon von Gov't Mules zahlreichen Live-Veröffentlichungen. Da diese allerdings wissen, dass es NIE zwei deckungsgleiche Live-Interpretationen eines Mule-Stückes gibt, ist es völlig schnurz, wie viele "Kind Of Bird"s oder "Afro Blue"s schon in der persönlichen Sammlung zu finden sind! Auch dass auf der Bonus-CD zwei alternative Versionen zu hören sind, sollte die Freude nicht im geringsten trüben. Trotzdem dürften wohl die Scofield-Nummern im besonderen Fokus stehen.
Ebenfalls eher ungewöhnlich sind die gelegentlichen Synthesizer-Sounds. Diese besitzen bei Gov't Mule bekanntlich Seltenheitswert und werden - wenn überhaupt - ausschließlich von musikalischen Gästen eingebracht. Zum funkbetonten Groove von "Hottentot" - und nicht nur hier - gibt Matazzo wirklich eine Bella Figura ab.
Mein absoluter Favorit findet sich auf der Bonus-Disc: "Devil Likes It Slow". Diese Nummer kennt natürlich jeder Haynes-Jünger von der legendären "... Collector's Edition". Hier werden die fünf Protagonisten von einem weiteren Saiten-Magier, Jimmy Herring (heute Widespread Panic), ergänzt - und fragt nicht wie... Sein Solo treibt das Wasser abwechselnd auf die Stirn und in die 'Kimme'. Auch das abschließende "Afro Blue" braucht keinen Vergleich mit der "Collector's Edition"-Version zu scheuen. Hier schwingen die Saiten des hierzulande eher unbekannten texanischen Jazzgitarristen Mike Barnes (Extreme Heat, Brother Magnum), einem Buddy von John Scofield, mit. Ebenfalls ein echter Hinhörer...
"Sco-Mule" ist natürlich für alle Mule-Eleven wie Fusion-Freaks gleichermaßen ein Fest für die Sinne. Aber auch wer einfach nur mal fünf ganz außergewöhnlich gute Musiker hören möchte, wird seine helle Freude an diesen beiden Scheiben haben. Für diese drei Zielgruppen gilt: Pflichtkauf!!

P.S.: Gov't Mule feat. John Scofield gehen im Februar/März auf US-Tour. Hoffentlich wird Europa wenigstens mit einem Live-Album von diesem exquisiten Ereignis entschädigt.
Line-up:
John Scofield (guitars)
Warren Haynes (guitars)
Allen Woody (bass)
Matt Abts (drums)
Dr. Dan Matrazzo (keyboards)
Jimmy Herring (guitar - 2/#2)
Mike Barnes (guitar - 2/#5)
Tracklist
CD:
01:Hottentot (11:07)
02:Tom Thumb (11:06)
03:Doing It To Death (12:08)
04:Birth Of The Mule (15:35)
05:Sco-Mule (9:17)
06:Kind Of Bird (18:13)
Bonus-CD:
01:Pass The Peas (10:21)
02:Devil Likes It Slow (13:03)
03:Hottentot [Alternate Version] (11:41)
04:Kind Of Bird [Alternate Version] (18:18)
05:Afro Blue (23:04)
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