Guru Guru / Electric Cats
Electric Cats Spielzeit: 67:44
Medium: CD
Label: Trance Music, 2013
Stil: Progressive Krautrock


Review vom 24.08.2013


Steve Braun
Wow, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Guru Guru legen im 45. Jahr ihrer bewegten Historie mit "Electric Cats" das 30. Album vor... und was für eines!! Über Doublebind, das letzte Album der Gurus, schrieb ich zum Veröffentlichungszeitpunkt (2011), eine neue Scheibe der Mannen um Mani Neumeier sei wie der Kauf eines Überraschungsei'. Man wisse nie, was darin sei. Mit "Electric Cats" ist das nicht anders: Erneut vollzieht man eine stramme Kursänderung - quasi ein Zurück in die Zukunft, denn diese 'Elektrischen Fellwürste' klingen gewaltigst nach Guru Guru in den Siebzigern! Nach jenen Zeiten, als bewusstseinserweiternde Substanzen für psychedelisch-virtuose Krautrock-Zwirbeleien sorgten.
Erneut haben sich Hans Reffert und Roland Schaeffer (Gitarren) sowie Peter Kühmstedt (Bass) für "Electric Cats" um den umtriebigen Tausendsassa Mani Neumeier geschart. Als 'Überraschungsgäste' sind die beiden Kraut-Urgesteine Ax Genrich und Hellmut Hattler jeweils an einer guten Handvoll der Stücke beteiligt. Beide waren ja bereits in den Siebzigern für die Gurus aktiv, Hattler unter dem Synonym Karl Maria von Sinnen. Und einmal mehr verleiht der Jazzer Werner Goos der Band seine Sitar-Künste, hier bei "A Trip To Gurustan".
Pünktlich zum diesjährigen Finkenbach-Festival (am vorigen Wochenende), als Freak'n'Hippie-Veranstaltung eine wahre Institution, erschien diese Scheibe, mit der wohl genau diese Zielgruppe bedient werden soll. Freizügig-weite psychedelische Klanglandschaften verbunden mit anarchistischem Spielwitz und extensiven Improvisationen dominieren die knapp siebzig Minuten von "Electric Cats". Ein schrilles, zum Schreien komisches Cover im 'Fritz the Cat'-Style stellt das perfekte, hippieske i-Tüpfelchen dieser Veröffentlichung dar.
Ein weiteres Relikt aus den 'güldenen Siebzigern' ist der sehr analoge Klang der Aufnahmen. Bis auf wenige Spielereien - wie bspw. die Vocoderstimme im Titelsong - halten sich die Vier mit elektronischem Schnickschnack sehr zurück. Mal wieder angenehme Töne in volldigitalisierten Zeiten!!
Mit "Return Of The Platypus" startet das Album sehr krautig. Reffert und Genrich schlagen sich die Gitarrenriffs und -licks um die Ohren, während Schaeffer seine 'Gießkanne' derart flippig trötet, wie man das seinerzeit von Hannes Pappert gewohnt war. Der folgende Titelsong darf sich binnen neun Minuten so richtig auffalten. Der Bezug zu 'Katzen' ist musikalisch sofort nachvollziehbar: Mal einschmeichelnd - mal kratzig, mal elegant stolzierend - mal widerborstig buckelnd agieren Guru Guru, hier von Hattlers geschmeidigen, fast 'cremigen' Bassfiguren unterstützt. Die "Rock'n'Roll Machine" ist dagegen ein klarer, recht frappanter Kontrapunkt - ein simpler Rocker, der mit punkiger Attitüde 'runtergerotzt' wird.
Danach beginnen die Wasserpfeifen zu blubbern: Bei "Sweet Orbit" fragt man sich unwillkürlich, wie viel "Afghani" (der nächste Song) da wohl drin war. Sehr frei erhebt man sich, erneut mit Hattler'scher Unterstützung, und schwebt schwerelos in erdfernen Umlaufbahnen. »Bundeswehr raus aus dem Schwarzen Afghanen!!« möchte man am liebsten bei "Afghani" ausrufen. Eine weitere musikalische Liebeserklärung Guru Gurus an fernöstliche Einflüsse, die in den Siebzigern auch die deutsche Musikszene (Embryo!) maßgeblich mitgeprägt haben. Und weiter geht die Reise durch das Morgenland: Bei "A Trip To Gurustan" glaubt man - einer Fata Morgana gleich - in der Ferne eine Karawane zu ihrer nächsten Karawanserei ziehen zu sehen. Goos steuert hier authentisch wirkende Sitar-Tupfer, Schaeffer orientalisches 'Gebläse' bei.
Diese drei Stücke - insgesamt knapp fünfundzwanzig Minuten lang - bilden (für mich) eine musikalische und thematische Einheit.
Diese wird mit dem von flippigen Gitarren-Schrammeleien und südamerikanischen Rhythmen geprägten "Drumoroto 2" ziemlich abrupt unterbrochen. Entspanntes karibisches Flair kommt bei "African Beauty" auf, bevor sich der monumentale Riese "Psylo" fünfzehn Minuten lang aufrichten darf. Hier kommen keine Längen auf - die Spannungsbögen bauen sich frei, aber trotzdem passgenau und jederzeit stimmig auf, um in sich zusammenzufallen und frisch verfugt zu neuen Höhen aufzubrechen.
"Little Figatree" ist erneut so eine richtig typische, abgedrehte Neumeier-Nummer. Mit Karima und 'quäkigem' Sopran-Sax kommt richtige Buena Vista Social Club-Stimmung auf. Wie schon zweimal angemerkt: Bei Guru Guru muss man immer mit kleinen Überraschungen rechnen...
Mich persönlich hat "Electric Cats" schlichtweg umgehauen - für mich das beste Guru Guru-Album seit Jahren. Eine gewisse Affinität zu Krautrock im Allgemeinen und sehr freien, spacigen Arrangements im Speziellen sind für den Hörgenuss garantiert nicht abträglich!
Sowas lass' ich mir zum 'kleinen, halbrunden' Jubiläum gerne gefallen - na, dann auf die nächsten
30 Veröffentlichungen und den 50. unserer ewig jungen Krautlegende in fünf Jahren!!
Line-up:
Mani Neumeier (vocals, drums, percussion, Kaossillator, kalimba)
Roland Schaeffer (guitars, saxophone, clarinet, Nadaswarma, vocals)
Hans Reffert (guitars, lapsteel)
Peter Kühmstedt (bass)

Gäste:
Ax Genrich (guitar - #1,3,5,7,9)
Hellmut Hattler (bass - #2,4,6)
Werner Goos (sitar, guitar - #6)
Tracklist
01:Return Of The Platypus (4:53)
02:Electric Cats (9:05)
03:Rock'n'Roll Machine (2:22)
04:Sweet Orbit (8:10)
05:Afghani (6:42)
06:A Trip To Gurustan (8:52)
07:Drumoroto 2 (4:59)
08:African Beauty (4:09)
09:Psylo (14:25)
10:Little Figatree (3:47)
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