Guru Guru / Psy
Psy Spielzeit: 59:10
Medium: CD
Label: Trance Records, 2008
Stil: Indie, Rock, 'Krautrock'


Review vom 23.02.2008


Norbert Neugebauer
Zum 40-jährigen Bandjubiläum von Guru Guru gibt es eine neue Scheibe der Ur-Indies und 'Krautrocker' aus dem Odenwald (sofern sie dort noch residieren). Die Band ist die Inkarnation dieses unsäglichen Begriffs, den es bekanntlich als Stil so überhaupt nicht gibt. Aber vielleicht stammt die dämliche Wortschöpfung ja auch aus ganz anderer Quelle, als bislang immer nachgeplappert und das würde denn auch Sinn machen: Von wegen Sauerkraut und John Peel - reichlich 'bewusstseinserweiterndes' Rauch-Kraut war die gemeinsame Quelle dieser vorzugsweise aus deutschen Landen kommenden Sounds! Und da könnte Ober-Guru Mani Neumeier durchaus Pate gestanden haben. Egal, was immer man darunter verstehen will - sollte ich jemand 'Krautrock' erklären müssen, ich würde ihm ein Album von Guru Guru in die Hände drücken und das wär's dann!
Im Rahmen dieses Reviews kann ich unmöglich auf die lange Geschichte der Band, deren Dreh- und Angelpunkt sowie einzige Konstante Mani Neumeier ist, eingehen (da sollen sich mal die erklärten Kollegen aus der 'KR'-Fraktion drüber machen). Aber sie hat meinen Weg immer wieder gekreuzt und an die diversen zugedröhnten Konzerte im Dominikanerhof anlässlich der Bamberger Sandkerwa werd ich mich wohl selbst noch bei fortgeschrittener Demenz erinnern ... .
"Psy" enthält alles, was die Musik von Guru Guru ausmacht. Freakiges, Psychedelisches, Jazzrockiges, World Music (vorzugsweise fernöstlich), Gitarren-Jams und der schräge Humor des trommelnden Elektrolurchs Mani, der am Ende des Albums sein skurriles Alter Ego aus den siebziger Jahren wiederauferstehen lässt. Neben der aktuellen Stammbesatzung mit Neumeier, Roland Schaeffer (Gitarre, Sax, Gesang), Hans Reffert (Gitarre, Gesang) und Peter Kühmstedt (Bass, Gesang) sind eine ganze Reihe von namhaften Gästen aus dem Guru Guru-Umfeld mit an Bord, die teilweise auch selbst irgendwann in der Band oder bei früheren Produktionen gespielt hatten. Also zum 40-Jährigen quasi ein Familientreffen. Die illustre Schar:

Chris Karrer (Amon Düül), Hellmut Hattler & Jan Fride (beide Kraan), Dieter Moebius (Cluster), Jürgen Engler (Die Krupps), Luigi Archetti (Ex-Guru Guru), Uchihashi Kazuhisa und Werner Goos.
Obwohl der Wiedererkennungswert sofort da ist, springt auch gleich eine erfreuliche musikalische Frische ins Ohr. Da hat sich nach 40 Jahren mit rund 30 Alben und unzähligen Gigs kein bisschen Rost angesetzt. Im Gegenteil, "Psy" ist ein abwechslungsreicher Trip durch die Guru Guru-Welt, der Spaß macht und der ohne die früheren Durchhänger oder allzu ausgeflippte Verdrehtheiten bemerkenswert kurzweilig ist.
Mit einem Drumintro fällt der Opener "Dark Blues" förmlich über den Hörer her. Aus einem heavy Gitarrenriff baut sich die orientalisch klingende Nummer mit beschwörenden Vocals auf, bei der gleich der halbe Gäste-Block aufläuft: Kazuhisa steuert die Gitarre bei, Karrer lässt seine Geige knirschen und Goos die Sitar zirpen. Das instrumentale "Jaipur" hat eine kräftige jazzrockige Basis, wobei diverse Blasinstrumente für mäandrierende Soli sorgen. Noch jazzig-verquerer kommt "Luigi" mit Italo-Nonsens-Text.
Die erste satte Rock-Nummer (und der 'Hit' des Albums) ist "Wonderland" mit einem fast hypnotischen Groove und brodelnden Gitarren. Mit durchdrehenden R'n'R-Riffs rauscht "For Ivy" schnell aus den Speakern, bevor es mit "Yellow Sunshine" entspannt jammig-proggig-instrumental weitergeht. "Mi Caro Caro" schwebt sanft vorbei. Eine feine, melodische Nummer, bei der das meditative Grundthema von mehreren Gitarren sanft umspielt wird. Allererste Sahne!
Nach diesem ruhigen Zwischenspiel nimmt "Sumpfige Wasser" mit den Gästen Moebius (Synthesizer) und Engler (Gitarre) blubbernd wieder Fahrt auf, bevor Mastermind Neumeier und Kollege Fride ein vierminütiges Schlagzeug-Duett hinlegen. Definitiv auch keine Nummer zum Weiterzappen! "Blue Angel" macht die Psychorock-Kiste auf, die mit der Soundcollage "Die Verkündung" in einen flirrenden Klangkosmos führt. "Spam Spam" samt pulsendem Hattler-Bass und schrägen Vocals beendet die zwölf regulären Nummern.
Als Bonus für das Geburtstagsalbum gibt es eine über neunminütige "Elektrolurch Mutation", bei der die Altfans nochmals die Bong aus der Ecke holen dürfen. Leider hat meine CD hier deutliche Aussetzer, was hoffentlich keinen generellen Pressfehler bedeutet. Bis auf dieses Manko ist "Psy" ein ausnehmend starkes und schön aufgemachtes Album einer nach 40 Jahren immer noch überaus kreativen Band!
Übrigens: Nach zweijähriger Pause findet das Finkenbach-Festival im Odenwald, traditionell mit Guru Guru, heuer wieder statt! Voraussichtlicher Termin: 26.07.2008.
Und zum Jubiläum ist die Band bis Jahresende auf großer Tour, weitgehend im Doppelpack mit Birth Control.
Wiederhören macht Freude!
Tracklist
01:Dark Blue Star
02:Jaipur
03:Luigi
04:Wonderland
05:For Ivy
06:Yellow Sunshine
07:Mi Caro Caro
08:Sumpfige Wasser
09:Jan & Mani
10:Blue Angel
11:Die Verkündung
12:Spam Spam
13:Elektrolurch Mutation
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