Beth Hart & Joe Bonamassa / Don't Explain
Don't Explain Spielzeit: 54:11
Medium: CD
Label: Provogue / Mascot Music Productions and Publishing B.V., 2011
Stil: Soul


Review vom 04.10.2011


Jürgen Hauß
Ist "Don't Explain" jetzt ein Joe Bonamassa-Album, weil er bekanntermaßen die Idee für die vorliegende Kollaboration hatte? Oder ist es eine Beth Hart-CD, weil sie die Songs durch ihre markante Stimme prägt? Oder ist "Don't Explain" ein opus sui generis, weil es Vergleichbares bislang noch nicht gegeben hat? Natürlich hat es schon unzählige Zusammenarbeiten der unterschiedlichsten Künstler unterschiedlichen Geschlechts und Musik-Stils gegeben wie beispielsweise von Robert Plant und Alison Krauss mit Raising Sand oder aber Mark Knopfler und Emmylou Harris mit All The Roadrunning. Aber selten fand ich eine Kombination wie die vorliegende - um mein Fazit bereits vorweg zu nehmen - so derart gelungen. Hier - um ein bekanntes Zitat abzuwandeln - musiziert zusammen, was zusammen gehört!
Die Zusammenarbeit hatte sich ja bereits auf der letzten Bonamassa-CD Dust Bowl angekündigt, auf der Beth Hart - wenn auch nur bei einem Stück und wohl auch nur in untergeordneter Rolle - als Gastsängerin dabei war. Bemerkenswert bei der vorliegenden CD ist zunächst, dass beide Protagonisten - obwohl jeweils selbst geniale Komponisten - gänzlich auf die Verwertung eigenen Materials verzichten und die CD als reines Cover-Album gestalten. Das aber wiederum ist ein gewagtes Spiel, denn der kritische Hörer wird sofort den Vergleich mit den Originalen suchen.
Der Einstieg mit "Sinner's Prayer" klingt genau so, wie ein Joe Bonamassa-Titel halt klingt, doch mit dem Einsetzen des Gesangs kehrt sich dieser Eindruck in sein Gegenteil um, derart wird der Song durch diese markante Stimme von Beth Hart geprägt. Natürlich sage ich nichts Neues, wenn ich schon jetzt feststelle, dass Ähnlichkeiten zu Janis Joplin nicht zu leugnen sind. Beiden gemein ist zudem, dass sie im Leben sowohl Höhen als auch Tiefen durchgemacht haben; letzteres formt und fördert durchaus auch die Stimme. Joe setzt seine Gitarre sehr zurückhaltend ein, doch seine solistischen Einlagen sind unverkennbar.
"Chocolate Jesus" wird - nach einer undefinierbaren Einleitung - musikalisch durch fast Marschmusik-ähnliche zweiviertel-taktige Klavierbegleitung - wohl von Beth Hart herself - geprägt, doch mehr noch fasziniert die facettenreiche Gesangsinterpretation, die die zugrunde liegende Geschichte erzählt. Und Joe trägt wieder ein eigentlich untypisches, weil dezentes Solo bei.
Mit "Your Heart Is As Black As Night" kommen wir in den Bereich 'Bar-Musik', derart ruhig wird diese Ballade - wiederum mit Klavierbegleitung - dargeboten. Und das Gitarrensolo in der Mitte des Songs - zum Wegträumen! Wenn man Anton Fig (Live From The Royal Albert Hall erlebt hat, kann man kaum glauben, dass er derart gefühlvoll die Felle streicheln kann wie vorliegend. Und der beinahe schmerzverzerrte Gesang am Ende lässt sich vielleicht mit dem Bedauern der Sängerin erklären, dass der Song schon zu Ende geht!
Eine härtere Gangart legen die beiden mit "For My Friends" ein. Hier hört man eindeutig den Bonamassa heraus (und entsprechend viel Freiheit nimmt er sich), doch Beth Hart ergänzt den rauen Grundton des Stückes durch eine entsprechend 'dreckige' Stimme - klasse!
Es folgt der Titelsong "Don't Explain". Was soll man dazu noch erklären, nicht nur der Titeltext verbietet es einem. »Einfach wunderbar wie laszive und lässig Beth Hart diesen schönen ... Song interpretiert. Das Gitarren Solo von Joe scheint aus dem Off zu kommen und wird dann immer klarer.« Dieses Zitat habe ich einer Bewertung bei amazon entnommen; ich hätte es nicht treffender, geschweige denn besser formulieren können.
"I'd Rather Go Blind": Wie viele Versionen von diesem Song besitze ich? Genügend, um zu wissen, wie variantenreich man sich diesem Titel widmen kann. Doch keine Version hat bislang eine solch eindringliche Wirkung auf mich gehabt wie diese. Und wenn man - nach etwa sechs Minuten und einem fantastischen Gitarrensolo - denkt, die Aufnahme neigt sich mit von Keyboard und Drums eingebrachtem 'Gewitterdonner' dem Ende zu, fängt sie fast schon wieder von Neuem an, um dann nach über acht Minuten letztendlich doch noch auszuklingen - ich könnte stundenlang da capo rufen!
"Something's Got A Hold On Me" beginnt mit einem a-capella-Gesang von Beth Hart im Wechselspiel mit der Band, bevor das Stück gospelartig an Tempo gewinnt. Und wunderbar in diesem Zusammenhang die 'Schweineorgel'. Man fühlt sich in der Kirche, will aufstehen und sich vom Rhythmus treiben lassen. Der Live-Charakter wird unterstützt durch einen zwischenzeitlichen Wechselgesang mit einer imaginären Gemeinde.
Absoluter Stimmungswechsel zu "I'll Take Care Of You": Zunächst nur mit dem eigenen Piano und sanftem Schlagzeug begleitet, wird die Nummer - auch wenn sie stark von Streichern unterlegt ist - in erster Linie wiederum von der Stimme Beth Harts dominiert; die gefühlvollen Gitarren-Soli von Bonamassa sind - jedenfalls im Rahmen der 'Kurzversion' (dazu s.u.) - lediglich gutes und nettes Beiwerk; erst zum Schluss dreht er nochmal so richtig auf und liefert ein Beispiel seiner Virtuosität. Soweit im Booklet steht, dass Beth anfangs Probleme mit diesem Song gehabt haben soll - hier sind sie nicht mehr zu hören. Bei "Well, Well" kommt schließlich auch Joe Bonamassa gesanglich zu Gehör; ein flotter Song, der wieder richtig Stimmung in die Bude bringt.
Ouvertürenhaft der Einstieg zu "Ain't No Way", bevor diese Ballade im Dreiviertel-Takt - zudem mit viel 'Streicheleinheiten' - recht schwülstig interpretiert wird. Beth Hart hält sich - von einzelnen Passagen abgesehen - mit ihrem Gesang etwas zurück; die sporadischen Gitarrenklänge weisen jedoch unzweifelhaft auf ihren Urheber hin.
Zum Schluss wird nochmals "I'll Take Care Of You" dargeboten, dieses Mal in der 'Radio-Edit-Version'. Warum das sein muss, ist mir nicht erklärlich, da die Spielzeit der CD bislang schon immerhin über 50 Minuten war. Und das abschließende Gitarren-Solo von Joe Bonamassa (s.o.) fehlt hier einfach.
Auch wenn ich eingangs davon geschrieben habe, dass ein Cover-Album zwangsläufig den Vergleich zu den Originalen (oder auch früheren Cover-Versionen) herausfordert, habe ich vorliegend bewusst darauf verzichtet, derartige Vergleiche anzustellen bzw. zu beschreiben. Jeder Hörer wird - bewusst oder unbewusst - Vergleiche anstellen und entsprechend bewerten. Für mich sind die vorliegenden Songs - mögen sie auch nah am Original angelegt sein oder eine völlig abweichende Interpretation darstellen - für sich genommen einfach erstklassige Interpretationen, die für sich allein stehen. Und - nebenbei bemerkt - die keinen Vergleich zu scheuen brauchen!
Zum Schluss noch ein paar Formalien: Die CD erscheint in einer normalen Jewel-Box. Das Booklet enthält einige Anmerkungen zu den einzelnen Titeln, die üblichen Credits sowie einige Fotos, die die Verbundenheit zwischen den Protagonisten dokumentieren. Die Aufnahmen sind technisch einwandfrei und lassen keine Wünsche offen.
Wenn ich gezwungen wäre, die eingangs selbst gestellten Fragen zu beantworten, würde ich "Don't Explain" als Beth Hart-CD einstufen; zu sehr prägt sie mit ihrem Gesang die Songs. Auch wenn sie - im Booklet zitiert - mehrfach andeutet, dass sie die Stücke nicht interpretieren könnte - fishing for compliments - sie kann es - und wie! Aber auch wenn es eine Beth Hart-CD ist: Sie hat eine verdammt gute Begleitband gehabt!
Mögen Joe Bonamassa und Beth Hart zu gegebener Zeit wieder kooperieren; nichts kann ich mir sehnlicher wünschen. Aber bitte nicht in dieser schnellen Abfolge, die Joe bei seinen eigenen Produktionen derzeit walten lässt. Ich möchte noch möglichst lange die aktuelle Scheibe als etwas wirklich Besonderes wahrnehmen. Und deshalb - wohl wissend, dass ich mich weit aus dem Fenster lehne, gebe ich der Scheibe 10 RockTimes-Uhren! - Ein eindeutiger Tipp! Anspieltipp? Jeder einzelne Song! Und am Besten: die gesamte CD!
Line-up:
Beth Hart (vocals, piano)
Joe Bonamassa (guitar, vocals)
Anton Fig (drums)
Blondie Chaplin (guitar)
Arlan Scheirbaum (keyboards)
Carmine Rojas (bass)
The Bovaland Orchestra (Orchestra)
Tracklist
01:Sinner's Prayer [Original: Ray Charles/B.B.King] (4:28)
02:Chocolate Jesus [Original Tom Waits] (2:40)
03:Your Heart Is As Black As Night [Original: Melody Gardot] (5:00)
04:For My Friends [Original: Bill Withers] (4:11)
05:Don't Explain [Original: Billie Holiday] (4:34)
06:I'd Rather Go Blind [Original: Etta James] (8:06)
07:Something's Got A Hold On Me [Original: Etta James] (6:05)
08:I'll Take Care Of You [Original: Gil Scott-Heron] (5:13)
09:Well, Well [Original: Delaney & Bonnie] (3:42)
10:Ain't No Way [Original: Aretha Franklin] (6:47)
11:I'll Take Care Of You (Radio Edit) (3:19)
Externe Links: