Die Haut / Head On
Head On Spielzeit: 55:30
Medium: CD
Label: What's So Funny About..., 1992
Stil: Indie Rock


Review vom 01.08.2009


Joachim 'Joe' Brookes
Mit dieser Zeitreise geht es in den deutschen Underground.
Zwei Gitarristen, ein Bassist und Drummer... für den Gesang war keiner der Musiker zuständig. Wollte man nicht? Konnte man nicht?
Unerheblich, denn was die Combo Die Haut sehr wohl wollte, waren Kompositionen mit Vocals.
Also gab es ein vollbesetztes Karussell an Gastsängerinnen und –sängern, die alle nicht ohne sind.
Auf Alben der 1982 in Berlin gegründeten Band sind Leute wie Nick Cave, Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten), Arto Lindsay (The Lounge Lizards, Golden Palominos), Danielle de Picciotto (Space Cowboys), Luisa Bradshaw (Dreadful Shadows), Mick Harvey (The Birthday Party, Nick Cave & The Bad Seeds) und Paul Outlaw vertreten.
1992 erschien "Head On" mit der größten Anzahl an Sängerinnen und Sängern.
Mit dabei waren Kim Gordon (Sonic Youth),
Alan Vega, der Platten unter eigenem Namen veröffentlichte und bei der Gruppe Suicide war,
Jeffrey Lee Pierce (The Gun Club),
Cristina Martinez (Boss Hog),
Debbie Harry (Blondie),
Anita Lane (Nick Cave & The Bad Seeds),
Kid Congo Powers (The Cramps, The Gun Club, Nick Cave & The Bad Seeds),
Lydia Lunch (8 Eyed Spy, Teenage Jesus & The Jerks) sowie
Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten).
Eine illustre Schar an Leuten und der Name Nick Cave taucht doch recht häufig auf.
Die Haut wechselte ihr Line-up öfters.
Bassist Christoph Dreher, seines Zeichens seit 2000 Professor für audiovisuelle Medien in Stuttgart war das einzig beständige Mitglied der Formation.
Wer auf "Head On" irgendeine Soundunterstützung durch Tasteninstrumente erwartet, ist fehl am Platz. Zwei Gitarren bestimmen die tonale Gangart und die ist in den meisten Fällen eine der harten bis sehr harten Art.
Die unterschiedlichen Sangesgäste bringen verdammt viel Abwechslung ins eh schon rockige Treiben der Gruppe Die Haut.
Von Augenblicken des Industrial bis hin zu punkigen Nummern (mit Debbie Harry) hat die Combo vieles auf der Pfanne.
Bei allem Draufgängertum hat man sehr wohl auch an Erholungsphasen gedacht. Da wäre zunächst einmal der Track "Breaking In Your Daydream", mit Jeffrey Lee Pierce zu nennen. Längere sphärig experimentelle Phasen werden durch flottere Anteile abgelöst. Das gibt dem Track eine ungemein dynamische Dramatik.
Mit diesem Stilmittel überzieht man auch "Johnny Guitar", gesungen von Blixa Bargeld. Eine Ballade durch und durch. Mit kurzen Breaks, bei denen man meint, jetzt wird es gleich knallen, überrascht man den Hörer, wenn dem nicht so ist. Gitarren bedecken den Klangboden. Eine klasse Nummer.
Bargeld gibt es noch einmal, ganz zum Schluss im Duett mit Anita Lane. "How Long (Have We Known Each Other Now?)" ist abermals balladesk, allerdings mit einem Touch Psychedelic versehen. Toll!
Yeah, let it rock... ein weiteres Duo (Anita Lane/Kid Congo Powers) bekommt da ein ganz anderes musikalisches Outfit verpasst. Treibende Drums, druckvoller Bass und eine in den höchsten Höhen ziselierende E-Gitarre bringen die unablässig durchs Geschehen riffend schwirrende andere Gitarre auf den Boden der Tatsachen.
Powers wechselt die Partnerin. War es gerade "Excited", heißt es jetzt "Parts Unknown" mit Lydia Lunch. Diese Komopsition ist das Mittelstück der Duos. Christoph Drehers Bass kommt aus den Tiefen des Ozeans und die Sechssaiter sind damit beschäftigt, Wände zu bauen.
Für die Musik steht Die Haut. Bei den Texten hat man jeweils den Sängerinnen und Sängern freie Hand gelassen.
Die Lunch macht in "Vandal" derart einen auf sexy, dass sie fast die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Musik gibt es natürlich auch, aber erst im zweiten Durchgang kann man sich darauf konzentrieren.
Anders dann "Doggin'". Es geht lauter zu und man liefert doch glatt feine Twin-Guitars ab. Dieses Stück erklimmt, von der Basisstation aus, den Gipfel des Rock. Oben angekommen, gönnt man sich eine Ruhephase. Insgesamt verteufelt gutes Gitarren-Theater.
Gemessen an dieser Freak-Show sind die beiden ersten Nummern zwar starke Rocknummern, allerdings ohne die Widerhaken von "Doggin'". Kim Gordon ist schon ein Energiebolzen, die sich, wie es den Anschein hat, von der Musik kräftig hat mitreißen lassen. Nachvollziehbar.
Bei so toller Mucke würde mich interessieren, was Die Haut-Musiker jetzt so machen. Oder sollte es tatsächlich, wie in "Don't Fool With The Franchise" heißen: »Its all ya get…«
Line-up:
Jochen Arbeit (guitars)
Rainer Lingk (guitars)
Christoph Dreher (bass)
Thomas Wydler (drums)

With:
Kim Gordon (vocals - #1)
Alan Vega (voclas #2)
Cristina Martinez (vocals - #3)
Debbie Harry (vocals - #4)
Jeffrey Lee Pierce (vocals - #5)
Blixa Bargeld (vocals - #6,11)
Anita Lane (vocals - #7,11)
Kid Congo Powers (vocals - #7,8)
Lydia Lunch (vocals - #8,9,10)
Tracklist
01:Intoxication (3:47)
02:Don't Fool With The Franchise (5:56)
03:Burn Crying (3:16)
04:Don't Cross My Mind (4:18)
05:Breaking In Your Daydream (6:56)
06:Johnny Guitar (3:22)
07:Excited (4:40)
08:Parts Unknown (4:54)
09:Vandal (4:24)
10:Doggin' (7:23)
11:How Long (Have We Known Each Other Now?) (6:04)
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