Everette Harp / First Love
First Love Spielzeit: 66:36
Medium: CD
Label: Shanachie, 2009
Stil: Fusion Jazz

Review vom 24.11.2009


Wolfgang Giese
Harp erzählt in den Liner Notes im Booklet über seine ersten musikalischen Berührungen mit dem Jazz und erwähnt dabei zwei ihm wichtige Alben, "Soul Trane" von John Coltrane und Time Out von Dave Brubeck. Die beiden standen in der Jazzsammlung der Eltern und diese Musik war es, die ihm seine erste 'Liebesbeziehung' mit dem Jazz bescherte.
So kam es zum Titel dieser Platte: "First Love".
Shanachie Records hat Harp und dem Produzenten George Duke eine erlesene Auswahl Musiker zur Verfügung gestellt, allen voran den Produzenten selbst.
"The Council Of Nicea" - hier schon merkt man, dass absolute Profis am Werk sind. Das elegant federnde Schlagzeug von Terri Lyne Carrington, in Verbindung mit James Genus am Bass, der sich auch bereits durch seine Mitwirkung auf vielen anderen Alben einen guten Namen gemacht hat, bildet ein geschmeidiges Rhythmusgespann.
Harp selbst unterliegt nicht der Gefahr, mit seinem Spiel in lediglich gefälliges 'Smooth Jazz - Gesäusel' zu verfallen, er spielt mit Druck und Kraft und beweist, wie man ein Saxofon innerhalb der Beschränktheit des 'Fusion-Korsetts' spielen kann. Zusammen mit den anderen Bläsern zeigt er im Opener, wie man die Themen gemeinsam interessant gestalten kann. Darüber legt Mark Stephens mit sicherer Hand seine Pianotupfer, hier am Rhodes. Auf den anderen Aufnahmen ist es dann vornehmend George Duke, der die Aufgabe des Keyboarders gewohnt souverän löst.
Mit sanftem Groove entführt uns "Before You Leave" nach kurzer Einleitung in cool swingende Bereiche des Hard Bop, und wieder ist es Carrington, die auch hier scheinbar locker aus dem Handgelenk die Musik voranpreschen lässt. Wirklich, eine hervorragende Schlagzeugerin, das sei an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben!
Das zweite Solo nach Harp bestreitet nun der mir eher unbekannte Gitarrist Dwight Sills mit flüssigem Spiel, bevor Duke am Rhodes und der Bassist Genus mit ihren Soli das Stück langsam 'nach Hause bringen'.
"Soul Fries", der Titel lässt es erahnen, es wird gegroovt, mit Wah Wah und einem Wurlitzer-Piano-Sound, wie man ihn oft bei den Crusaders hörte, auch hier funkt es ähnlich, und darüber hinaus erkennt man die klare Handschrift Dukes - schließlich stammt dieser Titel auch von ihm.
Und wieder ist das kein ermüdender Smooth Jazz, sondern elegant packende Töne mit interessantem und hochwertigem Anspruch in 'gepflegtem Ambiente'.
Aber auch feine Balladen hören wir. Zuerst mit "Blossom", und später noch einmal auf "Central Park West", der für mich interessantesten 'Herausforderung', stammt letzterer Titel doch von John Coltrane. Doch bevor ich mir das Original noch einmal intensiv zum Vergleich angehört habe, ließ ich die vorliegende Version erst einmal wirken.
Ein sehr zurückhaltender Harp, der nach einer in tiefen Tönen gespielten Einleitung dann ein zartes und gefühlvolles Solo vorlegt, bei dem er leicht an Ben Webster erinnert, untermalt von einfühlsam begleitendem Pianospiel Dukes - der hier einen Brückenschlag wagt und von einem jener Stücke, die Coltrane und Duke Ellington einst zusammen einspielten, nämlich "In A Sentimental Mood", das Klavierthema zitiert - und ausmalend unterstützender Rhythmusgruppe. Genus darf dann auch ein kurzes Basssolo einstreuen … Doch - eine wirklich wunderschöne Jazzballade, die perfekt ist, doch nicht berechnend und kalt in Sinne von perfekt, sondern mit vollem Gefühlseinsatz. Man spürt die Wärme, die 'Zusammengehörigkeit' und das Engagement.
Nun der Vergleich: 1960 aufgenommen, im Gegensatz zum Tenor der aktuellen Version spielt Coltrane das Stück auf dem Sophran. Und bei Coltranes Version laufen mir gänsehautmäßige Schauer über den Rücken. 'Nobody plays Coltrane like Coltrane', das ist und bleibt so für mich. Harp kann diese Intensität nicht toppen und hat gut daran getan, das Stück auf das Tenorsaxofon umzumünzen, bekommt es dadurch doch einen anderen Charakter.
Weiterhin stehen als Musiker dem aktuellen Quartett noch solche Leute wie McCoy Tyner, Steve Davis und Elvin Jones entgegen. Keine Frage - ich kenne nun den entscheidenden Unterschied, aber Harp und seine Band legen dennoch eine schöne Version vor. Ist es bei Coltrane eine tiefe expressionistische Spiritualität, die die Musik ausstrahlt, wirkt das Cover eher expressionistisch und zugewandter.
So, weiter im Text.
Was zunächst als reine Fusion-Platte erschien, entpuppt sich letztlich als eine gesunde Mischung verschiedener Stile mit wirklich frischem Ausdruck, nichts ist muffig oder wirkt altbacken bzw. angestaubt. Es ist ein zeitgemäßes Album entstanden, das allerdings in erster Linie schon Fusion-Fans erfreuen sollte. Für puristische Jazzer ist das nichts, für Jazz-Rocker ist es zu seicht, eine gelungene Gratwanderung im Grenzbereich von Funk, Fusion, Jazz Rock und Jazz. Auch Anklänge an die Musik von Les McCann kann ich hören, alles in allem Musik mit Anspruch.
Für Freunde solistischer Höhepunkte wird es wenig Nahrung geben, doch für alle, die an guter Musik interessiert sind, dabei Wert auf hochwertige Arrangements legen und Spielwitz sowie Spielfreude gepaart mit Können schätzen, ein feines Album!
Line-up:
Everette Harp (tenor sax, soprano sax, alto sax)
George Duke (Rhodes, piano, Wurlitzer electric piano)
James Genus (upright bass, electric bass)
Terri Lyne Carrington (drums)
Dwight Sills (guitars)
Lenny Castro (percussion)
Mark Stephens (piano - #4, Rhodes - #1)
Michael "Patches" Stewart (trumpet - # 1, 3, 6)
Reggie Young (trombone - #1, 3, 6)
Tracklist
01:The Council Of Nicea [Harp, Stephens] (6:12)
02:Before You Leave [Harp] (7:22)
03:Soul Fries [Duke] (5:26)
04:Blossom [Stephens] (7:25)
05:First Love [Duke, Harp] (6:28)
06:Texas Groove [Duke, Harp] (7:25)
07:Goin' Through Changes [Harp] (6:58)
08:Central Park West [Coltrane] (6:09)
09:Departure [Duke, Harp] (8:32)
10:Our Love Is Here To Stay [Gershwin, Gershwin] (4:32)
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