Haken / Aquarius
Aquarius Spielzeit: 72:49
Medium: CD
Label: SENSORY, 2010
Stil: Prog Rock

Review vom 21.04.2010


Wolfgang Giese
Tja, was hängt da wohl am 'Haken'?
Laut Cover hat da ein finsterer Bursche eine Meerjungfrau - gefangen, entführt oder gerettet? Vielleicht gibt uns eine nähere Betrachtungsweise Auskunft darüber....
Die Band stammt aus London und wurde 2007 gegründet. Im Pressetext wird eine Empfehlung dieser Platte ausgesprochen für alle Fans von Bands wie Dream Theater, Genesis, IQ, Queen und Emerson, Lake & Palmer.
Hiernach verschmilzt die Band Metal und Progressive Rock, unter Einbeziehung von Einflüssen einiger zeitgenössischen Gruppen wie Dream Theater und IQ, sowie von solchen 'Old School'-Bands wie Genesis und Queen. Man kann also gespannt sein, und ich bin es auch, wenn ich im Line-up lese, dass einiges an Blasinstrumenten genannt ist. Diese Platte ist ihr Debüt.
Ja, was ist denn das?
Schon nach kurzer Spielzeit muss ich staunen über die verschiedenen Stilelemente, die hier gnadenlos verschachtelt ineinander fließen. Zirkusmusik trifft auf 'Grunz-Metal', vertrackte Wechsel in bester Prog-Manier mit hohem Anteil von Theatralik neben ruhigen, fließenden Passagen, insbesondere bei dem Titel "Sun" bieten die Elemente ein Wechselbad der Gefühle.
Aufgenommen in den Niederlanden, wurde die Musik von Eroc in dessen Studio, der 'Mastering Ranch', gemastert (Kenner dürften nun wissen, dass sie ein guter Sound erwartet!).
Bombastischer Prog-Rock-Beginn und dann klingt es wie auf dem Jahrmarkt, ein Sound etwa wie diese großen niederländischen Orgeln ihn auf Strassen ertönen lassen, aber das war nur ein Intermezzo, gleich geht es bombastisch weiter. Ein wenig hat das auch etwas von einem Soundtrack eines Fantasyfilms, der uns plötzlich in eine neue Szene führt, wenn zartes Piano und Gesang den Auftakt brechen, gar lyrische und zarte Töne. Dramatisch wird hier der "Point Of No Return" besungen (»A child is born tonight, and love has come to life«).
Und - um es gleich vorweg zu nehmen, Haken nimmt uns mit auf eine Reise, die uns bombastische, romantische, elegische, pathetische, lyrische, dramatische Elemente bietet, druckvoll vorgestellt, mit einem Sound, der manchmal kurz vor dem Platzen steht. Und immer wieder Wechsel - das ist im Grunde genommen ein Hauptmerkmal dieser musikalischen Mischung aus Prog Rock, aus Metal, aus Rock Jazz, aus Art Rock. Mittendrin ein Rhythmuswechsel, die Melodie löst sich auf, es swingt plötzlich zu Pianoklängen, etwas Vibrafon oder Marimbafon, Frank Zappa läßt auch gelegentlich grüssen!
Dann holt uns das knallende Schlagzeug wieder auf den Boden, wabernde Keyboardsounds entführen uns in entrückte Welten, wohin heben wir ab? Auch, wenn es in diese Richtung geht, assoziere ich Pink Floyd, aber auch Asia, Deep Purple, Led Zeppelin und andere. Ganz viele Einflüsse sammeln sich in diesem Piranhabecken, die Band schien nach allem zu schnappen, was ihnen zwischen die Zähne kam.
Und - das ist für mich das Fantastische, es wirkt wie aus einem Guss, die Arrangements sind so perfekt, als seien hier 'alte Hasen' am Werk, absolut professionell aus meiner Sicht! Es wird einfach nicht langweilig, erst ab Track fünf stellen sich erste 'Wiederholungserscheinungen' ein. Für ein Debütalbum eine erstaunliche Leistung.
Nun noch etwas mehr Profil, und die Band könnte sich dauerhaft etablieren. Aus diesem umtriebigen Mix, der übrigens ab und zu auch noch durch typischen Growl-Gesang, also Abteilung 'Grunz-Metal', unterbrochen wird, sollte sich durchaus eine stimmige Farce entwickeln können, ein unverwechselbarer Sound, an dem jedoch noch mehr gefeilt werden müsste.
Auffällig, dass der Sänger nicht die Leistung bringt, die diese Unverwechselbarkeit darstellen könnte. Denn ein Sänger ist nun mal ein 'Frontmann', ein 'Aushängeschild' für eine Band. Hier fehlt mir bei dem grundsätzlich untadeligen Ross Jennings noch das entsprechende Profil.
Entweder er ist stark in den Hintergrund gemischt, oder er klingt zu sehr wie 'X oder Y'. Manchmal vernehme ich Anklänge an Jon Anderson, dann wieder 'grunzt' er, kurz darauf wirkt er sehr zart und lieblich, dehnt die Töne mitunter sehr stark, um wieder Bestandteil der Melodie zu werden. Seine Stimme wird zum Instrument, nur einmal habe ich das Gefühl, dass sie 'gestaltend' wirkt, nämlich bei "Aquarium". Hier zeigt Jennings das Profil, von dem ich sprach. Dabei nimmt er 'das Heft in die Hand' und gibt der Band ein Gesicht. In diesem Sinne, auch gern härter, sollte es weiter gehen.
Interessant und eine absolut starke Passage findet sich im zweiten Titel, wenn sich plötzlich eine Kirchenorgel erhebt und sich der grunzende Gesang dazugesellt. Der Teufel taucht quasi in der Kirche auf. Faszinierend, wie sich plötzlich herrliche Gitarrenklänge perlend dazumengen und der Rhythmus dazu fast 'tanzt'. Und schon geht es weiter mit einer anderen Richtung. Nun gut, bei den langen Titeln ist auch gut Raum dafür.
Grundsätzlich ist es doch so, dass im Genre Prog Rock hinsichtlich der Instrumentierung der Schwerpunkt auf Keyboards und Gitarren liegt, und das diese in der Regel auch ausgedehnte Soloausflüge unternehmen. Auffällig ist hier, dass der Sound grundsätzlich erst einmal sehr 'dicht' ist, und das genannte Instrumente eher einen breiten Klangteppich entfalten als dass die mit länger dauernden solistischen Höchstleistungen imponieren, Soli sind immer wieder kurz eingestreut. Mich stört es nicht, dieser kollektive Sound deutet darauf hin, dass sich hier offensichtlich niemand in den Vordergrund drängen wollte. Möglicherweise steckte auch Absicht dahinter.
Fazit: Ein imposantes Unternehmen, ein grandios-schillerndes Vergnügen, meine Gratulation zu diesem fantastischen Debüt!
Line-up:
Richard Henshall (guitar, keyboards)
Diego Tejeida (keyboards)
Thomas MacLean (bass)
Charles Griffiths (guitars)
Ross Jennings (vocals)
Raymond Hearne (drums, tuba, djembe, ocean drum)
Marged Hall (harp)
Dave Ruff (flute)
Pablo Inda Garcia (clarinet)
Darren Moore (trumpet)
Alex Bowell (trumpet)
Jon Roskilly (trombone)
Craig Beattie (trombone)
Tracklist
01:The Point Of No Return(11:26)
02:Streams(10:14)
03:Aquarium(10:39)
04:Eternal Rain(6:42)
05:Drowning In The Flood(9:28)
06:Sun(7:19)
07:Celestial Elixir(16:56)
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