Hattler / 24.10.2008, Wilhelmshaven, Pumpwerk
Psychedelische Clubsounds
Pumpwerk
Hattler
Pumpwerk Wilhelmshaven
24. Oktober 2008
Konzertbericht
Stil: Jazz Rock


Artikel vom 01.11.2008


Wolfgang Giese
»Psychedelische Clubsounds« - darauf wurde der Inhalt des Konzerts von der örtlichen Presse ganz einfach reduziert. Etwas daneben, wie ich meine.
Anlässlich meiner Eindrücke fielen mir da spontan und nach dem Konzert ganz andere Dinge ein. Hellmut - quo vadis?
Zu viel Vielfalt?
Das schließt letztlich ein, dass mein Gesamteindruck von einer Menge Abwechslung geprägt war.
Zunächst überwiegt meine positive Einschätzung, das Konzert hat mir weitestgehend gefallen, doch ganz ohne Kritik kann ich auch nicht verbleiben.
Gar schändlich war es zunächst, dass noch nicht einmal 100 Zuschauer/innen den Weg in das auch etwa 600 Personen fassende altehrwürdige Gemäuer fanden.
War es das nieselige Wetter?
Lag es am Fernsehprogramm?
Lag es am Eintrittspreis von 20,80 €?
Oder woran nur sonst?
Nun ja, für mich ein altbekanntes Bild. Hattler - wer is'n das? Sicher auch eine vielgestellte Frage in dieser relativ 'kulturlosen' Region...
Nicht alle kennen den Bassisten noch aus seiner Krautrock-Zeit bei Kraan oder haben seinen weiteren Werdegang verfolgt.
'Vorteil' des wohl sich schon in den Vorverkaufszahlen ankündigenden 'Zuschauerdebakels' war dann wohl, dass überall im Bühnenvorfeld Tischchen mit flackernden Leuchtmitteln und Salzgebäck aufgestellt waren und ältere Semester nicht rückenschädigend stehend die lange Zeit verbringen mussten. Und das fiel auf - nicht viele junge Musikliebhaber hatten sich eingefunden.
Aber - hätte nicht genau diese Zielgruppe bei erwarteten Clubsounds aufschlagen müssen?
Oder sind Clubsounds mittlerweile doch etwas für Ältere, die sich angesichts der Hektik der Zeit und der damit vielleicht verbundenen Musik, wohltuend und elegant fingerschnippend den sanften Grooves wiegend hingeben???
Gleichwohl - sanfte Grooves waren es sicher nicht, psychedelische Elemente waren wohl vorhanden, und wenn es mindestens durch die vom Gitarristen Torsten de Winkel verwendete E-Sitar war. Es funkte, rockte und ganz kurz einmal swingte es eher, als dass besinnliche Töne angeschlagen wurden.
Eigentlich war das zum großen Teil schon fast Popmusik, in Anlehnung an jene tanzbaren Grooves, wie sie von Bands und Künstlern wie Jamiroquai oder Incognito geboten werden.
Darum Anknüpfung an eine vorherige Frage: Helmut - quo vadis?
Soll das eine zukünftige Richtung sein? Ist das eine musikalische Zukunft?
Oder soll es lieber dorthin gehen, wo es mich dann am meisten packte, nämlich als de Winkel eine seltsam gestaltete, akustisch-elektrische Gitarre mit angedeutetem Korpus hervorholte und filigran bis aggressiv und stets einfallsreich und virtuos zu einem Gitarrenintermezzo anhob?
Nach einem sich langsam steigernden Solo gesellten sich dann Helmut Hattler am Bass und Oli Rubow am Schlagzeug hinzu und gemeinsam begab man sich auf die musikalische Reise. Suchend wurden dann Weiten erforscht, die letztlich in einer Gemeinsamkeit endeten, die einen Funken entzündeten, der ein Tor zu neuen Dimensionen aufstieß. Es wurden die Grenzen der sonst oft eingeengten Musik aufgehoben, hier entwickelte sich eine Spontaneität, die das ganze zum Jazz werden ließ, und das kam mir leider zu selten vor.
Bevor es zu diesem - aus meiner Sicht - Höhepunkt kam, war ich nicht unbedingt unzufrieden, denn es wurde mit hoher Qualität gehörig gefunkt und gegroovt. Rubow (the organic electro drummer) am Schlagzeug bildete mit Hattler zusammen ein einwandfreies Fundament. Obwohl Rubow der federnde Groove eines Drummers à la Cobham & Co. zwar fehlte, kamen seine Fillings durchaus beachtlich und präzise.
Zu seinen weiteren Aufgaben zählte es, Gesampeltes und Keyboardklänge in die Stücke einzubringen und sie zu verzieren, mal stückdienlich, manchmal aber - aus meiner Sicht - zu viel des Guten(?).
Die farbige Sängerin Fola Dada tat ihr Übriges dazu, die Songs in den Bereich des Soul zu transportieren, und das mit einem - zumindest anfänglich gezeigten - Tonumfang von tiefen Lagen (teilweise auch mit dreckig-frechem Ausdruck) bis zu, allerdings begrenzten, hohen Tönen.
Und immer, wenn es dann doch etwas bieder wurde, war es de Winkel, der das i-Tüpfelchen setzte und zeigte, dass man aus Soul auch Jazzrock machen kann. Er brachte mit ungewöhnlichen Sounds und brillanten Einwürfen das ein, was der Musik die notwendige Würze brachte. Mein 'Star des Abends'!
In diesem ersten Teil war es auch ein arabisch klingendes Lied ("Salaud"), das für mich der Hit des Abends war, ein eingängiger Titel, der durchaus Chartsambitionen erahnen ließ.
Leider, und das ist eine meiner kritischen Anmerkungen, kam es im letzten Teil des Konzertes zu einigen Wiederholungen. Die Nummern ließen ein gewisses Profil vermissen und die Musik neigte sich einer Gleichförmigkeit entgegen, was sich auch sehr stark im nun gar nicht mehr so wandlungsfähigen Gesang Dadas ausdrückte.
Ein kleiner Ausflug in die Welt des Techno lockerte zwar etwas auf, war aber wohl nicht jedermanns/fraus Sache, obwohl in dieser stampfenden Gleichförmigkeit es erneut de Winkel war, der für mich das Stück rettete.
Auffällig war, dass Hattler als Bandleader relativ wenig gefeatured wurde. Dabei überzeugten seine kurzen solistischen Basseinwürfe durchaus, bearbeitete er diesen jedenfalls nicht unbedingt basstypisch sondern manchmal gar, als hätte er eine Gitarre zur Hand.
Weiterhin auffällig (in positivem Sinne) war, dass es zwischen ihm und de Winkel gelegentlich zu magischen Momenten kam, wo die Beiden eine traumwandlerische Einheit vorlegten, die in mir den Wunsch erweckte, sie möchten doch bitte gemeinsam in eine Richtung gehen, die sich mehr von zu sehr strukturierter Musik löst.
Vielleicht einmal ein Trio, bestehend aus de Winkel / Hattler und Billy Cobham? Das stelle ich mir sehr interessant vor! Dazu dann noch ein Sax und Keyboards und es sollte feuriger Jazzrock entstehen - mit dem Hauch des Besonderen...
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