Hion Martell / Will Cure Any Disease
Will Cure Any Disease Spielzeit: 38:40
Medium: CD
Label: Viskningaroch Vral, 2010
Stil: Rock, Boogie

Review vom 23.01.2011


Steve Braun
Aus Schweden ist schon so manche positive Überraschung über die Ostsee geschwappt. Als letztes waren dies für mich Hellsingland Underground und Abramis Brama. "Will Cure Any Disease" von Hion Martell kann zwar nicht ganz an die beiden vorgenannten Kracher anschließen, aber ist trotzdem als wirklich erfreulich zu bezeichnen.
Bereits 1993 haben die fünf Schweden ihr erstes Album veröffentlicht und in unregelmäßigen Zeitabständen kamen fünf Studio-Scheiben zusammen, zuletzt das 2005er "Scarilla". Als Independent-Band mit zwar großem Herzen aber schmalen Budget kann man nun einmal keine großen Sprünge machen. Dank des Internets und der zahlreichen, erfolgreichen Mailorder können die Fünf, die mit ihrem Stil bei kaum einem Major-Label eine Chance hätten, auch weiterhin ihrer Musik frönen.
Wobei diese neue Vertriebsform gleichzeitig Segen wie Fluch zu sein scheint. Hoffnungsvolle Talente können jetzt entdeckt und gefördert werden, wenn auch ohne den Hype des großen Geldes. Allerdings kann auch jeder Hansel sein 'Lebenswerk' produzieren - die einem Tsumami gleichende Flut von mittelmäßigen Veröffentlichungen brandet auch bei RockTimes vernichtend in den Briefkasten. Manchmal wünscht sich so mancher Redakteur wieder eine gewisse Anwendung der Darwin'schen Gesetze in der Musikwelt. Aber auf Hion Martell trifft dieser ernüchternde Exkurs ganz gewiss nicht zu.
Wenn ich eingangs auf Hellsingland Underground abgezielt habe, so mache ich den einzigen Schwachpunkt Hion Martells am Gesang fest. Ich persönlich mag - wenn ich Southern Blues'n'Boogie höre - diese berüchtigten 'versoffenen' Kehlen. Von purem Whiskey müssen sie gegerbt sein - erst dann klingt's so richtig authentisch. Christer Nilsson macht seine Sache gewiss recht gut, aber ein wenig mehr Dreck'n'Speck hätte es für meinen Geschmack schon sein können. "Beer Drinking Music" muss eben so klingen, als ob der Shouter eine Fettleber hätte. Bandleader Christer Nilsson klingt da für meinen Geschmack etwas zu brav.
Aber lassen wir das Quengeln, das geschieht ohnehin auf recht ansprechendem Niveau. Hion Martell machen Musik, die dem Südosten der USA entsprungen sein könnte. Ein klein wenig Southern Rock, ganz viel knarziger Boogie, ein Spritzer Blues Rock und ein paar leicht schnulzige Balladen - sowas geht richtig gut ins Blut... und immer wieder perlen ein paar kurze Double Lead-Läufe und verbreiten Southern-Feeling.
Am besten klingen Hion Martell, wenn sie wie in dem Mörder-Boogie "Fed Up" knackig-kompakt agieren. Das ist ein Ohrwurm, der sich nicht nur wegen der eingängigen Twin-Läufe der Gitarren sofort in die Gehörgänge wühlt... oder wie bei "Wasting Time", das den Hörer mit einem Georgia Satellites-Riff die Vollbedienung gibt. "(Dont Cry) Mary Anne" ist so etwas, was man gerne als 'Killer-Ballade' bezeichnet. Hier klingen Tanja Hedlunds Co-Vocals einfach nur bezaubernd und auch Christer Nilsson genehmigt sich etwas 'Leine'.
Bei "Long Distance Love" werden allerdings all die schnulzigen Klischees bedient, die man sich beim Lesen des Titels vorgestellt hat. Allerdings reißt hier Kristoffer Engs flirrende Hammond noch einiges aus dem Feuer. "Any Disease" nimmt das Vocal-Intro des Openers "Perfect Remedy" auf. Dieser knüppelharte Abrocker mit drei Background-Miezen lässt nun wirklich keine Gefangenen zurück. "Brand New Day" erinnert mich in seiner glatten Art an die Hooters - da ist der rüpelhafte Boogie "Don't Mess" schon eine ganz andere Hausnummer...
"7 Devils" erinnert in seiner ungeschliffenen Derbheit stark an die eingangs erwähnten Abramis Brama, nur dass die eben auf schwedisch singen und mit Ulf Torkelsson einen restlos überzeugenden Sänger haben. "B.D.M." hat nichts mit dem 'Bund deutscher Mädel' zu tun - schon eher mit dem Gegenteil: "Beer Drinking Music". Christer Nilssons Vocals klingen zwar etwas 'gequält', aber das kann dieser Goodtime-Music, die spontan zum Öffnen einer entsprechenden Flasche einläd, nun wirklich nicht den Zahn ziehen.
Alles in allem ist Hion Martell mit "Will Cure Any Disease" ein gelungenes Album rausgerutscht. Spaßmucke, die vor allem wenn der Boogie ungestüm tobt umgehend für gute Laune sorgt, auch wenn knapp vierzig Minuten nicht die 'Welt' sind. Antesten!
Line-up:
Christer Nilsson (lead vocals, guitar)
Ulf Hagberg (guitar, backing vocals, lead vocals - #8,10))
Peter Subäck (keyboards)
Stefan Larsson (bass)
Hakan Nilsson (drums, backing vocals)
Gäste:
Kristofer Eng (bass, Hammond organ, backing vocals - #6)
Joachim Nilsson (guitar, keyboards - #2,12)
Kenneth Forsel (guitar - #6)
Tanja Hedlund (backing vocals - #5,6,7,11,12)
Charlie Granberg (backing vocals - #6,7,11,12)
Lillemor Gustafsson (backing vocals - #6,7,12)
Eva von Hofsten, Sofia Klingfors (backing vocals - #6,11)
Tracklist
01:Perfect Remedy
02:Built As A Boxer
03:Fed Up
04:Wasting Time
05:(Dont Cry) Mary Anne
06:Long Distance Love
07:Any Disease
08:Brand New Day
09:Don't Mess
10:In The Meadows
11:7 Devils
12:B.D.M (Beer Drinking Music)
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