Sophie Hunger / 19.11.2010, Cultureel Podium Roepaen, Ottersum (NL)
Cultureel Podium Roepaen Sophie Hunger
Cultureel Podium Roepaen, Ottersum (NL)
19. November 2010
Stil: Singer/Songwriter
Konzertbericht


Artikel vom 25.11.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Sophie HungerDie 1983 in Bern geborenen Sophie Hunger verbrachte ihre Kindheit auch in London und Bonn. Sie hatte Klavierunterricht und hörte Vaters Jazz- sowie Punk-Platten. 2006 veröffentlichte sie ihr erstes, im Wohnzimmer aufgenommenes Album namens "Sketches On Sea" und 2009 folgte der kometenartige Durchbruch mit "Monday's Ghost". Im Frühjahr 2010 war dann "1983" auf dem Markt.
Sophie Hunger komponiert ebenfalls für Theater und Film. So schrieb sie die Musik zu Micha Lewinskys Film "Der Freund" und spielte dort eine Nebenrolle. In ihrer noch jungen Karriere trat sie bereits beim legendären Montreux Jazz Festival auf.
Sophie Hunger20:30 Uhr: Zu diesem Zeitpunkt sollte das Sophie Hunger-Konzert im Nightclub beginnen. Nichts passierte. Die Bühne war vollgepackt mit Instrumenten. Nur beim Schlagzeug fehlten die Becken. Was fehlte war auch der Drummer. Das Schicksal hatte seine Finger gewaltig im Spiel. Wegen eines Brandes in der Zentrale des Utrechter Bahnhofs ging nichts mehr. Alberto Malo, der übrigens das erste Mal live mit Hunger spielte, saß fest. Er wurde mit dem Auto in Utrecht abgeholt und als Malo, noch im Mantel, endlich die Bühne betrat, um sein Arbeitsgerät zu vervollständigen, gab es schon einmal einen Sonderapplaus. Um 21:15 Uhr war dann Showtime.
Hunger begann das Konzert ohne eine Begrüßung und mit einem in Schwyzerdütsch gesungenen Lied. Alleine schon diese a cappella-Eröffnung konnte einem die Gänsehaut wachsen lassen. Dennoch war ihr Name kein Garant dafür, dass das Publikum mit überschwänglichem Beifall reagierte. Hunger und Band mussten sich die Lorbeeren erst erspielen. Vom Tourmanager bekam ich ins Ohr geflüstert, dass Fotos nur während des dritten und vierten Songs erlaubt waren. Akzeptiert. Einen Kommentar dazu erspare ich mir. Während des Gigs wechselte die Schweizerin häufig ihren Arbeitsplatz. Für das folgende "Leave Me With The Monkeys" setzte sie sich ans Piano und ergreifend waren die 'uhs' und 'ahs' des Männerchores. Die Stimmen passten perfekt zusammen.
Sophie HungerWährend des Auftritts gab es immer wieder Situationen, in denen Hunger alleine im Spotlight saß oder stand. Was allerdings dann das Versteckspiel der Herren sollte, bleibt wohl das Geheimnis der Person, die sich so etwas überlegt hat. Der gefühlvoll zupfende Bassist Simon Gerber und der bereits erwähnte Drummer Malo versteckten sich hinter dem Verstärker beziehungsweise Schlagzeug. Prader und Flury gingen in die Hocke. Eine solche Bühnenregie wirkte auf mich eher befremdlich. Nur selten verließen Prader und Flury dafür die Bühne.
Zumeist sang Hunger mit geschlossenen Augen. Sie wirkte sehr vertieft in ihre Kompositionen. Wenn sie die Augen öffnete, ging der Blick in die Unendlichkeit. Selbst nach den eröffnenden Tracks hörte man weder ein 'Danke schön' noch 'thank you'. Aber dennoch konnte man ein Lächeln als Anerkennung für den stärker werdenden Beifall werten. Ihre erste und dann auch fast letzte Ansage machte sie, als es um einen Song in französischer Sprache ging. Sie meinte, dass der Mann am Mischpult (ein Niederländer) Deutsch verstehe und zum näheren Verständnis übersetzte sie wichtige Passagen ins Schwyzerdütsch. Leider konnte ich daraus keine sinnigen Zusammenhänge herleiten. Nichtsdestotrotz: Die Nummer war klasse. Ihre gesungenen Gefühle waren wie ein zartes Kerzenlicht oder loderten wie ein Feuer. Hunger sang, schrie und flüsterte.
Sophie HungerMichael Flury leistete echt Schwerstarbeit. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn und was er mit seiner Posaune, ob mit oder ohne Dämpfer an Sounds kreierte, war ein ungemeiner Genuss. Manchmal verschwand fast das ganz Mikrofon im Schallbecher des Blechblasinstruments. Wenn Prader die hölzerne Querflöte spielte gab es auch zusammen mit der Posaune herrliche Zwillingstöne. Flury hatte nicht nur einmal eine sehr jazzige Intonation.
Ein E-Gitarren-Festival gab es öfters, wenn Hunger ihre Fender Squire Vintage Modified Telecaster schulterte. So zum Beispiel beim Titelsong ihrer aktuellen Platte "1983". Hiermit begann der rockige Teil des Gigs. Indie Rock? Okay, wenn dieses Genre zutraf, dann war es speziell. Hunger-Rock fiel mir dabei ein. Besonders, weil Flury mit seiner Posaune immer wieder für tolle musikalische Momente sorgte. Prader sowie Hunger waren mit Riffs richtig spendabel. Die Stimmung auf der Bühne war aufgewühlt und "Your Personal Religion" hatte man einen ganz besonderen Groove injiziert. Malo hatte die Jazzbesen aktiviert.
Selbst mit seinem Glockenspiel konnte Flury punkten. Mit einem Schlegel in der rechten Hand und das Mikrofon unmittelbar an den Metallstäben sorgte er auch mit diesem kleinen Instrument für verträumte Würze in den Songs. Mit choralem Männergesang sowie ausgesprochen langem Piano-Solo war "Rise And Fall" ein Ausflug in die Klassik und die Andacht des Auftritts. Hervorragend!
Sophie HungerIn vier Songs, verteilt auf zwei Zugaben, wurde nochmals die gesamte Bandbreite der intensiven Musik einer Sophie Hunger zusammengefasst. "Walzer für Niemand" ... 'Niemand' ist jeder und jeder ist 'Niemand'. Die Protagonistin am Piano, Prader mit einem feinen Solo auf der akustischen Gitarre und, wie konnte es anders sein: Flury am Glockenspiel und an der Posaune. Ganz zum Schluss wurde nochmals deftig gerockt und für das Konzert gab es verdientermaßen zum zweiten Mal Standing Ovations.
Dieser Live-Auftritt von Sophie Hunger war intensiv, vielschichtig, nachdenklich, herausfordernd und beeindruckend. Das war schon eine ganze Menge wunderschöner Genuss und sie verfügte über eine ausgesprochen gute Band.
Wir bedanken uns bei Chris Tangelder vom Cultureel Podium Roepaen für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Sophie Hunger (piano, e-piano, acoustic guitar, electric guitar, harmonica, vocals)
Christian Prader (flute, electric guitar, acoustic guitar, piano, backing vocals)
Michael Flury (trombone, glockenspiel, backing vocals)
Simon Gerber (bass, backing vocals)
Alberto Malo (drums, percussion)
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