Jody Grind / Far Canal
Far Canal Spielzeit: 43:55
Medium: CD
Label: Line, 1988 (Original: Metronome 1970)
Stil: Rock


Review vom 04.12.2008


Manni Hüther
Was für eine ungerechterweise fast unbekannte, jedoch wirklich tolle Rock-Scheibe! Eine von der Sorte, die man auch nach Jahrzehnten immer wieder gerne auflegt. So was ist üblicherweise ein Klassiker, aber dazu fehlt der Platte halt ein gewisser Bekanntsheitsgrad. Dafür kann man sie als Kultplatte bezeichnen.
Ungerecht deshalb, weil die Musik mit jeglicher Konkurrenz aus jener Zeit locker mithalten kann. Wie nannte man diesen Stil damals? Underground...
Gegründet wurde Jody Grind im November 1968 vom Keyboarder Tim Hinkley, der Bandname stammt von der gleichnamigen Platte des Jazz-Pianisten Horace Silver. Zeitweise arbeitete die Band als Support von Elkie Brooks. Das erste Album, "One Step On", wurde mit Barry Wilson, Ivan Zagni und Louis Cennamo eingespielt und war ziemlich jazzlastig.
Kommerzieller Erfolg blieb jedoch aus und Hinkley suchte und fand mit dem Gitarristen Bernie Holland und dem Drummer Pete Gavin zwei Musiker, die den runderneuerten und wesentlich rockigeren Sound auf dem 1970 veröffentlichten Longplayer "Far Canal" perfekt umsetzen konnten.
Die Songs des Albums sind nicht so statisch, wie es häufig bei der Konkurrenz der Fall war, sondern zeugen von kompositorischer Klasse gepaart mit dem Mut zur Abwechslung; die Sequenzierung der Titel verleiht der Platte zusätzlichen Reiz.
Schöne, melodische akustische Gitarren eröffnen "We've Had It", die einsetzende Orgel, die Drums, auch der Gesang und die später drübergemischte Stromgitarre machen diesen Song all-time tauglich. Das war 1970 äußerst geschmacksvoll und bleibt es für alle Zeiten.
Dann geht es schon eine Ecke härter weiter, "Bath Sister" überzeugt mit seinen eleganten Hooks auf ganzer Linie, während sich "Jump Bed Jed" mit seinen über sieben Minuten als Gitarrenorgie par excellence vorstellt. "O Paradiso" - wieder gitarrengetrieben, gefällt mit seinem Drumsolo, das knackig und kurz genug ist, nicht einer Langeweile anheim zu fallen. Was nach diesem Solo an explodierender Spielfreude mit heftigen Hammondklängen aus den Boxen kommt, lässt den Rockfan staunend und Daumen hebend zurück.
Der Livetrack "Plastic Shit", mitgeschnitten im Roundhouse, hat neben seiner umweltpolitisch kritischen Aussage irgendwie Parallelen zu manchen Tracks auf "James Gang Live In Concert", Joe Walsh lässt grüßen! Hard'n'heavy, schweißtreibender Rock...
Auf eine Produktion der 'Vor-"Yes Album"-Ära' hätte das schöne, wenn auch recht kurze "Vegetable Oblivion" immer gepasst. "Red Worms & Lice" ist dann wieder ein von einer satten Hammond-Linie befeuertes Gitarrenkunstwerk, an dem man sich nicht satt hören kann. Einzig "Ballad For Bridget" erinnert mit seinen Jazz-Anleihen und dem bestimmenden Piano noch entfernt an den Sound des Vorgängeralbums und lässt diese spannende Rockplatte eher sanft ausklingen, zeigt aber auch die stilübergreifende Reife der Musiker.
Unbegreiflicherweise war auch diesem Album - das keinerlei Schwächen aufweist - kein kommerzieller Erfolg vergönnt und als Folge davon löste sich die Band auf. Nie kommt hier der Wunsch zum Weiterzappen auf und die Platte gehört eigentlich in jeden Haushalt, dessen Bewohner richtige Rock-Fans sind. Der hochkarätigen Musik wäre es zu wünschen, dann könnte sie endlich dem Status des Kults entkommen und würde von allen als das angesehen, was das Werk tatsächlich ist: Ein Klassiker der Rockgeschichte!
Die mir vorliegende CD von Line aus 1988 klingt insgesamt wirklich gut und nie nach dem dünnen Blechsound aus den Anfangszeiten dieses Mediums. Meine originale Metronome-LP kann da klanglich nicht mithalten. Es gibt allerdings keine Bonustracks wie man sie auf der neueren CD-Ausgabe von Akarma findet. Mittlerweile gibt es auch eine limitierte Auflage in 24-Bit Remastering im Mini-LP Sleeve von Strange Day Records. Egal, welche man erwirbt, es ist auf alle Fälle eine richtige Entscheidung!
Tim Hinkley ist übrigens immer noch aktiv und hat nach der Auflösung von Jody Grind etliche Sessions bei berühmten Kollegen bereichert und ist somit ein waschechter 'Musician's Musician'.
Tracklist
01:We've Had It (5:08)
02:Bath Sister (3:29)
03:Jump Bed Jed (7:14)
04:O Paradiso (7:32)
05:Plastic Shit (7:19)
06:Vegetable Oblivion (2:11)
07:Red Worms & Lice (7:23)
08:Ballad For Bridget (6:56)
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