Joy Division / Closer (Collector's Edition)
Closer (Collector's Edition) Spielzeit: 44:28 (CD 1), 51:43 (CD 2)
Medium: CD
Label: London Records/Factory Records, 2007 (1980)
Stil: Post-Punk


Review vom 19.10.2007


Joachim 'Joe' Brookes
Nach der Veröffentlichung von Unknown Pleasures war man on the road in England und Schottland. Die Konzerte wurden von deutlich mehr Menschen besucht.
Terry Mason wurde Joy Divisions Tour-Manager und war auch für den Live-Sound der Band zuständig.
Martin Hannett war als Produzent immer noch an deren Seite und man nahm als Single "Transmission" auf, die hervorragende Reviews erhielt, aber wegen mangelnder Promotion durch das Factory-Label in den Startlöchern stecken blieb.
Im Sommer 1979 spielte die Band im Londoner Electric Ballroom vor 1.200 Besuchern. Die größte Zuschauerzahl bei einem Joy Division-Konzert.
Im September des Jahres gab es den ersten und letzten Fernsehauftritt des Quartetts. Man spielte die beiden Songs "Transmission" und "She's Lost Control".
Im Oktober und November wurde mit den Buzzcocks getourt.
Mittlerweile befand sich die Belgierin Annik Honoré im Dunstkreis der Band und insbesondere von Ian Curtis. Ihr ist es wohl zu verdanken, dass Joy Division einen Auftritt im Brüsseler Plan K hatten.
Ende November lud John Peel die Band zur zweiten Session ein und der Mitschnitt wurde Mitte Dezember in seiner Show gesendet.
Im Januar 1980 war man in den Niederlanden, Belgien und Deutschland unterwegs.
Wenn man so will, wurde Annik Honoré für Curtis zu einem persönlichen Störfaktor, denn die Beziehung zu ihr begann an seiner Ehe mit Deborah zu nagen.
Im März wurde in den Londoner Britannia Row Studios die zweite Joy Division-Platte mit dem Titel "Closer", abermals produziert von Hannett, eingespielt.
Bereits vor der Veröffentlichung gab es Lobgesänge der Kritiker für das Album.
Eine Amerika-Tour stand zur Planung an und es gab Gespräche mit Warner Brother als neue Plattenfirma.
In London spielte man 4 Konzerte in drei Tagen. Ian Curtis erlitt auf der Bühne einen epileptischen Anfall und kurz danach nahm er eine Überdosis Drogen: Ein Hilfeschrei, denn alles um ihn herum wuchs dem jungen Mann über den Kopf. Er wollte mit der Musik aufhören.
Geplante Tourtermine wurden abgesagt und am 18.05.1980, zwei Tage bevor man nach Amerika aufbrechen wollte, beging Ian Curtis in Macclesfield Selbstmord.
Nun aber zum zweiten Joy Division-Album "Closer". Los geht es mit dem, bereits auf "Unknown Pleasures (Collector's Edition)" live gehörten "Atrocity Exhibition". Curtis hatte seine Bandmates vorher schon auf die deutschen Gruppen Kraftwerk und Can aufmerksam gemacht. Stephen Morris adaptiert das typische Can-Drumming und Bernard Sumners Gitarre sägt durch die Lautsprecher. Die Live-Version vom Manchester-Konzert am 13.07.1979 kann mit der Intensität, bezogen auf das Schlagzeug, der Studio-Version, nicht mithalten. Hier darf man der Studiotechnik zugute halten, dass der Drum-Sound perfekt klingt.
Hoppla, was ist das denn nun!
Joy Division als Synthie-Band? Hookys Bass tuckert, Morris' Drums klingen wie mit Synthie-Drums gespielt und Curtis singt unnachahmlich. Der Track hat noch nicht gehörte Melodien und könnte glatt zum Tanzen animieren. Das ist eine echte Überraschung und steht in völligem Kontrast zum bisher auf "Unknown Pleasures" Gehörtem.
"Passover" ist fast schon ein Schleicher, der mit hintergründiger Sumner-Gitarre schon einen echten Groove an den Tag legt.
Lässt es Joy Division ruhiger angehen?
Nein, denn "Colony" kracht wieder in bester JD-Manier. Bernard Sumner spielt eine furiose Gitarre und Peter Hook lässt die Bassmembran des Speakers ordentlich schwingen. Dazu liefert Stephen Morris wieder einen vertrackten Can-Rhythmus.
"A Means To An End" geht ganz geschmeidig ins Ohr, weil Sumner und Hook für Curtis' Gesang Melodie schaffende Maßnahmen ergreifen.
Geschickt, wie man den Song beendet, weil das Aufnahmeband einfach immer langsamer abgespielt wird.
Klasse, was Morris an Variationen auf dem Schlagzeug bietet. "Heart And Soul" hat eine sehr intime dichte Atmosphäre. Die dezenten Syntheziser-Sounds atmen, Curtis singt prächtig und macht auch vor den höheren Lagen keinen Halt.
Mit einem tollen Drive kommt "Twenty Four Hours" daher. Es gibt einen herrlich verträumten Mittelpart und dieser Track ist ein Beispiel dafür, wie ein Song von der auf- und abschwellenden Dynamik lebt.
Längere Tracks, auf dem Debüt die Ausnahme, sind jetzt die Regel.
"The Eternal" hat ganz große Klasse! Eine Joy Division-Ballade, bei der Curtis sehnsüchtiger Gesang durch einen herrlichen Syntheziser-Teppich verstärkt wird. Diese Musik aktiviert das Kopfkino ganz extrem. Selbst Piano-Klänge sind zu hören, wenn der Sänger siniert. Wunderbar!
Wow, welch ein Abschluss für "Closer". Joy Division erklimmen den Mount Everest, wobei andere Bands mit Mühe einen Maulwurfhügel rauf kommen. "Decades" ist ein Überflieger. Nichts Heftiges, nicht Aufwühlendes. Einfach nur minimalistisch brillant gemachte Musik.
"Closer" ist ein Genuss, welchem Genre man diese Musik auch zuordnen möchte und setzt einer kurzen heftigen Zeit des gemeinsamen Musizierens von vier jungen Männern ein Denkmal für die Ewigkeit.
Die Bonus-CD beinhaltet ein Konzert vom 8.02.1980 in London und zeigt die Band in ihrem bekannt rauen Charme auf der Bühne.
Da muss nun nicht jedes einzelne Lied mit Worten zerlegt werden.
Doch, ein Track muss erwähnt werden: "Love Will Tear Us Apart". Während der zweiten Peel-Session gespielt, war der Song vielleicht Ian Curtis lyrische Übersetzung seiner riesigen Probleme, die bereits weiter oben im Zusammenhang mit Annik Honoré erwähnt wurden.
Wenn nicht von Joy Division, dürfte der Song durch Paul Young bekannt geworden sein.
Dem gesamten "Closer (Collector's Edition)"-Werk kann, auch wegen des 22-seitigen Booklet mit retrospektiven Statements der drei Joy Division-Mitglieder, nur die volle RockTimes-Uhrensammlung gerecht werden.
Line-up:
Ian Curtis (vocals, guitar)
Peter Hook (bass, vocals)
Bernard Sumner (guitar, syntheziser)
Stephen Morris (drums)
Tracklist
CD 1 (Original Album):
01:Atrocity Exhibition (6:07)
02:Isolation (2:53)
03:Passover (4:46)
04:Colony (3:55)
05:A Means To An End (4:09)
06:Heart And Soul (5:51)
07:Twenty Four Hours (4:26)
08:The Eternal (6:07)
09:Decades (6:11)
CD 2 (University Of London City - Live 08.02.1980):
01:Dead Souls (4:58)
02:Glass (3:42)
03:A Means To An End (4:00)
04:Twenty Four Hours (4:05)
05:Passover (4:53)
06:Insight (4:01)
07:Colony (4:04)
08:These Days (4:17)
09:Love Will Tear Us Apart (3:13)
10:Isolation (4:41)
11:The Eternal (6:30)
12:Digital (3:14)
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