Christine Kittrell / Call Her Name
The Complete Recordings 1951-1965
Call Her Name, The Complete Recordings 1951-1965 Spielzeit: 87:19
Medium: CD
Label: Bear Family Records, 2010 (1951-1965)
Stil: Blues/Rhythm & Blues
          

Review vom 16.03.2010


Wolfgang Giese
Da glaubt man, schon alle wichtigen Rhythm & Blues-Shouterinnen zu kennen, solche wie Big Maybelle, Etta James, Ruth Brown oder Big Mama Thornton, doch dann wird man, wiederum von 'Bear Family Records', eines Besseren belehrt, und da wird mal eben so Christine Kittrell 'aus dem Ärmel geschüttelt'!
Die Dame wurde am 11.8.1929 in Nashville, Tennessee, geboren und starb am 19.12.2001. Ihre ersten Plattenaufnahmen stammen aus dem Jahr 1951. Diese, wie immer vorbildlich ausgestattete, Kompilation umfasst die Jahre 1951-1965, und enthält eine Sammlung vieler Titel für verschiedene Plattenlabel, nämlich 31 Aufnahmen für 'Tennessee', 'Republic', 'Champion', 'Vee Jay' und 'Federal', sowie unter Pseudonym für 'Hit/Spar' (unter den Namen Peggy Thompson (Hit) und Carol Hadley (Spar)).
Seinerzeit zählte Kittrell zu den gefragtesten Nachtclubsängerinnen in Nashville und arbeitete zusammen mit solchen Größen wie Fats Domino, Memphis Slim, Johnny Otis, Count Basie, Joe Turner und Little Walter.
Kleine 'Schmankerl' für Kenner und Fans sind zwei Nummern, auf denen sehr prominente Musiker mit im Studio waren: Auf "Gotta Stop Loving You" (Dezember 1952 / Januar 1953) ist es
John Coltrane am Altsaxofon, und auf "Call His Name", aufgenommen 1954, ist es Little Richard am Piano.
Hierzu sind die Angaben jedoch leicht unterschiedlich, sie stammen teilweise aus dem Booklet. Nach den Daten der Aufnahmesessions und anderen Quellen zufolge, war Little Richard dreimal beteiligt, nach Quellen aus einer 'Sessionography' von Coltrane ergibt sich, dass dieser Tenorsaxofon spielte. Wie dem auch sei - wie sich der Besetzungsliste entnehmen lässt, haben noch weitere gute Musiker zum Gelingen der Aufnahmen beigetragen!
Das ist hauptsächlich kraftvoll interpretierter Rhythm & Blues mit sehr viel Ausdruck, Gefühl und Stil.
1967 war es, dass die Künstlerin bei einem Auftritt für die amerikanischen Truppen in Vietnam verletzt wurde, und davon Spätfolgen zurückblieben, von denen sich Kittrell nicht mehr so recht erholte. Offiziell zog sie sich 1969 aus dem Business zurück, um sich als Sozialarbeiterin zu engagieren. Anlässlich dieser Tätigkeit kam es zu einem Zwischenfall mit einer hysterischen jungen Frau, die dazu führte, dass Kittrell eine eiserne Feuerleiter hinabstürzte und sich schwere Rückenverletzungen zuzog. Ab 1975 war sie als Schwerbehinderte anerkannt und musste fortan mit starken Schmerzmitteln auskommen. Nun nahm sie auch wieder Musik auf, die letzten Aufnahmen sollen aus 1998 stammen. Bear Family plant bereits eine weitere CD.
"Call His Name" - ein furioser Auftakt - zunächst glaubt man, einen alten Titel von Elmore James zu hören, bis die Richtung dann eindeutig in swingend-shuffelnden Rhythm & Blues der 50er übergeht. Echt stark, das ist dieses Feeling des Blues, wie ich es liebe. Der Drummer treibt, aber immer swingend, das Saxofon honkt, die Gitarre ist im Hintergrund immer in Aktion, und Christine singt mit kraftvoller Stimme. Voller Inbrunst verbreitet sie glaubhaft ihre Botschaft. Einfach klasse!
Und abermals ein Dank an Richard Weize und seine 'Bärenfamilie' für die Ausgrabung dieser fantastischen Aufnahmen.
"Leave My Man Alone", ein schleppender Rhythmus mit solch einem starken Ausdruck … für mich 'Gänsehautmomente', wenn die Protagonistin mit dem intensiven Gefühl und Ausdruck einer Bessie Smith oder einer Ma Rainey shoutet, dazu dieses kraftvolle Element von Big Maybelle. Aber unterschwellig klingt sogar die Zartheit und Verletzlichkeit der Stimme einer Billie Holiday durch. Sehr ergreifend sind die Vorträge der Sängerin. Sogar einen Tick 'mädchenhaft' klingt sie bisweilen, so auf "Don't Do It". Doch meistens regieren die kraftvollen Momente,
Dabei werden alle Register der damals gängigen Formate der Musik gezogen, Anleihen an den Chicago Blues, an die Musik aus Kansas City, an gefühlvollen, langsamen Blues mit dem gewissen Hauch eines Memphis Slim ("Sittin' Here Drinking"), auch lateinamerikanische Elemente mit reichlich Perkussion … ach - wie klickert und klackert es hier - z.B. auf "You Ain't Nothin' But Trouble", finden sich. Und dann immer wieder diese satten Bläserarrangements zu erdigem Blues. Hervorragend die Section auf "Slave To Love".(ja, Jahre bevor Grace Jones dieses besang, wurde es hier bereits vorweg genommen).Tief triefend voller Blues auch das Solo auf diesem Titel, der Saxer Louis Brooks dürfte es sein. Auf "Gotta Stop Loving You" dann das Gesangsduo mit dem nicht minder ausdrucksstarken Gay Crosse und im Bläsersatz findet sich John Coltrane.
Mit dem "L & N Special" geht es flotter und rockiger zu, das sind eben die Vorläufer des Rock'n'Roll, und Christine ringt sich gesanglich auch zu dem einen oder anderen 'Kiekser' durch. Stark, das ist genau die Musik, wie sie durch Musiker wie Big Joe Turner bekannt wurde. Und wieder dieses cool honkende Saxofon mit dem kratzig-rauchigen Sound, das geht richtig ab, genau so wie auf dem abrockenden "Lord Have Mercy (I'm So Lonely)" mit hämmernden Piano, das soll laut Besetzungsangabe der gute alte Little Richard sein.
Überwiegend sind es jedoch viele ruhige Stücke, die dem Blues einen Tick näher stehen als dem damals gängigen R & B. Faszinierend für mich auch die meist 'dreckig' gespielte E-Gitarre im Stile eines Willie Johnson, der damals in den 50ern für den Sound von Howlin' Wolf verantwortlich zeichnete, hier sind es unterschiedliche Musiker.
Aber auch alte Formen, wie die Musik aus den 'Barrelhouses' aus New Orleans höre ich klingen, wenn sich der Rhythmus wie wild auf "Black Cat Crossed My Trail" vorwärts bewegt, hier könnte durchaus Champion Jack Dupree die 88 Tasten bedient haben.
Die Songs aus dem Jahr 1962 klingen dann schon etwas moderner, hier wird mehr Wert auf die Bläserarrangements gelegt, das sind die Titel für VeeJay, mit der Band, die seinerzeit auch mit Jimmy Reed spielte, ein Chor ist auf diesen Tracks auch eingefügt (The Dells, die leichten 'Doo Wop-Charakter' mit einbringen).
Die beiden letzten Songs (1965) bergen bereits Spuren der noch folgenden Soulwelle. Es groovt und funkt bereits, das klingt schon nach 'Motown' und 'Stax" auf der Neufassung von "Call His Name", so dass die Platte mit dem Titel endet, mit dem sie begann. Lassen wir Christine das Schlusswort:
»Some people say 'Christine Kittrell the blues singer', I say 'Christine Kittrell the versatile singer'. I like jazz, I like blues, I love to do the old ballads and standards. But I won't sing a song I can't feel.«
Line-up:
Christine Kittrell (vocal)
Louis Brooks (tenor sax)
Tommy McGee (alto sax)
Lovell Phillips (piano)
Ollie Brown (bass)
Billy Sherrill (drums)
Gay Crosse (vocal, tenor sax)
Tommy Turrentine (trumpet)
John Coltrane (alto sax)
Stash O'Laughlin (piano)
Alvin Jackson (bass)
Oliver Jackson (drums)
Charles Wright (drums)
Clifford McCray (bass)
Kid King (drums)
Milton Batttiste (trumpet)
Nat Perrilliat (tenor sax)
Skippy Brooks (piano)
Paul 'Guitar Red' Johnson (guitar)
Charles Connor (drums)
Lee 'Wilbert Smith' Diamond (tenor sax)
Richard 'Little Richard' Penniman (piano, vocal chorus)
Thomas Hartwell (guitar)
Lee Diamond (vocal chorus)
Little Walter (guitar)
Jimmy Beck (alto sax)
Melvin Jackson (trumpet)
Shakey Wilson (tenor sax)
Wilson Jenkins (piano)
Johnny Jones (guitar)
Willlie Mitchell (drums)
Red Holloway (tenor sax)
Lucius Washington (tenor sax)
McKinley Easton (baritone sax)
Harlan Floyd (trombone)
Lefty Bates (guitar)
Horace Palm (piano)
Quinn Wilson (bass)
Al Duncan (drums)
The Dells (vocal chorus)
Kelton D.'Kelso' Herston (guitar)
James Lawrence 'Jimmy' Wilkerson (bass)
William Paul 'Willie' Ackerman (drums)
William Whitney 'Bill' Pursell (piano, organ)
Tracklist
01:Call His Name (2:24)
02:Leave My Man Alone (3:12)
03:Don't Do It (3:28)
04:Old Man You're Slipping (2:53)
05:Sittin' Here Drinking (3:29)
06: Ain't Nothin' But A Fool (1:58)
07:Heartache Blues (2:58)
08:You Ain't Nothin' But Trouble (2:10)
09:Slave To Love (3:09)
10:Gotta Stop Loving You (3:07)
11:I'll Help You Baby (3:24)
12:L & N Special (2:31)
13:Every Night In The Week (3:13)
14:Evil-Eyed Woman (2:37)
15:The Price You Pay For Love (3:18)
16:Snake In The Grass (4:31)
17:Snake In The Grass (2:45)
18:Lord Have Mercy (I'm So Lonely) (2:59)
19:Sittin' Here Drinking Again (3:31)
20:Black Cat Crossed My Trail (2:27)
21:If You Ain't Sure (2:35)
22:I'm Just What You're Looking For (2:14)
23:I Thank Him (2:20) 24:Mr. Big Wheel (2:03)

25:Sittin' And Drinkin' (2:50)
26:I'm A Woman (2:33)
27:It's Nobody's Fault (1:48)
28:Next Door To The Blues (1:43)
29:Love Letters (Straight From My Heart) (2:29)
30:Ain't Never Seen So Much Rain Before (2:43)
31:Call His Name (2:46)
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