Chris Kramer / Unterwegs zur Sonne
Unterwegs zur Sonne Spielzeit: 58:20
Medium: CD
Label: Blow Till Midnight Records/Musikverlag, 2013
Stil: Blues

Review vom 05.11.2013


Joachim 'Joe' Brookes
Im Opener und Titelsong von "Unterwegs zur Sonne" singt der Bluesmusiker aus dem Ruhrgebiet unter anderem:
»[...] Meine Leidenschaft, die bringt mich
überall hin und zurück. [...]«
Seine Begeisterung für den 12-Takter bringt ihn mit vorliegendem Album definitiv auch wieder zum begeisterten Hörer. Der brillante Harpspieler und Sänger belegt mit seinen tollen Texten, wie sehr er die Belange des täglichen Lebens im Visier hat und diese durchaus auch mit einem Augenzwinkern, den Schalk auf der Schulter, in aussagekräftige Worte umsetzen kann. Selbst aus einer Situation wie "Ich sitz' hier im Stau auf der Autobahn" ist ein klasse akustisches Lied geworden.
Bis auf wenige Tonspuren wurden die Kompositionen in den Arnsberger Megaphon Studios eingespielt. Insider wissen, dass dahinter Klang-Guru Martin Meinschäfer (unter anderem
The Almost Three, Phillip Boa And The Voodoo Club, Henrik Freischlader) steckt. Er war hier für den Mix sowie das Mastering zuständig. Produziert hat das Album Chris Kramer persönlich.
In der zentralen Gitarren-Poleposition zieht Dennis Hormes seine fantastischen Saitenkreise und bezogen auf die Rhythmusabteilung sind es Bassist Martin Engelien sowie Charly T. (Schlagzeug). Bo Hearts wunderschöne Tastenbeiträge werden in zwei Nummern von Chuck Leavell übernommen und schließlich gibt es auch noch Einsätze von Mel Gaynor (Simple Minds), Benni Bilgeri beziehungsweise Jen Filser.
Gleich zu Beginn des Albums sind schon alle Triebwerke der "Unterwegs zur Sonne"-Rakete auf Volllast eingestellt. Chris Kramer & Co. rocken sich mit viel Energie durch die Erdatmosphäre und es ist der Protagonist, der mit seinem kleinen Instrument eine erste Duftmarke setzt. Chris Kramer und die Mundharmonika sind ein Paar wie Pinsel und Farbe. Die Kunst liegt im Können, die empfundenen Emotionen in berauschender Weise auf die Leinwand beziehungsweise das Tonband/die Festplatte zu bannen. Dafür hat der Künstler den Meisterbrief schon lange in der Tasche.
Das Herz des "Gangster Blues" pumpt puren Groove der entspannten Art in die Adern des Zwölftakters und schon beim ersten Hören wird man von Chuck Leavells Orgel-/Wurlitzer-Tätigkeiten überwältigt sein. Dennis Hormes serviert einen tollen Wah Wah-Sound und mit "So weit das Auge reicht" verbreitet man zu Beginn durch eine super Gitarreneinleitung Juke Joint-Flair. Schließlich wird abermals prächtig gerockt. Klasse! Fast schon lyrisch wird es dann in "Isil Calad". Das Schlagzeug hat Pause und bei dieser instrumentalen Ballade verfeinert Max Klaas mit seinen Handtrommeln die verträumte Szenerie.
Zusammen mit Jens Filser wird "Ich gab' dir meine Liebe (und du gabst mir den Blues)" zu einer tollen Duo-Angelegenheit. Mit Dobro, akustischer Gitarre sowie Chris Kramers Reibeisenstimme gilt es hier eine mächtige Portion 12-Takter-Feeling zu bewundern. Hammer! Mit einem hinlangenden Rock'n'Roller darf tatsächlich, allerdings nicht nur hier, auch bei einem prächtigen Chuck Leavell-Pianosolo das Tanzbein geschwungen werden. Mit seinem galoppierenden Rhythmus ist man beim Country-Kracher namens "Erst hatt' ich kein Glück (dann kam auch noch Pech dazu)" mittendrin im Thema Fußball. Der Ruhrpottslang-Anteil ist gehörig wenn es rund um die »Kirsche« geht und feinste Wortspielereien nehmen die Sportart auf die leichte Schulter.
Karibische Stimmungen lässt man in "Weitergehen" mit Reggae und Calypso hoch leben und wie es Chris Kramer beim Klever Konzert andeutete, ist die wunderschöne Ballade "Bis wir uns wiedersehen" die Danksagung an sein Publikum:
»[...] Und was uns jetzt verbindet
das wird nicht vergehen.
Ich nehm das jetzt mit
Und trag's in meinem Herzen. [...].«
So wird es einem definitiv auch bei dieser Platte gehen. Da perlen Bo Hearts Pianoläufe wie Tränen des Abschieds aus den Lautsprechern und Dennis Hormes steht bei seinem fulminanten Soloausflug eher auf ein kräftiges Adieu.
Wenn der aus Marl stammende Künstler in "Wind in unseren Segeln" singt:
»[...] Es ist alles verplant
jede Minute organisiert
Lass uns mal flüchten so wie früher. [...]«
dann darf man die vorliegende Platte als einen willkommenen Fluchtpunkt ansehen.
Chris Kramer beweist mit "Unterwegs zur Sonne" wieder einmal auf beeindruckende Weise, wie gut deutsche Texte und der Blues zusammenpassen. Musikalisch lässt dieses Album keine Fragen offen und mit einer hervorragenden Mannschaft macht er zwar nicht in neunzig Minuten, aber einer knappen Stunde beste Werbung für das Genre. Chapeau!
Line-up:
Chris Kramer (vocals, harmonica, Dobro - #3,4, baritone slide guitar - #6, electric slide guitar - #9, banjo - #11,12)
Dennis Hormes (electric guitar - #1,2,5,6,8,11,13, acoustic guitar - #2,4,10-12, banjo - #9)
Benni Bilgeri (electric guitar - #3)
Jens Filser (acoustic guitar - #7)
Bo Heart (organ - #1,3-6,11,13, piano - #3-5,11-13, backing vocals - #1,3,5,6,11,13)
Chuck Leavell (organ - #2, Wurlitzer - #2, piano - #8)
Martin Engelien (bass - #1-3,5,6,8,9,11,13, upright bass - #4,10,12)
Charly T. (drums - #1,3,5,6,8,9,11,13, words - #10)
Mel Gaynor (drums - #2)
Max Klaas (percussion - #1,2,4,12)
Sabine Melina Balmberger (words - #10)
Anna-Lisa Balmberger (words - #10)
Tracklist
01:Unterwegs zur Sonne (4:22)
02:Gangster Blues (3:41)
03:So weit das Auge reicht (4:26)
04:Isil Calad (4:23)
05:Freier Fall (4:16)
06:Könige der Sonne (2:48)
07:Ich gab dir meine Liebe [und du gabst mir den Blues] (5:28)
08:Lass und tanzen gehen (3:04)
09:Erst hatt' ich kein Glück [dann kam auch noch Pech dazu] (3:49)
10:Ich sitz' hier im Stau auf der Autobahn (3:27)
11:Weitergehen (5:19)
12:Wind in unseren Segeln (4:25)
13:Bis wir uns wiedersehen (8:48)
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