Kansas / There's Know Place Like Home
There's Know Place Like Home Spielzeit: 112 Minuten
Medium: DVD
Technische Daten:
Ton-Format: Dolby Digital 2.0 Stereo), Dolby Digital 5.1, DTS 5.1
Bildseitenformat: PAL
Sprache: Englisch
Region: Alle Regionen
Label: Inside Out, 2009
Stil: Symphonic Rock


Review vom 01.11.2009

Boris Theobald
Unfassbar, was sie 'auf ihre alten Tage' nochmal aufs Parkett zaubern... anlässlich des 35-jährigen Bandjubiläums haben Kansas im Februar 2009 in ihrer Heimat Topeka dieses Konzert gespielt und mitgeschnitten, im Konzertsaal der Washburn University - mit Orchester und mit zwei ganz speziellen Gästen. Passend zum Anlass haben sich Steve Walsh, Rich Williams, Billy Greer, Phil Ehart und David Ragsdale - seit ein paar Jahren für den wohl endgültig ausgestiegenen Ur-Geiger Robby Steinhardt wieder in der Band - sogar besonders herausgeputzt. Man hat sich fein gemacht - Violinist Ragsdale ist in ein piekfeines 'Pinguin'-Leibchen geschlüpft; und Steve Walsh, ansonsten nicht gerade der Inbegriff für Mode und Stil, trägt Glitzer-Schlips und Manschettenknöpfe.
Das musikalische Ereignis wird dem optischen Eindruck mehr als gerecht. Schon die Setlist ist eine Meisterleistung... wenn man das so sagen darf. In nur einer Stunde und 45 Minuten gelingt ein Streifzug durch 35 Jahre und so viele verschiedene Etappen der Band: Klassiker der Rockgeschichte, epische Longtracks und sogar Stücke aus straighten Hard Rock-Tagen der 80er Jahre. Als kleiner, aber feiner Appetitmacher dient "Howling At The Moon", bevor man mit "Belexes" die dynamisch-'wilden', komplex arrangierten frühen Tage zelebriert. Hier gibt es auch schon einen Vorgeschmack auf die technischen Kostbarkeiten der Instrumentalisten, die faszinierenden Solo-Duelle und unermüdlichen Parallelläufe, die aus einer Zeit stammen, als Dream Theater & Co. noch bestenfalls Blockflöte im Kindergarten gespielt haben.
Den Veteranen der Rockgeschichte merkt man an diesem Konzertabend an, dass sie immer noch an sich arbeiten und ihr Publikum stets aufs Neue begeistern wollen. Man verfolge nur mal die knifflig-detaillierte Rhythmusarbeit von Drummer Phil Ehart, der gern variiert und immer neue Akzente setzt. Oder die Impulse, die David Ragsdale den Songs mitgibt, die er ja größtenteils nicht mitgeschrieben hat, aber nach seiner Kansas-Zeit in den 90ern inzwischen seit 2006 erneut mit interpretieren darf. Und das tut er mit Liebe zum Detail - er spielt in ruhigen Momenten schon mal pizzicato mit - und draufgängerischer, technisch gar ein Stück präziser als Kult-Vorgänger Steinhardt, den man gern vermissen würde, aber nicht so richtig kann. Der Funke springt über - die begeisterten Fans, vornehmlich solche im Alter der Hauptdarsteller auf Bühne, zieht es in dem typischerweise voll bestuhlten Saal immer wieder wie an der Schnur gezogen aus ihren Sitzen.
Auch Steve Walsh, der früher den Ruf genoss, einer der besten Rocksänger überhaupt zu sein, trägt seinen Teil dazu bei. Wenige Wochen vor seinem 58. Wiegenfest singt er sich regelrecht die Seele aus dem Leib. Songs wie "Nobody's Home" oder "Miracles Out Of Nowhere", die bei anderen kitschig klingen würden, macht er mit seiner Mark durchdringenden Stimme zum Großereignis. Mit Basser Billy Greer steht ihm zudem einer der besten Background-Sänger der Rock-Welt zur Seite - jawohl, so weit lehne ich mich sicheren Gefühls aus dem Fenster. Greer übernimmt auch die Steinhardt'schen Leadpassagen (u.a. im ergreifenden Zauberwerk "Cheyenne Anthem"). Und a cappella klingen er, Walsh und Ragsdale einfach traumhaft - beispielsweise zu Beginn des leidenschaftlich-nachdenklichen "On The Other Side" - eine von so vielen Überraschungen dieses Abends.
Umgesetzt werden diese in einem authentischen Ton, der eine Portion Original-Hall aus dem Konzertsaal mit verewigt, was dem 'Mittendrin'-Gefühl sehr zuträglich ist. Um so schöner sind die starken Momente des Orchesters. Schon 1998 hatten Kansas auf "Always Never The Same" ihre Songs mit Orchester verpackt - die damaligen Studioversionen sind aber nicht zu vergleichen mit diesen lebendigen und beseelten Sinfoniker-Klängen aus Topeka. Nicht nur sanfte Streicherteppiche werden hier behutsam ausgebreitet. Das Orchester spielt beim "Song For America" auch monumentale Passagen im Alleingang, veredelt die eigentlichen Keyboard-Parts von "Icarus - Borne On The Wings Of Steel" oder verleiht mancher Hookline des 'ersten Geigers' David Ragsdale eine bombastische Stimmkraft. Auch optisch ist nicht nur das Konzert selbst eine Wonne - ein Spiel aus zig farbintensiven Lichtkegeln unterstreicht die magischen Kansas-Atmosphären. Auch die DVD-Umsetzung kann sich sehen lassen mit aufmerksamen Kamerabewegungen, die brillant ineinander geblendet werden. Zu Hauf gibt es Bilder, die es wert sind, eingerahmt zu werden, so zum Beispiel der Blick über die Schulter des Cellisten auf dessen Partitur, und da steht "Kerry Livgren - Song For America"...
... und jener Komponist und Schöpfer zahlloser Kansas-Meisterwerke, der erscheint auch als besonderer Gast auf der Bühne. Für den warmherzigen Empfang bedankt er sich mit einem Lächeln, das verrät, wie viel Freude ihm dieser besondere Abend mit seinen alten Weggefährten bereitet. Livgren ist Gast-Gitarrist bei "Hold On", der Ballade, die nie schöner Klang als hier mit Orchester, und die ihr Songwriter mit einem Solo auf fünf Minuten verlängert. Bei "The Wall" sitzt er später an einer Orgel. Ein zweites ehemaliges Mitglied der Kansas-Familie gibt sich die Ehre: Steve Morse. Nicht nur die spirituell angehauchten "Ghosts" (Walshs Gesang ist zum Dahinschmelzen schön!) und "Rainmaker" aus gemeinsamen End-80er-Jahren werden samt Morse'schen Virtuositäten aufgeführt - auch die Instrumentalnummer "Musicatto" vom "Power"-Album. Alleine auf das Auftauchen dieses Juwels hätte niemand einen Pfifferling gesetzt - und es stammt auch noch aus einer Zeit, in der Kansas ganz ohne Geige funktionierten. Und nun frickeln Morse und Ragsdale um die Wette mit einem ganzen Orchester im Rücken - sensationell gut.
Zum großen Finale hin stehen die Stargäste sogar gleichzeitig auf der Bühne. Bei dem mit echten Streichern geschmückten "Dust In The Wind" spielen Williams und Livgren die Akustikgitarre, Ragsdale und Morse (!) E-Violine. Abschließend wird "Carry On Wayward Son" zur amtlichen Kansas-On-Stage-Party. Ragsdale ist dieses Mal neben Williams an der Gitarre zu hören; die dritte verzerrte spielt Kerry Livgren, und das mit sehr launigen Lead-Einlagen. Es ist ein denkwürdiger Abend für Kansas, und - wer hätte das für möglich gehalten - tatsächlich noch einmal ein echtes Highlight der Bandgeschichte. Wer weiß, wie viele es davon noch geben wird. Mit besonderer Wehmut wird mancher Fan die Show betrachten, weil Kerry Livgren einige Wochen danach einen Schlaganfall erlitten hat. Hoffentlich wird er wieder ganz der Alte.
Übrigens... wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Ein drolliger Fauxpas fällt zu Beginn von "Ghosts" auf; da läuft das Bild kurz rückwärts. 'Zeitlose' Musik, eben. Als Bonus hält die DVD noch eine siebeneinhalb-Minuten-Version von "Down The Road" vor, genial und quietschvergnügt dahingejammt beim Soundcheck. Es wäre müßig, all zu viele Worte über die Qualität der Kansas'schen Kompositionen und deren Bedeutung für die Rockgeschichte und speziell alles so genannte 'Progressive' hervorzuheben. Nur so viel: "There's Know Place Like Home" ist lebendige Geschichte, sehr lebendige Geschichte. Kansas live in Topeka ist 'Symphonic Rock', fürwahr.
Line-up:
Steve Walsh (vocals, keyboard)
Billy Greer (bass, vocals)
David Ragsdale (violin)
Phil Ehart (drums)
Richard Williams (guitar)

Guest musicians:
Kerry Livgren (guitar)
Steve Morse (guitar, violin)
Tracklist
01:Howling At The Moon
02:Belexes
03:Point Of Know Return
04:Song For America
05:On The Other Side
06:Musicatto
07:Ghosts/ Rainmaker
08:Nobody's Home
09:Hold On
10:Cheyenne Anthem
11:Icarus II
12:Icarus: Borne On The Wings Of Steel
13:Miracles Out Of Nowhere
14:The Wall
15:Fight Fire With Fire
16:Dust In The Wind
17:Carry On Wayward Son

Bonus Track:
Down The Road - Afternoon Jam
Externe Links: