Unser Albatros ist nie über den Ozean geflogen
Rock Legenden
Hoch über den Dächern und den Sehenswürdigkeiten Berlins, mitten im Zentrum am Alexanderplatz, treffen wir Bernd Römer, Gitarrist von Karat und einen der Besten seines Fachs, den die Ex-DDR hervorgebracht hat. Im Rahmen der bevorstehenden gemeinsamen Tour der drei Rocklegenden Puhdys, City und Karat, haben wir die Möglichkeit während eines Pressetermines ein ausführliches Gespräch mit ihm zu führen. Dabei offenbart er uns seine Leidenschaft, Ängste und Hoffnungen nach der Wende, sowie Pläne für das kommende Bandjubiläum.


Interview vom 29.09.2014


Holger Ott
Rocktimes: Hallo Bernd. Schön, dass wir bei diesem Trubel eine ruhige Ecke und vor allem Zeit gefunden haben, ein wenig miteinander zu reden.
Bernd Römer: Ich finde es auch schön, dass es klappt, da ich bereits die Information bekommen hatte, dass wir uns heute unterhalten werden und mich auf dieses Gespräch freue. Heute ist ja wirklich eine Menge los. Mein Mund ist vom Reden schon ganz trocken und es ist gut, dass wir uns setzen können.
Bernd und Holger Rocktimes: Die Puhdys haben es jetzt, City vor zwei Jahren und nun seid ihr im kommenden Jahr mit einem großen Jubiläum an der Reihe. 40 Jahre Karat und wie die beiden anderen Bands, zählt ihr nach wie vor zu den großen Drei.
Bernd: Ja, das ist kaum zu glauben, besonders wenn man bedenkt, wie schnell die Jahre vergangen sind. Am 20. Juni spielen wir unser Jubiläumskonzert in der Berliner Waldbühne und zur Zeit arbeiten wir daran, ein paar besondere Gäste einzuladen. Natürlich haben wir dazu Wünsche, aber einfach ist deren Erfüllung nicht, da die Musiker, die wir einladen möchten, ebenfalls viele Termine haben. Im Moment haben wir Arbeit ohne Ende. Die Rock Legenden-Tour steht an und was sich daraus noch ergeben wird, wissen wir nicht. Es kommen mit Sicherheit noch viele weitere Pressetermine.
Rocktimes: Es ist natürlich keine Frage, dass sich jeder wünschen wird, dass ihr "Über sieben Brücken" gemeinsam mit Peter Maffay performen sollt. Sozusagen ein Muss beim Jubiläum.
Bernd: Klar hat das jeder in der Band im Kopf und wir werden auch versuchen ihn zu überzeugen, gemeinsam mit uns auf der Bühne zu stehen. Zudem werden weitere Wegbegleiter kommen, denn 40 Jahre sind eine lange Zeit und wir sind so vielen Menschen begegnet, die uns immer unterstützt haben. Es wird bestimmt eine riesen Party.
Rocktimes: In den vergangenen Jahren hat man eher weniger von euch gehört. Die letzte Studio-CD liegt nun schon vier Jahre zurück. Plant ihr für das Jubiläum auch eine neue CD?
Bernd: Uns ist bewusst, dass wir uns sehr rar gemacht haben und das tut uns unseren Fans gegenüber auch leid. Parallel zu den Rock Legenden, arbeiten wir bereits an einer neuen CD, die rechtzeitig erscheinen wird. Im Moment ist also wirklich viel zu tun. Morgen sind wir schon wieder im Studio und nächste Woche sind die letzten Proben, bevor die Tour startet. Zum Glück arbeiten wir im gleichen Studio und somit fallen keine Fahrtwege an. Alles geht schneller, da wir nur zwischen den Räumen wechseln müssen.
Rocktimes: Nun haben ja die Puhdys in den Jahren nach der Wende viele, sogenannte 'Gassenhauer' hervorgebracht, wie den Song über die Eishockey-Eisbären. Ihr seid eurer Linie immer treu geblieben. Kann man damit rechnen, dass ihr noch einmal solche Monumentalwerke wie "Albatros" oder "Schwanenkönig" komponiert?
Bernd: So etwas wie "Albatros" sicher nicht. Das sind Werke, die schreibt man nur einmal im Leben. Wir wollen auch nicht ständig nur an den alten Werten festhalten. Jeder sollte sich musikalisch entwickeln und bei uns ist das ebenfalls geschehen. Wie ich finde, klingen wir etwas frischer und moderner, ohne dabei unsere Linie zu verlieren. Dazu zählen selbstverständlich auch die klassischen Einflüsse, die ja die Musik von Karat geprägt haben. Wir spielen in einer hervorragenden Besetzung. Jeder hat gute Ideen und diese miteinander gemischt, ergeben interessante neue Songs.
Bernd und Holger Rocktimes: Mir ist aufgefallen, dass eure Spielorte bei Tourneen fast ausschließlich in den östlichen Bundesländern liegen, so wie auch mit den Rock Legenden, zum Bedauern vieler Fans. Traut ihr euch nicht in den Westen?
Bernd: Das hat mit trauen nicht viel zu tun. Natürlich möchten wir unabhängig von der geografischen Lage überall spielen, aber da wir unsere Konzerte nicht selber veranstalten und somit alles in fremde Hände geben, sind wir auch davon abhängig, wie risikobereit der Veranstalter ist. Sicher haben wir viele Fans in den westlichen Bundesländern oder auch im deutschsprachigen Ausland und es tut uns leid, dass sie immer weite Wege in Kauf nehmen müssen, um uns zu sehen, aber der Veranstalter will eben eine sichere Bank und die liegt in unserem Fall im Osten. Wenn man an die Mauerzeiten zurückdenkt, als die Menschen dort eingesperrt waren, hatten wir eine viel stärkere Bindung an die Fans. Über Generationen sind die Menschen mit uns gewachsen und das schweißt zusammen. Die meisten der jetzt Älteren haben ja ihre Heimat nicht verlassen. Deshalb kommen sie auch immer noch zu unseren Konzerten, weil sie damit viele schöne Erinnerungen verbinden. Sicher gibt es auch sehr viele, die in den Westen abgewandert sind und uns gerne bei sich in der Nähe erleben wollen, aber ich denke, da müssten wir einen Schritt zurück machen und in kleineren Klubs spielen um diese Fans zu erreichen.
Rocktimes: Ihr selbst seid ja auch sehr traditionsbewusst und haltet an soliden Dingen der Ex-DDR fest. Ich weiß, dass du großer Fan der Eisbären bist. Warum Eisbären und nicht zum Beispiel die Kölner Haie? Deine Leidenschaft geht sogar soweit, dass du dir im Moment eine deiner Lieblingsgitarren mit einem Eisbären-Meisterschafts-Motiv per Airbrush von PTN-Airbrush, in Spandau verzieren lässt.
Bernd: Jaaa, auf die Gitarre freue ich mich ganz besonders und wenn alles klappt, kommt sie in Berlin zum Einsatz. Sport hat mich schon immer interessiert. Als Kind habe ich Fußball und Handball gespielt, aber mein Herz hat in jungen Jahren bereits für Eishockey geschlagen. Ich bin aber nie zu einem Spiel gewesen. Nun komme ich auch aus einer Region, in der diese Sportart nicht so vertreten war. In Erfurt ist eben nichts los gewesen und damals gab es halt nur Weißwasser und Dynamo Berlin. Die haben eigentlich immer nur gegeneinander gespielt. Etwas Langweiligeres gab es doch gar nicht. Irgendwann, viel später, hat mich ein Bekannter in den Wellblechpalast mitgenommen und ich war sofort von der Atmosphäre angezündet. Diese Stimmung, dieser Lärm, die Nähe zu den Spielern, die Geschwindigkeit des Pucks mit eigenen Augen zu sehen, statt vor dem Fernseher nach der schwarzen Scheibe zu suchen, die man da sowieso nie sieht. Hier live vor Ort, mitten im Getümmel, das war es, was mich gefesselt hat. Wer damals der Gegner war? Daran kann ich mich nicht mehr erinnern, ich denke es waren entweder die Haie oder die DEG, aber seitdem bin ich regelmäßiger Besucher, jetzt in der O2 World. Wobei ich sagen muss, die alte Halle war besser, hatte mehr Feeling, nur leider zu klein. Beim Fußball stehe ich auf Union. Sicher wünsche ich es Hertha auch, dass sie beständig in der 1. Liga bleiben, aber bei ihnen läuft eine andere Geschäftspolitik und deshalb schießen sie sich oft selbst ab.
Bernd und Holger Rocktimes: Um noch kurz in der Vergangenheit zu bleiben: Als damals die Mauer gefallen ist, gab es dadurch plötzlich Existenzängste? Vielleicht davor, gegen die großen Bands aus dem Westen nicht bestehen zu können, oder Angst davor, nun alles selbst in die Hand nehmen zu müssen und daran zu scheitern?
Bernd: Natürlich hatten wir diese Sorgen. Wir waren völlig unerfahren was es bedeutet, seine eigenen Geschicke selber zu leiten. Wir hätten vom zwielichtigen Managern verheizt werden können, oder es hätte uns niemand mehr hören und sehen wollen, weil die Bevölkerung der Ex-DDR nun die Möglichkeit hatte, jede berühmte Band zu sehen. Klar gab es schlaflose Nächte. Wir haben aber immer gesagt, dass wir uns als Band nicht unter Wert verkaufen. Immerhin haben wir einen guten Namen, gute Songs und den Willen immer weiter zu machen, auch wenn die Sterne einmal nicht so günstig stehen.
Rocktimes: Vor der Wende wart ihr eine der wenigen Bands, die in den Westen reisen durften. Somit habt ihr mit großer Wahrscheinlichkeit im Fokus der Stasi gestanden. Habt ihr als Band oder du als Privatperson Einblick in die Stasi-Akten genommen, sofern vorhanden?
Bernd: Unser Christian Liebig hat mal etwas erfahren, aber darüber möchte ich hier bitte nicht reden. Ansonsten hatten wir nie das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen. Als Musiker hast du den Staat mit deiner Musik nach außen vertreten. Unsere Texte sind ja nicht so politisch gewesen, wie zum Beispiel die Aussagen, die Leute wie Wolf Biermann oder Manfred Krug getroffen haben. Zudem haben wir dem Staat mit unseren Auftritten reichlich Devisen gebracht. Am Umsatz waren wir als Musiker aber nie beteiligt. Wir hatten unsere festen Gagen, egal wo wir gespielt haben. Spaß hat es immer gemacht und wir haben sehr viel gesehen. Ja ich gebe auch zu, dass wir etwas neidisch auf das Equipment der Bands aus dem Westen waren.
Rocktimes: In euren Reihen habt ihr mit Claudius Dreilich das große Glück, dass er seinem leider viel zu früh verstorbenen Vater fast bis auf das Haar gleicht und das nicht nur beim Aussehen, sondern auch mit seiner Stimme. Er hatte ja die Ex-DDR vor der Wende verlassen können, ist aber dann wieder zurück und seit dem Tod seines Vaters Herbert Sänger von Karat. Was wäre passiert, wenn er damals 'Nein' gesagt hätte?
Bernd: Wir hätten bestimmt jemand gesucht und auf jeden Fall weiter gemacht. So wäre es im Sinne von Herbert gewesen. Natürlich ist es ein riesen Glück für uns gewesen, dass er spontan zugestimmt hat. Niemand außer ihm kennt die Band und die Musik so genau. Bereits als kleines Kind war er bei jedem Konzert dabei und sein Vater hat ihm die Lieder zu Hause vorgesungen. Für ihn war es selbstverständlich, mit uns die Band fortzuführen. Sicher ist es anfangs ein merkwürdiges Gefühl gewesen und bei den Konzerten hatten wir oft Tränen in den Augen, besonders bei den getragenen Werken, aber Claudius hat uns immer durch seine positive Art Mut gemacht. Auch heute denke ich oft bei Konzerten, wenn Claudius am Mikrofon vor mir steht, dass ich seinen Vater von hinten sehe. Wer weiß, wie das einmal wird, wenn der Nächste von uns gehen muss.
Rocklegenden Rocktimes: Als du damals begonnen hast Gitarre zu spielen, hattest du mit Sicherheit Vorbilder.
Bernd: Natürlich Jimi Hendrix und Jimmy Page, all die großen Gitarristen der Welt. Ich habe, wie wohl jeder, versucht, alles nachzuspielen. Irgendwann bin ich dann in Erfurt in eine kleine Band hineingerutscht, habe dort Erfahrungen gesammelt und bin ständig besser geworden. Meine Freunde haben mich dann andauernd gedrängt, dass ich nach Berlin gehen soll, weil ich dort mehr Möglichkeiten habe. Sie haben immer gesagt, wenn es einer von uns schafft, dann bist du das und es war die richtige Entscheidung. Zudem habe ich schon früh damit begonnen mich für Technik zu interessieren. Ich habe ja auch eine Ausbildung in dieser Richtung absolviert. Dann habe ich angefangen an meinen Gitarren Veränderungen und Verbesserungen vorzunehmen. Geschadet hat es mir nicht und dadurch bin ich in der Lage alles selber zu reparieren.
Rocktimes: Was machst du in deiner Freizeit, wenn du nicht Gitarre spielst?
Bernd: Gitarre spielen! Ich spiele ständig Gitarre, experimentiere viel herum, versuche nach wie vor mich zu verbessern. Großartig andere Hobbys habe ich nicht, abgesehen von meinem Hund, mit dem ich viel in der Natur unterwegs war. Leider ist er vor drei Jahren gestorben, aber er hatte ein gutes Leben bei mir und ist fast zwanzig Jahre alt geworden. Er war ein hervorragender Ausgleich für den Stress im Alltag. Ich bin eher ein Mensch, der die Ruhe sucht und in der Freizeit sehr naturverbunden ist.
Rocktimes: Kannst du dich in den fast vierzig Jahren Bandgeschichte an ein besonders schönes oder schlechtes Erlebnis erinnern?
Bernd: Ich muss dir sagen, dass ich so gut wie nur schöne und positive Erlebnisse hatte. Sei es die Begegnungen mit anderen Musikern, oder den Besuch von fremden Städten während unserer Konzerte, es gäbe tausend schöne Dinge an die ich mich erinnern könnte, bei denen ich keine Einzelnen hervorheben kann. Wenn man vierzig Jahre unterwegs war, mit so einer Band, die so in sich verschweißt ist, dann kann man schon das als das größte Glück und Erlebnis werten. Ich möchte nicht einen Tag davon missen, weder zu Ostzeiten noch zu Westzeiten.
Rocktimes: Welchen Stellenwert haben denn seit der Wende für dich die ganzen Auszeichnungen, die ihr damals von der politischen Führung bekommen hattet?
Bernd: Ich habe durch Zufall neulich beim Aufräumen den Nationalpreis gefunden. Das ist eine der höchsten Auszeichnungen gewesen. Ich hatte für einen Schüler in der Schule ein Dokument gesucht, das unserer damaligen Amateurband in Erfurt ein Auftrittsverbot bescheinigte. Der brauchte so etwas für eine Klassenarbeit und dabei sind mir weitere Dokumente in die Hände gefallen, unter anderem dieser Nationalpreis, damals noch von 'Honnie' überreicht. Wir haben ja auch viele Auszeichnungen dafür bekommen, dass wir im Ausland gespielt haben und auch wieder zurückgekommen sind. Heute finde ich das eher lustig und würde nie meine Wände damit dekorieren.
Bernd Rocktimes: Habt ihr euch mal darüber Gedanken gemacht in Übersee, sprich Amerika zu spielen?
Bernd: Den Gedanken haben wir schnell verworfen. Nach der Wende war es bereits zu spät, oder hätten wir vielleicht mit "Albatros" oder "Schwanenkönig" dort aufspielen sollen? Niemand versteht die lyrischen Texte und diese zu übersetzen, wäre enorm schwer und würde den Song zerstören. Wenn man bedenkt, wie viele Versionen es von "Albatros" gab, bevor wir die Endgültige hatten. Da steckt eine enorme Arbeit dahinter, und wenn man keinen Texter findet, der sich wirklich in die Materie hineinversetzt, dann kommt nie etwas Vernünftiges dabei heraus. Wir sind ja nicht Rammstein, bei denen die Texte im Ausland keine Rolle spielen. Die Fans von ihnen wollen nur fette Riffs und eine atemberaubende Show. Mit beidem können wir nicht dienen und deshalb bleiben wir im deutschsprachigen Raum. Wir haben es mal mit englischen Texten probiert, aber mehr ist daraus nicht geworden und wir wollen das auch nicht mehr. Man bekommt einfach dieses Gefühl nicht hin, wenn wir unsere Texte übersetzen. Ich fühle mich dabei nicht wohl und die Lieder verfremden sich dadurch für mich. Bei den Rock Legenden-Klassik hatten wir dann noch einen neuen Versuch gestartet, aber nur deshalb, weil wir mit einem großen Orchester unterwegs waren und somit die Musik durch die vielen Instrumente getragen wurde. Das kam im Ganzen besser an, aber dennoch wollen wir es dabei belassen. Wir sind eine deutschsprachige Band und wir stehen dazu und bleiben dabei.
Rocktimes: Leider sind wir bereits am Ende, denn dein nächster Gesprächspartner wartet schon. Hier hast du nun die Gelegenheit, deinen bzw. euren Fans ein paar Worte zu sagen, die dir am Herzen liegen und die du schon immer loswerden wolltest.
Bernd: An alle Fans und Freunde, ich spreche nicht nur für unsere Band, sondern für alle drei, die wir nun gemeinsam durch die Lande ziehen. Hoffentlich können wir euer Herz erfreuen.
Rocktimes: Vielen Dank für das Gespräch und wir sehen uns beim Konzert.
Bernd: Ebenfalls vielen Dank. Hat mich wirklich sehr gefreut.
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