Karat / Seelenschiffe
Seelenschiffe Spielzeit: 44:19
Medium: CD
Label: Electrola (Universal), 2015
Stil: Deutschrock, Pop

Review vom 31.03.2015


Mario Keim
Die schlechte Nachricht zuerst: Wer hinter dem neuen Karat-Album "Seelenschiffe" ein Rockalbum vom Schlage "Albatros", "Der blaue Planet" oder "Jede Stunde" aus der Frühphase der Band vermutet, ist leider auf dem Holzweg. Vielmehr liefert uns die Berliner Formation ein ausgewogenes Werk mit ruhigen Songs, das in guter Tradition von "Über sieben Brücken" steht.
»Wir machen weiter!« Dieses Versprechen geben die fünf Karat-Musiker auf ihrem neuen Album "Seelenschiffe" ab. Der Name der CD ist durchaus Programm: Denn hierbei handelt es sich um zwölf Lieder, die Balsam für die Seele sind. Kuschelrock ist es nicht, den uns Karat im 40. Jahr des Bandbestehens serviert. Aber es sind, wie schon erwähnt, eben auch keine Rocksongs. Dafür ist es Musik zum Zuhören. Denn dafür stehen die Berliner: Dichte, vielschichtige Kompositionen, bis ins Detail durchdachte Arrangements, eine Produktion auf dem aktuellen Stand der Technik unter der Regie von Ingo Politz (Silly, Silbermond), der zugleich mehrere Kompositionen beisteuerte.
Karat versuchen, die leisen Töne auszuloten - Stücke, die sanft, aber nicht kraftlos daherkommen. Die Berliner verwöhnen den Hörer mit Texten, die unter die Haut gehen und nicht nur an der Oberfläche kratzen:
» Es gibt ein Land tief in mir,
da tanz ich auf dem Seil,
dort bin ich der Torero.
Die Welt ist noch heil. «

(Aus "Du kannst die Welt verändern")
Oder die Zeile: »Es gibt den Moment, wo man erkennt, dass alles am seidenen Faden hängt« aus "Was wär geschehen".
Enthalten ist ein Duett, das Claudius Dreilich gemeinsam mit Gregor Meyle singt ("Soll ich Dich befreien"). Schwermütig klingt "Drei Worte später" mit Gastgitarrist Uwe Hassbecker (Silly). Ein wunderbar verträumtes Liebeslied ist "Sie weiß nicht was Liebe ist". Tief unter die Haut geht mir "Freunde", während das Duett mit Gregor Meyley ein Gänsehauterlebnis darstellt und sicherlich auch für einen Hitparadeneinstieg taugt. Für mich ist es neben "Sag seit wann" der Anspieltipp auf dieser Scheibe.
"Du kannst die Welt verändern" ist nur ein Klangbeispiel dafür, wie nah doch Sänger Claudius Dreilich an den Gesangsduktus seines 2004 verstorbenen Vaters Herbert herankommt. Seit genau zehn Jahren ist Claudius Dreilich nun schon der Frontmann bei Karat.
"Sag seit wann" ist für mich die kraftvollste Nummer auf "Seelenschiffe", während die Strophen bei "Geschichten müssen enden" zu sehr ins Schlagerhafte abdriften.
Ohrwurmqualitäten haben für mich "Was wäre geschehen", "Freunde" und "Du kannst die Welt verändern". Mein persönlicher Favorit ist "Die Erinnerung", ein vergleichsweise energiegeladenes Stück, ein richtiger Gute-Laune-Song.
Acht Texte der vorliegenden Platte stammen aus der Feder von Michael Sellin, der bisher mit Datzu, Modern Soul Band, Ralf Bursy, Petra Zieger, Karussell, Veronika Fischer und Dirk Michaelis zusammengearbeitet hat und damit die Ostmusikszene bestens kennt.
Das neue Karat-Album ist gepflegter, anspruchsvoller Deutschrock und sollte der Band wieder zu mehr gesamtdeutscher Aufmerksamkeit verhelfen. "Seelenschiffe" ist beileibe keine CD nur für den eingefleischten Karat-Fan, der den runden Bandgeburtstag mit dem Jubiläumskonzert am 20. Juni 2015 auf der Berliner Waldbühne feiern kann.
Chris de Burgh, Peter Maffay und Matthias Reim, aber auch Scooter, Jan Josef Liefers,
Max Raabe u. v. a. haben bereits Karat-Lieder gecovert, zwölf Millionen Tonträger sind seit 1975 über die Verkaufstische gegangen. Das alles gilt es nach vier Jahrzehnten Bandgeschichte mit allen Höhen und Tiefen zu würdigen.
Solide Arbeit leistete beim Artwork des CD-Booklets Ronald Reinsberg.
Line-up:
Martin Becker (Keyboards, Gitarre)
Claudius Dreilich (Gesang, Akustische Gitarre)
Michael Schwandt (Schlagzeug)
Christian Liebig (Bass)
Bernd Römer (Gitarre)

Gastmusiker:
Gregor Meyle (Gesang - #7)
Uwe Hassbecker (Gitarre - #3)
Jörg Weisselberg (Gitarre - #1,4,5,9,11)
Constantin Krieg (Keyboards - #1,2,5,6,8,9,11)
Ingo Politz (Percussion - #1,3,5,6,7,9-11)
Marcus Gorstein (Background Gesang)
Tracklist
01:Was wär geschehen (3:09)
02:Nach dem Sommer(3:24)
03:Drei Worte später (3:36)
04:Sie weiß nicht was Liebe ist (3:04)
05:Freunde (3:55)
06:Die Erinnerung (3:56)
07:Soll ich Dich befreien (3:40)
08:Seelenschiffe (3:57)
09:Du kannst die Welt verändern (3:47)
10:Sag seit wann (4:19)
11:Geschichten müssen enden (4:17)
12:Immer dann (3:44)
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