Was tut man, wenn man plötzlich mit ganz viel Zeit gesegnet ist, weil einem der winterliche Blizzard die Haustür zugeschneit hat? Richtig, man setzt sich hin und denkt über seine Jugendträume nach. Und genau das hat unser Held namens
Blaine Cartwright hier auch getan. Besser bekannt ist er ja eigentlich als Denker und Lenker der Combos
Nashville Pussy oder
Nine Pound Hammer, aber
»I had wanted to do a gospel album since I was a kid« und frei nach dem Motto 'Träume nicht deine Leben, lebe deinen Traum' macht er sich ans Werk und kreiert das passend genannte Album "Hail Jesus". Wer
Cartwright und seine immer-auf-die-Zwölf-Musik kennt, hat wohl angesichts dessen Aussage ein paar Probleme, da einen richtigen Gospel-Song mit Chor und allem Zipp und Zapp reinzubasteln - ich auch. Aber,
»thou shalt not fear,« es hat geklappt, und wie!
»Thou shalt not steal« heißt es aber auch an einer anderen Stelle in der Bibel und weil ihm dieser ganze religiöse Krempel und die Gospelmusik doch so wichtig sind, hat der Herr und Meister dann auch direkt im ersten Song und Titeltrack gleich mächtig geklaut.
»Music stolen from Springsteen,
a few lyrics taken from Dylan. Please don't sue, guys!« Na, immerhin hat er Humor, der Junge. Und mit den ersten Klängen der Gitarre wird zudem schnell und unmissverständlich klar, dass
Cartwright und seine
BridgeBurners beileibe nicht angetreten sind, uns den Gospel auf herkömmliche Art und Weise näher zu bringen. Nix isses mit schwüler Kirchenatmosphäre, seicht wabernder Orgel und händeklatschenden Freizeitsängern in lang wallenden Umhängen. In-your-face-Rock'n'Roll, durch die Bank weg. Und auch beim zweiten Song ändert selbst die Tatsache, dass es eine Coverversion von
Pops & Mavis Staples ist, genau gar nichts an der musikalischen Ausrichtung
Cartwright'scher Vorlieben.
Zwar lassen die ersten Töne von "Look It Up In The Bible" Gedanken an schwermütig-getragenes Liedgut aufkommen, aber die bald darauf einsetzende Rhythmusfraktion und ein schnelles Riff werfen das Ruder in Richtung Stilmix zwischen
Chuck Berry und
Plastic Bertrand rum. Die Delta-Blueser
Fred McDowell und
Reverend Gary Davis standen für das verhaltene "You Got To Move" Pate, dessen mit einer Orgel produziertem Klangteppich dann doch noch einen Beitrag zu Anlehnungen an herkömmlichen Gospel erahnen lässt (wohingegen
Cartwrights Gitarre diese Aussage schon wieder Lügen straft). Dafür geht es dann ganz im Stil des Southern Rock in Richtung
Black Oak Arkansas, von denen "Keep The Faith" stammt und das sehr schön à la wir-treiben-die-Schweine-durch-die-Kneipe adaptiert wurde, passender Applaus wird mitgeliefert.
Nach den drei Eigenkreationen "Scream The Devil Away", "We All Know What Jesus Did (But What Did You Do)" und "Lord Here I Am" - alles richtige Rocker - beugen sich die
BrideBurners ein weiteres Mal über den Tisch und schielen auf
Woody Guthries Arbeit. "They Laid Jesus Christ In His Grave" hatte jener bereits 1961 geschrieben und rund zwei Jahre danach noch einmal umgedichtet, bevor nun unser guter
Blaine diesem Song fünfzig Jahre später seinen eigenen Stempel aufdrückt und ihm ein wenig Anschein einer Mischung aus dem Rock'n'Roll der fünfziger Jahre und irischen Trinkliedern à la
The Pogues gibt. Der Abgesang, bestehend aus dem kurzen Instrumental "Go In Peace" lässt dann mit seiner Orgel doch einmal für einen Moment eine gewisse spirituelle Stimmung aufkommen - aber nur ganz kurz.