Nigel Kennedy / The Four Elements
The Four Elements Spielzeit: 59:41
Medium: CD
Label: Sony Classical, 2011
Stil: Fusion

Review vom 11.10.2011


Wolfgang Giese
Erneut hat Nigel Kennedy die Plattenfirma gewechselt und auf Sony seine neue Platte, "The Four Elements" betitelt, veröffentlicht. Diese erscheint dort unter Sony Classical und zeigt ihn erneut mit Musik abseits der Pfade der E-Musik.
Mit der zarten Ouvertüre startend, endet das Werk in einem teils furiosen Finale. Dabei spart der Künstler dieses Mal auch nicht 'modernere' Elemente wie elektronisches Drum Programming aus. Wie schon auf dem Vorgänger Shhh! ist die Musik relativ stark von Jazz und Fusion geprägt, aber dieses Mal mit Zusätzen aus verschiedenen anderen Stilrichtungen, seien es orientalische Folklore, Funk, Blues oder Soul und selbstverständlich aus der Welt der klassischen Musik.
Neben dem Violinisten Kennedy werden als Mitwirkende dieses neuen Werks noch weitere Künstler angegeben, nämlich 'Members Of The Orchestra Of Life'. Wer das im Einzelnen ist, lässt sich leider nicht eruieren, aber von der hohen Qualität der Musik ausgehend, dürften es gute Musiker sein, die hier eine andere Variante der 'Vier Jahreszeiten' von Vivaldi vorzustellen scheinen. Hier allerdings sind es die vier Elemente, die Berücksichtigung finden, zwischen der "Overture" und dem "Finale" gibt es also Kennedys persönliche Umsetzung von Luft, Erde, Feuer und Wasser.
Die Ouvertüre bringt mich gedanklich zurück in die 'gute alte Zeit' des Jazz Rocks zu Beginn und Mitte der Siebziger Jahre. Das erinnert mich an jene Musik, wie ich sie vom Geiger Jean-Luc Ponty lieben lernte. Die Melodie von "Norwegian Wood" scheint sich ebenfalls irgendwie eingeschlichen zu haben, doch die knapp neun Minuten sind allein für sich schon eine Art Suite. Nach einem Übergang ab etwa der vierten Minute erklingt eine ruhige Melodie, die aber schon bald wieder an Tempo und Intensität zunimmt, die Geige klingt nach Synthesizer, geht aber auch in Richtung Gitarre. Ein von Kennedy zu erwartendes, flinkes Solo leitet in das anfängliche Thema über und die Stimmung verändert sich abermals, diesmal durch ein Trompetensolo, das irgendwie gar nicht hinein zu passen scheint, fügt sich aber im Folgenden trotzdem gut ein.
Es folgt "Air", nachdem der Eröffnungstitel nahezu zu verschwinden schien, nur im Hintergrund hört man noch etwas ganz Leises. Bei "Air", und da stimme ich dem Pressetext zu, spielt Kennedy eine herrlich melancholische, fast schon asiatisch anmutende Violinenpassage, die an den Titel "The Lark Ascending" des britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams erinnert. Schon bald wird die Melodie jedoch gesanglich aufgegriffen, welche Dame hier nun singt, ist mir nicht bekannt. Im Hintergrund gestaltet die Violine dazu auch weiterhin asiatisch anmutende Motive, dazu erklingt programmiertes Schlagzeug. Doch der Song bleibt nicht so ruhig, im Lauf der gut elf Minuten geschieht noch Einiges, das den Geräuschpegel hochschnellen lässt. Allein die Violine bringt klassische Motive mit ein, das Thema wird zwischendurch wieder aufgegriffen, die Trompete erklingt erneut - insgesamt ist eine ständige Veränderung in dem Stück, ohne einen Ruhepol inne zu haben.
"Earth", "Fire" und "Water" sind dann kürzer und knapper strukturiert. Auf "Earth" wird gesungen, den Sänger halte ich jedoch für recht schwach und ausdruckslos. Überhaupt kommt dieser Abschnitt als relativ farbloser Rocksong daher. Mittendrin gibt es jedoch schon wieder Veränderungen, am markantesten auch hier natürlich wieder diese verschiedenen Farben der Geigenvariationen. Ein wenig erinnert mich der Protagonist hier an Don 'Sugar Cane' Harris. Doch leider ist das nur eine kurze Passage, bevor der Song belanglos weiter geführt wird. Auch "Fire" ist ein an sich merkwürdig arrangiertes Stück, mit dem ich mich so gar nicht anfreunden kann. Irgendwie herrscht eine gewisse Hektik, die durch etwas steif agierende und weder swingende noch groovende Drums noch verstärkt wird. Interessant bleibt für mich auch hier wieder nur das Geigenspiel, den gesanglichen Beitrag halte ich wiederum für recht schwach. "Water", Motive aus dem Bereich Ambient, das passt in die Lounge, weiblicher Gesang, dünn und ausdrucksschwach, irgendwie kindlich und dann wieder diese herrliche Violine, so verträumt und verspielt… Die Passagen erinnern mich an jene Zwischenstücke, die Kennedy einst für Stephen Duffy und dessen Album "Music For Colors" beisteuerte.
Das "Finale" ist mit 18:11 Minuten der längste Titel und beinhaltet erneut sehr viele verschiedene Elemente, von zart bis hart. Ganz nah an Jimi Hendrix ist die Anfangspassage ["1983... (A Merman I Should Turn To Be)"], aber auch Erinnerungen an Pink Floyd zu Zeiten von "Atom Heart Mother" können hier wach werden. Zwischendurch kommt es immer wieder zu wilden Instrumental-Jagden und beschaulichen Zwischentönen, satt groovender Rock erscheint, die ganze Palette, alle möglichen Register werden hier wie in einer Zusammenfassung noch einmal gezogen, entrückte Vokalpassagen, gesungen, gesummt und gesprochen, vermitteln eine teilweise sakrale und mystische Atmosphäre. ..
Rundheraus ist "The Four Elements" eine Platte, mit deren Musik so manche Musikliebhaber/innen ihre liebe Not haben könnten, denn das ist 'harter Tobak', hier muss man ganz Ohr sein, sich darauf einlassen können, und auch jenes akzeptieren, was einem an Einzelelementen aus dem Gesamtkonzept nicht so zusagt.
Die Musik dieser Platte ist auf jeden Fall schwerer zugänglich als der Vorgänger. Es muss jedoch sehr interessant sein, diese Titel in Live-Versionen anlässlich der anstehenden Tour zu erleben. Ja, 'erleben' ist hier das Stichwort, denn ein Erlebnis dürfte es allemal sein, was dieser musikalische Querkopf zu bieten hat.
Nach dem furiosen Schluss mit Zügen von Jigs und Reels folgt eine Zugabe, die wie ein Stück aus Monty Python's Flying Circus klingt: Ein totaler Blödel-Song mit einem Sänger, der aus dem Umfeld der 'Young Ones' (gemeint ist die TV-Serie) stammen könnte. Remember 'Neil, the Hippie'???
Line-up:
Nigel Kennedy (violins)
Members Of The Orchestra Of Life (including strings, guitar, Hammond, piano, vibes, marimba, voices, trumpet, bass, drums, percussion)
Tracklist
01:Overture (8:53)
02:Air (11:16)
03:Earth (5:26)
04:Fire (7:10)
05:Water (6:18)
06:Finale (18:11)
07:Encore [It's Plucking Elemental] (2:26)
(all compositions by Nigel Kennedy)
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