Bei der Musik von Le Murs "In Tenebris" ist es kaum zu glauben, dass das Trio aus dem Ruhrgebiet kommt. Bochum und Oberhausen werden als Heimatstädte angegeben. Bei den etwas über achtundvierzig Minuten Psychedelic Rock der unterhaltsamen Art darf man mit Fug und Recht behaupten, dass die beiden Städte, neben den zu vermeldenden vielen vielleicht nicht so prickenden Dingen, über ein sehr erfreuliches Aushängeschild verfügen. Die sieben Kompositionen des Debütalbums waren schon 2010/2011 im Kasten und man musste eine Wartezeit bis zum Jahr 2012 hinnehmen, bis der Tonträger auf den Markt kommen konnte.
Ohne auch nur einen Funken an Vorkenntnis zu haben, würde man die Band beim ersten Hören glatt in den reichlich gefüllten Topf an Genre-Bands aus den skandinavischen Ländern unterbringen. Allerdings sollten sich bei der Beurteilung der Musik aus der doch überraschenden Herkunft keine Bonuspunkte für Le Mur ergeben. Die sieben Nummern, alle von dem Trio komponiert, unterliegen den gleichen Kritikkriterien wie bei anderen Scheiben dieses Stils auch.
Man darf allerdings feststellen, dass Le Mur mit ihrem ersten Silberling eine verdammt gut Figur abgibt. Da kann man überhaupt nicht meckern... über die gesamte Tracklist hinweg gesehen, haben Matthias Gräf, Janine Ficklscherer sowie Georgios Dosis ihren Songs alle Beigaben des Genres verpasst. Aber es kommt schließlich darauf an, wie die Ingredienzien gemischt werden und was schlussendlich heraus kommt. Galaktische Gräf-Gitarrenklänge, wunderschöne Basslinien von Ficklscherer und zumeist differenziertes Dosis-Drumming sind nur erste Eckpunkte der Musik. Dieser Gräf ist nicht nur ein Tausendsassa an den Instrumenten, sondern auch einer der Ideengeber.
Die mit Kapuzen über ihren Köpfen gekleideten Mönche schreiten mit ruhigem Schritt in die Kapelle, um sich zum Abendgebet zu versammeln. Die werden allerdings abgelenkt, denn als Vertretung des angestammten Organisten ist Matthias Gräf eingesprungen und die Mönche kommen noch nicht einmal dazu, ihre Hände zu falten, geschweige denn zu einer inneren Einkehr zu gelangen. "O.m.e.n. – The Beginnung" erzeugt mit seiner kirchlich klingenden Orgel in etwa ein solches Bild auf der menschlichen Festplatte.
Der knapp zweiminütige Beginn wird dann allerdings durch "Cage" konterkariert. Eine weitläufige psychedelisch-rockende Reise erwartet den Hörer und in den elfeinhalb Minuten wird man bestens bedient. Le Mur hat es drauf! Einerseits präsentiert der Dreier eine wohltemperierte Härte und andererseits geht man richtig freizügig-losgelöst mit seinen Empfindungen um. Janine Ficklscherer füllt die Rolle am Tieftöner auf beeindruckende Weise aus. Das Spiel auf den dicken Saiten ist hoch melodisch.
Bei den an die Zehn-Minuten-Grenze und darüber hinausgehenden Nummern mit Jam-Charakter kann sich der Hörer sehr gut vorstellen, dass die Songs auf der Bühne livehaftig zu wahren Monstern der psychedelischen Improvisation heranwachsen.
Es gibt kein Zurück? In wenigen Sekunden beamt sich Le Mur bei "One Way Ticket To Space" in einen klanglichen Orbit, der sich gewaschen hat. Das Raumschiff ist gut gerüstet unterwegs und dann serviert man uns einen kurzen, wunderschön schwebenden Teil, der mit herrlichem Riff-Tuning daherkommt. Auf der Umlaufbahn sind auch andere Satelliten und Shuttles unterwegs. Dabei kommt es zu einer Annäherung des Le Mur-Gefährts und Hawkwind.
Nachdem Gräf bisher alle Texte in englischer Sprache gesungen hat, kommt, man kann es sich beim Songtitel schon vorstellen, "Die Nacht der Lemuren (Teil 3)" mit deutschen Lyrics daher. So etwas ist allerdings nicht unbedingt das Besondere an dieser ruhigeren Komposition. Endlich kommt das Saxofon zum Zuge... und wie. Aus verträumten Klanggebilden entwickelt sich eine richtig jazzig improvisierte Phase. Klasse! Dann geben sich Bass sowie Gitarre die Kante und der Sechsaiter klingt zuweilen wie Jimi Hendrix und seiner Ausgabe der amerikanische Nationalhymne beim Woodstock-Festival. Zum Ende hin gibt es eine ordentliche Dosis Groove von Dosis. Der Titeltrack "In Tenebris" (mit lateinischem Text) und das abschließende "O.m.e.n. – Riddles In The Dark" reihen sich in das tolle Konzert der vorherigen Nummern perfekt ein. Gräf bringt in den Stücken nochmals das Saxofon an den Start und ohne Zweifel steht fest, dass die Band damit ihren Sound ordentlich erweitert.
Nach diesem sehr gelungenen Debüt wird man auf der Homepage bereits darüber informiert, dass schon am Nachfolger gearbeitet wird. Bis es so weit ist, kann man sich mit Le Murs "In Tenebris" genüsslich die Zeit vertreiben. Randbemerkung... es gibt an der dritten Stelle der Tracklist einen Song, der auf dem Cover der Promoausgabe gar nicht gelistet wird.
Zum Kauf des Albums befinden sich weitere Informationen auf der Homepage der Band.
Line-up:
Matthias Gräf (vocals, guitar, saxophone, organ, sound effects)
Janine Ficklscherer (bass, sound effects)
Georgios Dosis (drums, percussion)
Tracklist |
01:O.m.e.n. – The Beginning (1:57)
02:Cage (11:30)
03:[ohne Titel] (2:44)
04:One Way Ticket To Space (8:06)
05:Die Nacht der Lemuren (Teil 3) (9:09)
06:In Tenebris (8:04)
07:O.m.e.n. – Riddles In The Dark (6:46)
(all songs written by Le Mur)
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