Les Lutins De l'Espace / Kill Me When I'm Dead
Kill Me When I'm Dead Spielzeit: 37:53
Medium: CD
Label: Hell Vice i Vicious Records, 2009
Stil: Experimental

Review vom 12.03.2010


Joachim 'Joe' Brookes
So kurios wie der Bandname ist auch deren Musik.
Hinter Les Lutins Patates De l'Espace steckt ein französisches Duo aus Grenoble. Wenn die 'Kartoffel-Kobolde aus dem Weltraum' (Danke für die Übersetzung, Sabine) Musik machen, geht es hart und experimentell-psychedelisch zu. Wen wundert es... bei dem Namen.
Für das Zusammenbringen ihrer Klangkaskaden verwenden Maxime Houot sowie Fred The Judge allerlei nicht näher bezeichnete Maschinen (wie sie es nennen), wobei Houot die Gitarre spielt und Fred am Schlagzeug sitzt.
Seit 2004 sind die beiden Künstler mit ihrem Projekt zugange und 2006 präsentierten sie ihre erste EP. Live legt man Wert auf eine Art Performance mit Bildern, Videos und Texten.
Macht es da Sinn, den interessierten Anhängern ein Studioalbum zu offerieren?
Bevor es allerdings losgeht mit der inhaltlichen Beschreibung dessen, was in den Köpfen des Duos so vorgeht und in akustische Signale umgesetzt wurde, sollte schon an dieser Stelle auf etwas sehr Originelles hingewiesen werden. Nach dem ersten Kontakt mit der Band war ich überrascht, als Maxime mir diesen Link schickte: Aus den vierzehn Grafiken verschiedener Künstler kann sich tatsächlich jeder Käufer der Platte sein eigenes Artwork aussuchen.
So bekommt man ein persönlich gestaltetes Album. Es besteht aus den gewählten Motiven, die auf Hartpappe gedruckt wurden. Damit nichts fliegen geht, werden die sechs Karten durch eine Hülsenschraube beisammen gehalten.
So etwas ist mir bisher ja noch nicht untergekommen. Die Idee und ihre Umsetzung sind alleine schon Punkte wert. Von daher gibt es nicht das "Kill Me When I'm Dead"-Cover. Der Albumtitel ist auch abgedreht.
Selbst diese Aktion passt zu den 'Kartoffel-Kobolden' und dennoch ist die CD zu einem günstigen Preis erhältlich.
Tja, da stellt sich natürlich die Frage, ob es sich auch musikalisch lohnt zuzugreifen.
Les Lutins Patates De l'Espace bereiten die Bühne für einen Mix aus vielen Stilelementen, die vom Rock über Psychedelisches sowie Industrial bis hin zum Noise gehen.
"Kill Me When I'm Dead" ist auch ein Büchsenöffner für Kopfkino-Ausflüge.
Die sind, bei allem Respekt vor den einzelnen Spielzeiten der Track, kurz und heißen "Bobigny - Place d'Italie" sowie "Set - Part 1".
Wenn man sich die ersten Tracks anhört, dann kommt man nicht im Entferntesten auf den Gedanken, die Band könnte etwas mit Folk, wie sie es selber angibt, zu tun haben. Allerdings gibt es die folkloristische Erleuchtung erst ziemlich spät. "Monday Caramel" ist doch glatt eine grandiose Kombination aus rootsiger Gitarre, feinem Schlagwerk und Computersounds. Das Duo kennt wohl keinen Halt, respektiert aber die Tradition.
In den zum größten Teil instrumentalen Songs geht es zu, wie auf einen Basar.
Das bunte Treiben der Leute und Händler vermittelt Eindrücke im Überfluss. Houot sowie Fred The Judge arrangieren ihren beeindruckenden Output für den Hörer allerdings so, dass die abenteuerlichen Songs sehr wohl gut verarbeitet werden können.
Musikkulturelle Grenzen existieren nicht und obwohl die beiden Klangtüftler kurze Soundschnipsel kreieren, die an Pink Floyd erinnern, sind sie ansonsten nicht mit der Band zu vergleichen.
Genauso gut kann man für verschieden Phasen die Karte von Joy Divison hochhalten.
Für die locker geflochtenen psychedelischen Teile gibt es zu viele Gruppen, die angemerkt werden könnten. Folglich spare ich mir das an dieser Stelle.
Les Lutins Patates De l'Espace eröffnen einem die Möglichkeit, sich in ihrem Musikfluss herrlich stromabwärts treiben zu lassen. Urplötzlich setzte der Zweier aus den französischen Alpen die Gegenstromanlage in Gang. Da können einem vor Überraschung schon einmal die Gesichtszüge verschoben werden.
Die Gruppe hat auch ein "Murphy's Law".
Es ist ein Stück zwischen Klirrfaktor, hyperaktiven Gitarren und Ballade. Die Struktur des Tracks ist geprägt vom freien Lauf der Emotionen und die können ja nicht immer geplant werden. Jedenfalls steht dieses Stück ganz weit oben auf der Liste der Perlen.
Mit seinem französischen Sprechgesang scheint "Paulson" fast berechenbar zu sein. Das Flair hat etwas von der Ruhe an einem Waldsee. Allerdings muss man ja bei dieser Band mit allem rechnen und so wartet der Hörer quasi auf den Ausbruch von was auch immer. Pustekuchen, denkt man zunächst! Alles wird in Form gehalten, bis die Klänge der Schlagzeugbecken immer bedrohlicher werden und dann doch das Gitarrengewitter einfällt.
Les Lutins Patates De l'Espace konstruieren ihre Musik nicht auf dem Reißbrett und machen von Maschinen erzeugte Klänge zu vertrauten Begleitern in den acht Kompositionen, wenn davon überhaupt gesprochen werden darf.
Man vermittelt eher den Eindruck des freien Spiels. Bedrohlich liest sich schon der zweite Song: "Massacre". Gemach, dem ist zunächst nicht so. Beschaulich geht es am Anfang zu. Nach einem kurzen Luftholen rifft die Gitarre rockig und schließlich gibt es ein kontrolliertes Inferno aus Gitarre, Drums und Schreien. Nach diesem Sturm liegen die Synapsen blank auf dem Boden. Aber der Zweier baut den Hörer mit feinem Gewaber wieder auf.
Einen unglaublichen Schlusspunkt setzt man mit "Set - Part 2".
Die Band packt den Rock'n'Roll bei den Hörnern. Man liefert Bläserklänge, rhythmisiert zwischendrin in einer Art Dreivierteltakt und schließlich verabschiedet sich das Duo mit Soundschwaden.
Aus meiner Sicht ist "Kill Me When I'm Dead" ein sehr gelungenes Audioexperiment, das seine Wiederholungen braucht, aber letztendlich nie uninteressant wird... Toutes mes félicitations, Les Lutins De l'Espace!
Line-up:
Maxime Houot (guitar, programming)
Fred The Judge (drums)
Tracklist
01:Bæuf (6:23)
02:Massacre (5:56)
03:Murphy's Law (4:32)
04:Babigny - Place d'Italie (2:46)
05:Paulson (6:05)
06:Monday Caramel (6:34)
07:Set - Part 1 (2:02)
08:Set - Part 2 (3:35)
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