Mick Jagger war damals für uns ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg
Im Gespräch Interview vom 10.03.2013 mit Corey Glover von Living Colour in der ECI Cultuurfabriek in Roermond/NL
Fotos: © Petra Zachert


Artikel vom 23.03.2013


Udo Gröbbels
Crossover-Klassiker feiert Jubiläum
Living ColourFünfundzwanzig Jahre ist es schon her, dass 1988 das vielbeachtete Erstlingswerk Vivid der New Yorker Funk-Rocker Living Colour erschien. Pünktlich zum Jubiläum widmet die Band dem Klassiker eine kleine Tour unter dem Motto "Vivid - 25th Anniversary Tour". Glücklicherweise verschlug es das Quartett auch in das von mir nur unweit gelegene niederländische Roermond, wo ich mich zu einem Interview angemeldet hatte. Mit großen Erwartung fuhren wir also die gerade mal 15 km zur ECI und wurden absolut nicht enttäuscht. Sowohl das Interview als auch das Konzert erwiesen als sehr unterhaltsam.
Kultur im Nachbarland
Living ColourDirekt an der niederländischen Grenze liegt die beschauliche Stadt Roermond mit Yachthafen und dem überregional bekannten Designer Outlet Center. Doch nicht nur in Sachen Konsumtourismus, sondern vor allem im Bereich Kultur sind die Holländer uns auch hier ein gutes Stück voraus. Aus der alten Textilfabrik hat die Stadt ein wunderschönes neues Kulturzentrum gemacht, was seit September 2012 ein breites Angebot von Kino, Theater, Cafe, Museum und Live-Musik bietet. Kurz vor dem Auftritt traf ich den völlig entspannten und bestens aufgelegten Sänger Corey Glover im Theater, wo er gerade an am Tablet-PC mit seiner Frau zu Hause in den USA chattete. Er legte den PC dann aber umgehend beiseite und wir plauderten u. a. über die Vorzüge des Internets, diverse Jubiläen und die wichtige Rolle von Mick Jagger für die Karriere der Band.
RockTimes: Hi Corey. Eure aktuelle Tour trägt das Motto "Vivid - 25th Anniversary Tour". Präsentiert ihr das Album am Stück, wie es beispielsweise auch Peter Gabriel schon gemacht hat?
Living ColourCorey: Ja, genau das machen wir. Wir spielen als Opener eine andere Nummer, um uns etwas einzugrooven und danach bringen wir das Album komplett von "Cult Of Personality" bis "Which Way To America". Außerdem hat ja auch unser drittes Album "Stain" dieses Jahr zwanzigsten Geburtstag und daher spielen wir anschließend auch einige Songs von dieser Platte.
RockTimes: "Stain" war ja damals eine Art Wendepunkt in eurer Karriere. Das Album markierte einen neuen Sound. Wie sind deine persönlichen Erinnerungen an das Album?
Corey: Bei "Stain" wollten wir uns verändern. Unsere Musik wurde härter. Damals kamen gerade die ganzen Alternative-Bands wie die Smashing Pumpkins oder auch Jane's Addiction auf. Das hat uns sicherlich seinerzeit auch beeinflusst. Wir wollten uns einfach verändern und etwas Neues versuchen, was ja dann auch gut geklappt hat.
Living ColourRockTimes: Stimmt es , dass der Songtitel "Ausländer" daher rührt, dass ihr auf der 92er Tour in Deutschland dieses Wort immer wieder im Fernsehen gehört habt und es euch so quasi eingebrannt hat?
Corey: Ja, genau so war es. Immer wenn das TV lief, hörten wir dieses Wort und natürlich fragten wir, was es bedeutet. Dann wurde uns auch erklärt, was damals in Deutschland so los war in Richtung Fremdenfeindlichkeit nach der Wiedervereinigung, wie beispielsweise in Rostock. Wir haben dann damals die deutsche Migrationsproblematik aufgegriffen und dann diesen Song aber als globale Nummer über Vertreibung und Heimatsuche daraus gemacht.
RockTimes: Euer letztes Album "Chair In The Doorway" ist auch schon wieder vier Jahre alt. Lohnt es sich heutzutage überhaupt noch, ein Album zu produzieren und verdient man nicht mehr Geld, wenn man Konzerte gibt?
Living ColourCorey: Ja, du hast recht. Man muss heute schon Konzerte spielen, denn alleine von Albumverkäufen kann man als Band von unserem Status nicht mehr leben. Trotzdem sind wir aber keine Oldie-Band, die immer nur die alten Sachen spielen will. Wir wollen auch Neues spielen und den Leuten neue Songs präsentieren. Daher werden wir auch weiter Alben aufnehmen, um damit dann, ganz klassisch, auf Tour zu gehen.
RockTimes: Ihr macht nur eine relativ kleine Tour mit wenigen Stationen in Clubs. In Deutschland spielt ihr gerade mal nur ein einziges Konzert in Berlin. Warum nur so wenige Auftritte in einem für den Musikmarkt doch interessanten Land?
Corey: Wir wollten diese "Vivid"-Tour nur als kleine Fan-Tour machen. Wir werden im Herbst wieder auf eine normale Tour gehen und auch euer Land intensiver bespielen. Diese Tour ist nur eine Art 'Hey, uns gibt es auch noch'-Statement.
RockTimes: Wie hat sich euer Touralltag seit euren Anfängen in den 80ern verändert?
[Anmerkung: Natürlich hoffte ich auf eine schöne klischeehafte Rockstar-Anekdote, doch es kam ganz anders].
Living ColourCorey: Am meistens hat sich die Kommunikation verändert. Früher gab es weder Internet noch Mobiltelefone und wir konnten immer nur vom Hotel aus zu lächerlich hohen Preisen mit unseren Freundinnen kommunizieren. Heute geht das in Zeiten von Internet und Skype viel einfacher und wenn wir gleich fertig sind, chatte ich wieder mit meiner Frau und frage, wie es den Kindern geht. Man fühlt sich einfach nicht mehr so isoliert auf Tour, sondern ist dank des Internets immer auf dem neuesten Stand und kann schnell Informationen abrufen. Das ist doch eine prima Sache.
RockTimes: Nächstes Jahr habt ihr erneut ein Jubiläum , denn dann gibt es euch genau 30 Jahre. Macht ihr da auch wieder eine besondere Tour?
Corey: Wir wissen es ehrlich gesagt noch nicht. Wie gesagt, wir schauen voraus und sind kein Retro-Act, der sich nur für seine Vergangenheit abfeiern lässt. Wir wollen auch uns nach dreißig Jahren weiterentwickeln und wieder was Neues präsentieren. Zu viel Retro ist auch nicht gut (lacht).
RockTimes: Zum Schluss würde mich noch interessieren, ob ihr immer noch Kontakt zu Mick Jagger habt, der euch ja bei "Vivid" unterstützt hat.
Living ColourCorey: Ja, haben wir noch. Vor einiger Zeit haben wir uns nach einem Rolling Stones-Konzert mit den Jungs getroffen und ich kann mir gut vorstellen, dass wir wieder etwas zusammen machen. Er hat uns damals sehr geholfen. Wir haben im Vorprogramm der Stones gespielt und er hat ja auch zwei Songs von "Vivid" produziert. Das war damals sicher auch ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Wir haben Mick Jagger definitiv viel zu verdanken, denn mit so einem großen Namen als Supporter hatten wir damals schon ganz andere Möglichkeiten der Präsentation. Außerdem war und ist er immer noch ein verdammt netter Kerl.
RockTimes: Danke für das Interview und viel Spaß gleich beim Konzert.
Corey: Klar, gern geschehen. Euch auch viel Spaß bei der Show.
Nach diesem sehr lockeren und entspannten Interview folgte dann um kurz vor 21.00 Uhr ein wirklich intensives Konzert. Nach einer harten Bluesnummer spielte man dann wie angekündigt das komplette "Vivid"-Album. Direkt bei "Cult Of Personality" merkte man, dass die Band auch nach 25 Jahren immer noch voller Energie, Power und Spielfreude steckt. Es groovte an allen Ecken, dank einer hervorragenden Rhythmussektion. Mastermind und Bandgründer Vernon Reid an der Gitarre spielt eh in einer völlig eigenen Liga und zauberte ein ums andere Mal völlig geniale Klänge aus seinem Instrument. Der Knaller war aber Corey am Mikro, der auch nach 25 Jahren jeden Ton exakt traf und von Schreien bis Gospelgesang alles drauf hat. Höhepunkt war sicherlich seine Gesangsleistung bei "Open Letter To A Landlord", was mit "Amazing Grace" als Intro wunderbar funktionierte. Auch der Funk-Rocker "Glamour Boys" wurde frenetisch abgefeiert. Nach etwas mehr als einer Stunde "Vivid" gab es ein tolles Drumsolo, bei dem Schlagzeuger William Calhoun richtig glänzen konnte. Abschließend wurde dann, wie bereits angekündigt, das dritte Album "Stain" noch mit einigen Stücken gewürdigt.
Insgesamt ein tolles Konzert mit bestens aufgelegten und technisch extrem versierten Musikern. Im Herbst kommen sie wieder nach Deutschland und ich bin definitiv wieder dabei.
Wir danken Suldi von Souldanger für die unkomplizierte Akkreditierung.
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