The Living Room / Times Like Lakes
Times Like Lakes Spielzeit: 76:48
Medium: CD
Label: Woronzow Records, 1986 (2001)
Stil: Psychedelic

Review vom 13.06.2009


Tom Machoy
Vorn sitzt 'ne "Mickey Mouse" und ein Gitarre spielender Hippie im Regenbogenkreis. Aufgeschlagen zeigt mir das Klappcover ein sehr surreales, ja abstraktes, vielleicht auch naives Bild - ist das eine gesprengte Pizza? Nein, da läuft pinkfarbener Saft aus Armlöchern. Im Ganzen schon fast ein Rohrschacht-Bild. Und dann sind da hinten diese sechs ganz normal aussehenden ('jungen' *) Leute drauf - vor einer schrecklich-aussehenden, grün-weißen Tapete. Ich frage nicht, was den Künstler inspirierte, dafür findet sich folgender Text:
»Artwork with Love by madewithhate…« Und kontaktet werden kann er auch.
Musik höre ich, wie sie eben wieder ein wenig in Mode kommt, sixties acid-psych-Sound, kurze flotte Titel und denke mir, ist ja ganz nett, hat sich wieder eine Band erhoben, den guten alten Waber-Klang zu propagieren - weit daneben! Die Musik ist aus dem Jahre 1997!!! Deswegen steht auch dieses * hinter 'jungen' Musikern. Denn die sind nun ein paar Tage älter geworden.
The Living Room war eine kurzlebige Band, hat es aber doch im Jahre 1997 gleich auf zwei Tonträger gebracht, wovon "Chambers" (LP) sehr rar sein soll. Von diesem Album gibt es auf "Times Like Lakes" aber vier Titel als Bonus. Und nun, weil dieser Sound einen derzeitigen Aufschwung nimmt, u.a. auch durch Bands wie The Magnificent Brotherhood (ist aber eine ganz andere Geschichte mit ganz anderen Wurzeln), ist dieses Album im Klangstudio Leyh remastert worden. Vielleicht ist nach 12 Jahren nun die Zeit für The Living Room angebrochen? Sie kommen jedenfalls wirklich sehr authentisch daher und lassen mich keinen Augenblick daran zweifeln, dass diese Musik auch aus dem Jahre …1968… stammen könnte. Von der Instrumentierung her, Farfisa-Orgel, Fuzz- und Echo-Gitarren, Flöte (natürlich) passt alles auf's i-Tüpfelchen! Und soundmäßig grasen sie die schwebenden, wie die rockigen wie die folkigen Ebenen allesamt ab.
Als Krautrock-Vorbilder verweisen The Living Room auf Amon Düül 2 und Hölderlins Traum, auf jeden Fall aber auf den Geist des Summer Of Love. Nun denn zur guten Musik.
Das Intro beginnt bereits mit der flirrenden Orgel, gleitet ab und zu in leicht schräge Untertöne ab und gibt an kurzen Stellen der Fuzz-Gitarre eine Möglichkeit sich zu präsentieren. "Orange Platic" gibt der Gitarre die Räume, die sie braucht, sehr dominant, sehr schön, gelegentlich äußerst aggressiv. Hier kommen auch die Frauenstimmen ins Spiel und das erinnert mich schon an Amon Düül 2 (so sehr sauber und kräftig war da keine in der Stimme) - nicht unbedingt schön, aber passend. Und über Geschmack brauchen wir uns nicht zu streiten. Mit knapp fünf Minuten ein sehr langer Track, den ich aber durchweg empfehlen kann.
Der Titelsong ist eher orgelorientiert, auch, wenn die Fuzz-Gitarre ihr Solo bekommt und die Frauen versuchen erneut, die richtigen Töne irgendwann zu treffen, was auch gelingt. Aber wer hat sich damals darum geschert, ob jemand eine Gesangsausbildung hatte? Sie treffen den Zahn der Zeit, es passt alles; so zeigt es sich auch in den Fernseh-/DVD-Dokumentationen über die späten 60er, frühen 70er.
Das Morgenlicht ("Morning Light") bekommt zunächst einen Flöteneinstand. Nun ja, ich wiederhole mich hier nicht noch mal, was die Qualität angeht. Es wächst sich zu klasse gängiger, schön schneller Musik mit viel Gitarre aus, mit viel Orgel, die sich in dieser Kombination in allen Titeln wieder finden.
Noch ein Höhepunkt auf der CD ist für mich "Rising Dawn". Instrumental, indisch (mit Sitar statt Gitarre), sehr flink - ich kann ja hier nicht von donnernder Orgel reden. Diese ist aber so präsent, wie schnell fließendes Wasser und genüsslich höre ich dem zu. Hier auch nicht zu vergessen, eine hervorragende Percussion, die den Eindruck eines besonders psychedelischen Titels hält, Sitar wechselt zu Gitarre, es steigert sich zu immer mehr Klangfülle und endet durch die Orgel lang anhaltend, ausklingend. Zweistimmiger Frauengesang, Männer choral im Hintergrund, Sprechgesang, ein interessanter Titel auch wegen der Instrumentierung und Aufteilung des Stückes, das im Ohr bleibt, mir ebenfalls sehr gut gefällt und noch Stunden später nachklingt.
Im "Cloud Song" singt (mehr oder weniger) auch einer der Herren. Das Schema der Titel wirkt gleich - mit viel Orgel und Gitarre, Klangstrukturen sind aus früheren Nummern wieder zu erkennen, etwas Sitar, Glockenspiel oder eher Sound-Effekt - es ist egal, weil es nicht langweilig wird. Gitarren werden arg strapaziert und spätestens ab jetzt bekommt auch der "Cloud Song" mein großes Lob (sehr lang mit 5:10 Minuten).
Nicht nur der eigentlich letzte Track (der heißt auch "Last Song"), ist wie das Intro instrumental eingespielt. Die Orgel dominiert ein melodiöses Werk, schraubt sich höher und höher, verweilt ein wenig und springt stufenlos über mehrere Etagen um am Schluss am Regenbogen anzukommen.
Die Boni der Chamber-LP schließen sich nahtlos (in jeder Beziehung) an. "Acid Comes" fehlt diese wabernde Gitarre nicht wirklich, denn Gitarre gibt es reichlich und sehr gut gespielt; dafür sehr viel Flöte und ein wenig Sitar. Gesanglich stimmt auch alles, es passt und schmiegt sich sachte an die Musik. "Velvet Shadow" steckt wieder voller Gitarre, mit einem hervorragenden Solo (!), voller Gesang und dem Hippie-Spirit des Summer Of Love (passt ja auch zum Titel).
"Inside" weicht nun zum Beginn etwas vom bisher Gehörten ab. Es klingt nach Experiment (!): Eine nicht aufhörende Trommel (indianermäßig), sphärischer, einsilbiger Gesang, die Gitarre ist immer präsent, auch mal wabernd, die Sitar schlurft durch die Soundlandschaft. Ja, hier greifen The Living Room tief in die Krautrockkiste - was für ein Titel. Der letzte Song ist nur ein kleiner Song, an dem mir wieder besonders das Instrumentarium gefällt. Alles wird noch mal aufgeboten, ähnlich dem Vorgänger.
Die Boni sind experimenteller, krautiger, nicht ganz so ebenerdig - das gefällt mir! Und wenn die ganze "Chambers"-LP so ist, ist mir klar, warum das Ding (nicht bloß wegen der Limitiertheit) so rar ist!
Fazit: Das ist was für alle Acid-Psych-Freaks, das ist gut zu hören. Einige Titel brennen sich ein, die Boni mit der stark experimentellen Note sind großartig.
Wie war das? Es gibt RockTimes-Uhren? Dann gebe ich dafür 87/100! 
Line-up:
Anke Schattefor (vocals, flute)
Golbarg Zolfaghari (vocals, organ)
Dennis Busch (guitar, sitar, vocals)
Kai Becker (guitar, soundeffects)
Dominic Schattefor (bass)
Michael Eßfeld (drums)
Tracklist
01:Intro
02:Orange Plastic
03:Times Like Lakes
04:Morning Light
05:Rising Dawn
06:Far Behind
07:Cloud Song
08:Last Song
09:Acid Comes
10:Velvet Shadows
11:Inside
12:Just a Little Song
(09-12 = Bonustitel)
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