Lucero / Women & Work
Women & Work Spielzeit: 45:12
Medium: CD
Label: ATO Records, 2012
Stil: Roots Rock, Southern Rock


Review vom 04.04.2012


Steve Braun
Totgeglaubte leben bekanntlich länger. Lucero sind garantiert nicht von den Toten auferstanden - dazu ist diese Truppe viel zu aktiv… aber eben nicht hierzulande. Seit ihrer Gründung hat man es nämlich auf bislang acht Alben und zahllose Auftritte in Nordamerika gebracht. Und so geschieht es viel zu häufig, dass man hochambitionierte Bands, wenn sie mal drei Jahre keinen Ton auf Datenträger pressen, einfach und schnöde vergisst. »aus den Augen - aus dem Sinn«, wie es so traurig heißt. Die Veröffentlichungsflut hat mittlerweile die Ausmaße eines Tsunamis angenommen - zu 'privatem' Hörgenuss kommt der gemeine RockTimes-Mitarbeiter ohnehin kaum noch…
Genug gejammert - Lucero war vor einigen Jahren eine hocherfreuliche Neuentdeckung im Dunstkreis zwischen Southern Rock und Alternative Country. "1372 Overton Park" und "Rebels, Rogues & Sworn Brothers" waren richtig starke, homogene Alben und Songs wie "San Francisco" und vor allem "The Mountain" schlicht und ergreifend 'outstanding'!
Anfang 1998 war es, als die Jungs um den Bandleader Ben Nichols erstmals in ihrer Heimatstadt Memphis/Tennessee auftraten. Interessanterweise gehen ihre Wurzeln auf Alternative Country und (Achtung: Augen reiben) Punk zurück. Bei dieser Mischung denkt man spontan an die liebenswerte Anarcho-Truppe White Cowbell Oklahoma, obwohl die natürlich völlig anders klingen. Mit allem anderen als 'Punk' hätte ich Lucero in Verbindung gebracht - mit Southern Rock schon sehr viel eher! Oder den genialen Drive-by Truckers, die immer dann besonders deutlich durchschimmern, wenn Todd Beene seine Pedal Steel aufheulen lässt. Sehr schön auch die Horn Section, die, nach Art des Chicago Blues, immer wieder für messerscharfe 'Cuts' sorgt. Diese wurde von Lucero erstmals beim Vorgänger, "1372 Overton Park" eingesetzt. Für dieses Album bekam man erstmals einen Deal bei einem Major, Universal Music. Für "Women & Work" ist man bei Dave Matthews Label, ATO Records, untergekommen.
Mit »No fillers - only killers« würde ich gerne "Women & Work" charakterisieren - die Qualität des Songmaterials ist durchgängig auf einem richtig erstklassigen Niveau. [Kleiner Exkurs: Was soll dieser Titel? Ich dachte immer (Vorsicht: kleiner Scherz) 'Frauen' und 'Arbeit' seien im Grunde genommen kongruent…] Doch einen klaren Überflieger - das muss ich gleich vorausschicken - hat die Scheibe: Das schwerblütige "I Can't Stand To Leave You" erinnert mich in Stimmung wie Dramaturgie an die bislang beste Lucero-Nummer, "The Mountain". Der Band ist mit dieser Nummer eine weitere starke Southern Rock-Hymne gelungen!
Die beiden ersten Songs darf man als überaus liebevolle, intensive, ja 'gefühlsechte' Hommage an die Heimatstadt Memphis verstehen - die Horns verströmen jede Menge Sex'n'Soul. Der Titelsong ist ein raubeiniger Rock'n'Roll mit feinem Barrelhouse-Piano und die Schmalztolle fönendem Putzefix-Gebläse. Das melancholische "It May Be Too Late" steigert sich in eine kraftvoll zupackende Powerballade, mit herrlich gewebten 'Hammond-Teppichen ausgekleidet. Dampfend-brodelnd kocht das erdige "Juniper" auf… und dies garantiert nicht auf Sparflamme. Roots Rock, Soul und Memphis Blues sind die Zutaten für eine aphrodisierende Gumbo.
"When I Was Young" ist wieder so ein widerborstiger Roots-Rocker, wie man sie ausschließlich im Südosten der Vereinigten Staaten finden kann - herrlich, wie Ben Nichols seelenvoll rumnölt. Mit "Sometimes" bringen die Jungs endlich den ersehnten Country-Rocker, wer die Fiddle derart herzzerreißend 'quält', ist dem schön gestalteten Booklet leider nicht zu entnehmen. Fröhlicher Ragtime ist zu registrieren, wenn der tolle Keyboarder Rick Steff "Like Lightning" eröffnet. Den Mann kennen wir übrigens von den Dexy's Midnight Runners, für die er in den Achtzigern in die Tasten gegriffen hatte. Ganz tief wird zum Abschluss mit "Go Easy" in den 'Schmalztopf' gegriffen. Schwülstig-opulent, schwerblütig, melancholisch und verschwitzt, wie man es nur aus dem Herz des Südens geboten bekommt. Eine dreiviertel Stunde bester Unterhaltung neigt sich dem Ende zu…
Insgesamt betrachtet ist "Women & Work" sicherlich ein noch höheres Level als den beiden bereits sehr guten Vorgängern zu attestieren. Ein schönes DigiPak mit einem gut gefüllten Booklet rundet das Gesamtbild nach oben ab.
Überhaupt mag ich solche Saufnasen… »I know the last time we drank, I was a little less than behaved«, wie es - sicherlich stammt der Spruch von Ben Nichols - verschmitzt im Inner Sleeve des Covers heißt. Und ich mag natürlich auch die tollen Mailorder hierzulande, die immer wieder solche Perlen ausgraben und helfen, diese musikalische Wüste hierzulande zu 'bewässern'. Ein dicker, fetter Kauftipp für die neue Lucero!!
Line-up:
Ben Nichols (vocals, guitar)
Roy Berry (drums)
John C. Stubblefield (bass)
Rick Steff (piano, organ, accordion)
Todd Beene (pedal steel)
Brian Venable (guitars)
Tracklist
01:Downtown (Intro)
02:On My Way Downtown
03:Woman & Work
04:It May Be Too Late
05:Juniper
06:Who You Waiting On?
07:I Can't Stand To Leave You
08:When I Was Young
09:Sometimes
10:Like Lightning
11:Go Easy
Externe Links: