Rita Marley / No Woman No Cry
Mein Leben mit Bob Marley
No Woman No Cry - Mein Leben mit Bob Marley Edel Rockbuch
Erscheinungsjahr: 2010
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten, teilweise farbige Abbildungen
Maße: 23,6 x 22,1 cm
ISBN 9783941376182 , 19,90 EUR (D)

Review vom 08.05.2010


Sabine Feickert
Rita Marley, Ehefrau, Weggefährtin und Backgroundsängerin der Reggae-Ikone Bob Marley erzählt von ihrem Leben mit Bob.
Sie beginnt bei ihrer Kindheit in Trench Town, einem Armenviertel der jamaikanischen Hauptstadt Kingston, wo Rita, nachdem ihre Mutter sich auf der Suche nach einem besseren Leben auf und davon gemacht hat und ihr Vater, um seine Kinder zu finanzieren, nach England auswandert, bei ihrer Tante Aunty aufwächst. Geprägt von Arbeit und dem Wunsch etwas zu erreichen, will sie nach dem - damals als Mädchen nicht selbstverständlichen Schulbesuch - eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Eine frühe, uneheliche Schwangerschaft durchkreuzt ihre Pläne und lässt die Tante die Nichte sehr aufmerksam überwachen.
Ritas Leidenschaft für die Musik, die sich schon sehr früh zeigt, wird allerdings von der Tante respektiert. Rita hat - zusammen mit ihrem Cousin Constantin 'Dream' Walker und Marlene 'Precious' Gifford, mit denen sie später die Soulettes bildet, den damals noch in den Anfängen befindlichen Wailing Wailers (Bob Marley, Bunny Wailer und Peter Tosh) auf der Straße 'aufgelauert' und ihnen vorgesungen. Die Soulettes werden zum Backgroundchor der Wailers und für die gemeinsamen Proben im Studio One darf Rita das Haus verlassen. Bei einer dieser Proben fällt Bob auf, dass Ritas Brust nass ist, weil sie eigentlich schon ihre Tochter Shannon stillen müsste. Das bisher verschwiegene Kind schockt Bob jedoch keineswegs, sondern ruft seine Fürsorge und sein Interesse hervor, er schickt Rita zum Stillen nach Hause.
Bob selbst war aufgewachsen bei seinem Stiefvater und dessen neuer Lebensgefährtin, die ihn als Dienstbote behandelte. Seine Mutter lebte, auf der Flucht vor der Armut in Jamaika, in Delaware (USA), sein leiblicher Vater, ein Weißer, hatte keinen nennenswerten Kontakt zu ihm.
Die beiden kommen sich über ihre Musik näher und werden ein Paar. Bob macht nach kurzer Zeit Rita mit dem Gedankengut der Rastafari-Religion (http://de.wikipedia.org/wiki/Rastafari) bekannt und bekehrt sie dazu. Während sich Aunty noch gut anfreunden kann mit Marcus Garveys Gedankengut, der in erster Linie das Selbstbewusstsein der Schwarzen stärken will, lehnt sie andere Aspekte der Rasta-Bewegung kategorisch ab, beispielsweise der Verzicht auf Schweinefleisch und ganz besonders den Konsum von Cannabis. Auch die Beziehung zu Bob ist der kritischen Tante ein Dorn im Auge, vielleicht auch, um eine schnelle zweite uneheliche Schwangerschaft der Nichte zu verhindern. Doch noch bleibt Rita auf sie angewiesen und in ihrem Haus wohnen.
Aber die Beziehung hat Bestand. Kurz bevor Bob zum Arbeiten zu seiner Mutter nach Delaware reist, die nun endlich das Geld zusammen hat, um ihm die notwendigen Papiere und Reisekosten zu bezahlen, heiraten Bob und Rita. Bobs Aufenthalt in den USA bleibt nur von kurzer Dauer, nach acht Monaten kehrt er nach Jamaika zurück und Rita, die während seiner Abwesenheit weiterhin Background im Studio One gesungen hat, wird mit Cedella schwanger. Das Geld, das Bob von seinem USA-Aufenthalt mitgebracht hat, reicht gerade aus, dass er mit Peter und Bunny ins Studio gehen und ein paar alte Songs aufnehmen kann. Rita übernimmt den Verkauf und die Verteilung der Platten und das, was man heute Promo nennt: die Anstrengungen, die Platten in die Radiosender zu bringen.
Sie leben von der Hand in den Mund, wohnen bei Aunty. Die Konflikte mit der Tante nehmen jedoch weiter zu, was Bob schließlich dazu bewegt, in das leerstehende Haus seiner Mutter auf dem Land ziehen zu wollen. Gemeinsam mit Rita macht er sich auf den Weg nach Nine Miles. Dort erwartet sie eine schäbige Hütte, ohne Wasser und Strom, ohne Küche oder Toilette, jedoch reichlich Unterstützung von den Dorfbewohnern, die ihnen helfen, ihre Unterkunft einigermaßen bewohnbar herzurichten. Shannon bleibt vorerst bei Aunty, Rita besucht sie dort regelmäßig. Der Aufenthalt in Nine Miles ist jedoch ebenfalls nicht von langer Dauer. Kurz vor der Geburt von Cedella kehren Rita und Bob zu Aunty zurück, damit das Kind in einem Krankenhaus in Kingston zur Welt kommen kann. Mit zwei kleinen Kindern und schon wieder schwanger wird es bei der Tante zu eng.
In einem Zimmer mit Laden beziehen Rita und Bob die nächste Zwischenstation und erleben die ersten Erfolge ihrer Musik in Jamaika. Doch auch diese eigenen vier Wände sind nur für kurze Zeit - das dritte Kind David, das später als Ziggy in die Fußstapfen des Vaters treten wird, kommt wieder im Haus der Tante zur Welt. In dieser Zeit knüpft Bob Kontakt zum Sänger Johnny Nash, der mit Bobs Song "Stir It Up" in die Charts gelangen sollte. Eine Zusammenarbeit mit JAD Records, dem amerikanischen Label von Nash, dem Produzenten Arthur Jenkins und dem Geschäftsmann Danny Sims, bahnt sich an.
Das Leben bei der Tante und von der Hand in den Mund belastet Rita immer stärker. Nachdem nun auch geschäftliche Kontakte in die USA bestehen, ziehen Bob, Rita und die drei Kinder zu Bobs Mutter nach Delaware. Mit den ersten Erfolgen beginnt Bob, Rita gegenüber den Medien als 'Sister' zu titulieren und ihre Ehe der Öffentlichkeit zu verheimlichen. JAD organisiert eine Europatour, auf der Bob in Stockholm Ritas Vater kennenlernt, der sich dort mit mehreren Jobs gleichzeitig und seiner Musik über Wasser hält. Doch trotz der Erfolge zahlt JAD nur wenig Tantiemen an die Musiker aus, hat dafür aber die Verträge so gestaltet, dass ihnen umfangreiche Rechte an dem Songmaterial zustehen. Nach Bobs Tod überschwemmen sie den Markt mit Veröffentlichungen, zu seinen Lebzeiten wollen sie aber nur sein Songwritertalent nutzen.
Bobs Europatour endet in London, dort sitzt er mit Peter und Bunny und muss feststellen, dass Nash und Sims sie im Stich gelassen haben. Bob knüpft erste Kontakte zu Chris Blackwell von Island Records, die ihm jetzt nur die Rückkehr nach Hause ermöglichen, sich später jedoch noch auszahlen werden. 1971 erleben Rita und Bob ihren absoluten Tiefpunkt. Sie haben kaum Einnahmen, leben wieder sehr beengt bei Aunty und Rita wird erneut schwanger. Rita geht mit Ziggy nach Delaware, um dort Arbeit zu suchen, während Bob mit den Mädchen bei Aunty bleibt. Ursprünglich ist geplant, dass Bob nachkommt, aber die Einberufung zum amerikanischen Militär in der Zeit des Vietnamkriegs, lässt ihn von diesem Plan Abstand nehmen und auf Jamaika bleiben. Er schreibt mehrere Songs täglich, unter anderem "Talking Blues", "My Woman is Gone" und "Baby Come on Home". Eine Lungenentzündung Ziggys gibt schließlich den Ausschlag dafür, dass Rita zurückkehren will, aber Bob lehnt dies ab. Stephen Marley wird in den USA geboren, doch nach kurzer Zeit hält es Rita dort nicht mehr und sie kehrt nach Jamaika zurück. Dort hat Bob zwei Frauen geschwängert, ihre Söhne sind etwa einen Monat nach Stephen geboren. Rita hat etwas gespartes Geld aus Amerika mitgebracht und will nun zusehen, dass sie finanziell unabhängig wird.
Doch schnell sind diese Reserven aufgebraucht, Tantiemen von JAD trudeln nur sehr spärlich ein. In diesem Schlamassel trifft ein Angebot von Chris Blackwell ein, der Bob anbietet das Island House zu übernehmen, ein Anwesen in der Hope Road mit Studio und Wohngebäude, Land und mehreren Nebengebäuden.
Chris veröffentlicht "Catch A Fire" als erstes Album der Wailers, das ein Hit wird und ihnen den Durchbruch ermöglicht. Ein neues Leben beginnt. Ebenso regelmäßig wie nun die Einkünfte kommen, hat Bob auch Affären mit anderen Frauen. Rita zieht mit ihren Kindern in ein Haus in Bull Bay, weg aus dem Armenviertel und weg von Aunty. Dort bewirtschaftet sie einen Hausgarten, um ihre Kinder mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Bob lebt mittlerweile eigentlich sein eigenes Leben, jedoch zieht es ihn gelegentlich noch zu Rita. Bei einer dieser Gelegenheiten wird Rita infolge einer »Quasi-Vergewaltigung« mit Stephanie schwanger. Da Rita so großen Erfolg mit ihrem Garten hat und noch immer den Wunsch nach einer eigenen Einnahmequelle hegt, kauft Bob ihr eine Farm in Clarendon Parish. Die Erzeugnisse dieser Farm verarbeitet Rita in dem von ihr eröffneten Queen Of Sheba Restaurant am Eingang von Island House.
Doch noch immer ist sie nicht ausgefüllt, sie beginnt mit Marcia Griffith und Judy Mowatt als I-Three zu singen. Bob rückt in dieser Zeit in den Mittelpunkt der Wailers, Peter und Bunny ziehen sich zurück und verlassen die Band. Bob holt die I-Threes als Backgroundchor für "Natty Dread" dazu. 1974 gehen sie gemeinsam auf Tour, der sich einige Jahre gemeinsames musikalisches Schaffen anschließen werden. Mittlerweile leben Bob und Rita auch wieder als Paar, sie nehmen sogar Bobs uneheliche Tochter Karen in ihre Familie auf.
Endlich, nach so vielen Jahren, bietet sich Rita die Chance auf ein eigenes Soloalbum - Hansa möchte es produzieren. Bob schießt zunächst quer, doch Rita lässt sich nicht unterkriegen und nimmt die Platte auf. Gerade als sie dafür auf der Promotour ist, wird Bob sehr krank und Rita bricht die Tour ab, um zu ihm zu gehen.
Aus einer anfänglich banalen Verletzung am Fuß hat sich ein Melanom entwickelt, Bob stimmt der Amputation des befallenen Zehs nicht zu und nach einigen Monaten hat der Krebs sich über den ganzen Körper bis ins Gehirn ausgebreitet.

Bob Marley stirbt 1981 in Florida.
Dass seine Musik nicht mit ihm gestorben ist, daran hat Rita Marley einen großen Anteil. Sie sorgt auch nach seinem Tod dafür, dass es weitergeht mit Bob Marley, dem Reggae, der Rasta-Bewegung und seiner Familie.
Rita Marley schreibt in ihrem Buch aus ihrer Sicht, die sehr viel mehr von Armut und Arbeit denn Ruhm und Geld geprägt ist. Sie stellt sich glaubhaft als diejenige dar, die hinter den Kulissen dafür gesorgt hat, dass es irgendwie weitergeht, ihrem Mann den Rücken freigehalten hat und den Spagat zwischen Familie, Geld verdienen und eigener künstlerischer Erfüllung gemeistert hat. Das alles beschreibt sie so lebendig und anschaulich, dass der Leser regelrecht in ihr Leben hineingezogen wird.

Tolles Buch!
Tolle Frau!
Chapeau!
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