Buddy Miller / The Majestic Silver Strings
The Majestic Silver Strings Spielzeit: 81:14
Medium: CD & DVD
Label: Blue Rose Records, 2011
Stil: Americana / Country

Review vom 30.03.2011


Hans-Jürgen Lenhart
Der Americana-Spezialist Buddy Miller scheint längst in die Rolle eines Klangmeisters der besonderen Art zu schlüpfen, ähnlich wie es Rick Rubin (für Alben von z. B. Johnny Cash) oder Daniel Lanois (z. B. bei Bob Dylan) sind. Musikproduzenten (und Musiker), deren Handwerk man sofort heraushören kann. Buddy Miller verfeinerte als Leadgitarrist bereits die Musik von
Emmylou Harris und als Bandleader die von Robert Plants Band Of Joy. Bei "The Majestic Silver Strings" handelt es sich nun einerseits um eine Art String-Supergroup, aber bei genauer Betrachtung finden sich vor allem gestandene Jazzmusiker in diesem Quartett. Mit anderen Worten, man kann Außergewöhnliches erwarten.
Neben Buddy Miller an der Mandogitarre sind der gewöhnlich sperrige, aber vielseitige Marc Ribot, der in letzter Zeit in Sachen Country neu verliebte Bill Frisell und der anpassungsfähige Steel-Gitarrist Greg Leisz dabei, begleitet von Dennis Crouch am Bass und Jay Bellrose als Drummer. Das Album belebt klassische Country-Songs wieder und zwar vornehmlich als Gitarrenalbum, bei dem sich der Klang verschiedener Saiteninstrumente wie Requinto, Mandogitarre, Slide-Guitar, E-Gitarre, akustische Gitarre, Pedal Steel, Lap Steel und Bariton-Gitarre regelrecht verweben. Urtümliche Americana-Stücke werden in ein Klanguniversum versetzt, das einerseits bar jeder Kategorien ist, dennoch mehr Country vermittelt, als die gewöhnliche Nashville-Mucke. Hier fühlt man, dass sich die schwebenden Klangteppiche des Jazzers Bill Frisell und die Lap Steel-Wolken von Greg Leisz, wenn auch aus völlig verschiedenen Stilrichtungen kommend, zu einem großen Gemeinschaftsgefühl vereinen.
Durch dieses Konzept, zweifelsohne das Verdienst Buddy Millers, erlebt man einen Prozess der Restaurierung, vergleichbar mit der Verwandlung einer alten Rostlaube zu einem eleganten Maybach mit Weißbandreifen, der wieder fahrbar gemacht wurde. Für manche mag dies beim ersten Hinhören heillos romantisches Altherren-Geklimpere sein, dennoch merkt man in den Instrumentalteilen sehr schnell, dass hier keine verträumten Nostalgiker am Werk sind. Vielmehr wurde hier Americana-Klassikern ein Sounddesign verpasst, das man am besten als Spezial-Veredelung bezeichnen kann. Diese Musiker verstehen wirklich etwas von Atmosphäre. Und das macht das Album sogar Grammy-verdächtig.
Es sind aber immer noch Country-Songs und keine kammermusikalischen Jazz-Adaptionen, denn eine beträchtliche Anzahl von Sängern und Sängerinnen wie Patty Griffin, Julie Miller, Shawn Colvin, Emmylou Harris,Lee Ann Womack und Ann McCrary sind hier zu hören. Derartige Musik ist voller theatralischer Gefühle. Das ist nicht anders als im Tango. Darauf muss man gefasst sein. Ein unschlagbarer Cowboy-Walzer wie "Cattle Call" am Anfang, liefert einen sanften Flug über die Prärie und wenn dann irgendwann gejodelt wird, beginnt schon das erste Wohlfühlen wie ein wärmender Magenbitter. Wer so viel Zucker allerdings nicht vertragen kann, sollte hier bereits aussteigen, denn da ist noch einiges an musikalischem Hüftgold drin. Echte Heart-breaking-Songs mit wimmernder Lap Steel und bestechendem Sirenengesang wie "Return To Me", mit dem uns schon Dean Martin die Tränen in die Augen trieb, sind halt nur dann gut, wenn sie kompromisslos vor sich hin schnulzen. Also wenn schon, dann richtig.
Doch mischt sich hier noch Einiges mehr. Das geht von Gospel im Stil von Mavis Staples bis zum Country Blues "Freight Train", bei dem sich die Klänge der vielen Saiteninstrumente besonders stark verweben. Aus Roger Millers "Dang Me" wird ein Swamp Rock-Blues, der an Ry Cooder erinnert, und den Abschluss bildet ein sehnsüchtiges Folk-Duett von Buddy Miller mit Gattin Julie. Auch wenn ein paar Nieten dabei sind, gibt es einige Meisterwerke zu finden wie "Bury Me Not On The Lone Prairie". Hier spürt man regelrecht die flirrende Hitze. Lang ausklingende Akkorde der E-Gitarre werden von der akustischen Gitarre umspielt, dazu ein gebrochener Gesang über den letzten Wunsch vorm Abnabeln. Plötzlich kriechen langgezogene Feedbacks über die Hügel, die vier apokalyptischen Gitarristen spielen immer wilder, freier, mysteriöser, mischen sogar arabische Floskeln ein. Ein einsames Windspiel bildet schließlich den Ausklang. Eine Figur in langem schwarzen Mantel und tief gezogenem Hut müsste da doch jetzt hinter der zerfallenen Hütte hervortreten, ein Mann, der aussieht wie der Undertaker. Das hat das Zeug zum unschlagbaren Klassiker.
Manche der Songs brechen ab und beginnen gleich erneut, sind sozusagen ungeschnitten. Wahrscheinlich ist das gewollt, erinnert es doch an die Machart eines der wichtigsten Country-Alben aller Zeiten mit ähnlichem Konzept (und sogar ähnlicher Aufmachung): "Will The Circle Be Unbroken Vol. I" der Nitty Gritty Dirt Band von 1972. Das Treffen der vier majestätischen Saitenmeister wurde auch auf einer beiliegenden, 20-minütigen DVD festgehalten.
Line-up:
Buddy Miller (mandoguitar, baritone guitar, vocals)
Bill Frisell (electric guitar)
Marc Ribot (acoustic guitaa, requinto)
Greg Leisz (steel guitars)
Jay Bellerose (drums)
Dennis Crouch (bass)
Tracklist
CD:
01:Cattle Call (4:11)
02:No Good Lover [Feat. Ann McCrary] (4:58)
03:I Want To Be With You Always [Feat. Patty Griffin] (3:11)
04:Barres De La Prison [Feat. Marc Ribot] (3:50)
05:Meds [Feat. Lee Ann Womack] (3:31)
06:Dang Me [Feat. Chocolate Genius] (5:02)
07:Bury Me Not On The Lone Prairie [Feat. Marc Ribot] (6:00)
08:That's The Way Love Goes [Feat. Shawn Colvin] (4:29)
09:Freight Train (Instrumental] (2:50)
10:Why I'm Walkin' [Feat. Emmylou Harris) (5:48)
11:Why Baby Why [Feat. Marc Ribot] (3:40)
12:Return To Me [Feat. Lee Ann Womack] (5:06)
13:God's Wing'ed Horse [Feat. Julie Miller] (4:10)
DVD:
01:Unraveled: The Making of the Majestic Silver Strings, Mini Documentary (21:00)
02:Why Baby Why Live At Belcourt Theatre) [Feat. Marc Ribot] (3:28)
Externe Links: