Magenta / The Twenty Seven Club
The Twenty Seven Club Spielzeit: 64:22 (CD), 176:40 (DVD)
Medium: CD + Bonus-DVD
Label: Tigermoth Records, 2013
Stil: Neo Prog

Review vom 20.10.2013


Steve Braun
Mal wieder so ein Album aus der Neoprog-Ecke, das den Hörer so richtig mittig zu spalten vermag. Musikalisch auf (fast) ganzer Linie überzeugend, passt das textliche Konzept hinten und vorne nicht. Es ist sicher eine blendende Idee, sechs epische Stücke thematisch dem sogenannten 27er-Club zu widmen, aber ausgerechnet in einem Artrock/Neoprog-Korsett? So kreiste offenbar der magentafarbene Berg und gebar einen Hermaphroditos: einen musikalischen Riesen und ein Skript im Mausformat. Und vor allem: Der Berg kreiste in erster Linie um sich selbst...
Die Epen von "The Twenty Seven Club" beschäftigen sich mit sechs prominenten Mitgliedern dieses legendären 'Clubs', zumeist vor mehr als vierzig Jahren verstorben und somit überwiegend knietief im Blues verwurzelt. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Kann man diese musikalischen Bezüge komplett ausklammern und stattdessen ein lupenreines Magenta-Album erschaffen?
Wird in "The Lizard King" wenigstens noch Jim Morrison mit einigen Flamenco-Zitaten aus "Spanish Caravan" (Waiting For The Sun, 1968) gedacht, so erscheinen Yes-Adaptionen in "Ladyland Blues" und (vor allem) "Stoned" deplatziert. Jimi Hendrix bzw. Brian Jones lassen sich hier nicht wiederfinden. Besonders frappierend kommt bei "Pearl" noch obendrauf, dass Frontfrau Christina Booth einer >Janis Joplin stimmlich nicht das Wasser reichen kann. Muss man auch gar nicht, wenn der Schuster eben bei seinem Leisten bleibt, um jetzt mal ein beliebtes Sprichwort zu bemühen.
Ausgerechnet mit Robert Johnson ("The Devil At The Crossroads") gelingt das Experiment wenigstens teilweise überzeugend. Zum einen, weil dessen Songs ohnehin nach sehr persönlichem Gutdünken gecovert wurden und werden, zum anderen lassen sich die mysteriösen Umstände seines Todes recht gut in einen ebenso mystischen musikalischen Kontext transferieren.
Wenn man jetzt einfach mal das Konzept außen vor lässt, ist den drei Walisern mit "The Twenty Seven Club" - rein musikalisch betrachtet - schon ein tolles Neoprog-Album gelungen. Gut, von den vereinzelten Selbstplagiaten abgesehen, aber wenn man dies mal positiv wertet, ist sich Magenta mit diesen Kompositionen selbst treu geblieben.
Fünf Jahre lang haben sie, so Mastermind Rob Reed in der Dokumentation auf der Bonus-DVD, an diesen sechs Stücken gefeilt. Und das merkt man auch - pure Perfektion ist das! Ganz in der Tradition ihres Genre wurzelnd bedient sich Magenta ziemlich satt bei üblichen Verdächtigen: bezüglich der bombastischen Klangkaskaden bei den frühen Genesis sowie deren Epigonen Marillion - eher bei den bereits genannten Yes, wenn es die feingliedrigen Ziselierungen der Ausschmückungen betrifft. Magenta beweisen einmal mehr, dass sie sich hinter ihren Wegbegleitern wie IQ oder Frost* wohl kaum zu verstecken brauchen. Organischer und seelenvoller als alles, was eine Seifenblase (für mich jedenfalls) wie Glass Hammer in den letzten Jahren aufgeblubbert hat, ist "The Twenty Seven Club" allemal.
Anspieltipps? Auf jeden Fall das balladeske, sehr orchestral arrangierte "The Gift", das Kurt Cobain gewidmet wurde, und natürlich das enorm vielschichtige "The Devil At The Crossroads". Hörenswert sind die Titel allerdings durch die Bank!
Auf der Bonus-DVD, die der Special Edition beigefügt ist, gibt es als Zugabe das komplette Album als fulminanten Dolby- und DTS 5.1 Surround-Mix, der sich umwerfend anhört. Dazu einen Videoclip zum stark komprimierten "The Lizard King" (etwa fünf statt zwölf Minuten) sowie eine gut eineinhalbstündige Dokumentation zum Making-of von "The Twenty Seven Club". Hier nehmen die Musiker - allen voran Mastermind Rob Reed - natürlich auch zur Idee hinter dem Konzept Stellung, ohne allerdings (mich) restlos überzeugen zu können.
Rein musikalisch betrachtet, hat hier wieder ein lupenreines Magenta-Album die Musikwelt erblickt. Die walisischen Progger bewegen sich auf bewährten Pfaden getreu dem Motto: Nichts wirklich Neues, aber das Alte richtig gut. Was das Konzept betrifft wird es mit Sicherheit Hörer geben, die da nicht so empfindlich-überspannt wie meine Wenigkeit reagieren mögen. Das ist bekanntlich - wie eigentlich alles - reine Geschmackssache.
Apropos: Artwork wie Booklet sind überaus geschmackvoll gestaltet worden und somit ein echter Hingucker.
Line-up:
Christina Booth (lead vocals)
Rob Reed (keyboards, bass, electric and acoustic guitar, mandolin, records, backing vocals)
Chris Fry (electric and slide guitars)

Special Guest:
Andy Edwards (drums)
Tracklist
CD:
The Lizard King (12:01)
Ladyland Blues (10:45)
Pearl (8:17)
Stoned (11:24)
The Gift (6:59)
The Devil At The Crossroads (14:46)
Bonus-DVD:
01:Complete 5.1 Surround-Mix (64:22)
02:The Making Of The Twenty Seven Club (107:00)
03:The Lizard King - Promo Clip (5:18)
Externe Links: