Mamsell Zazou / The Ocean Next Door
The Ocean Next Door Spielzeit: 56:33
Medium: CD
Label: Unit Records, 2012
Stil: Jazz/Avantgarde

Review vom 23.09.2009


Wolfgang Giese
»Ich kann dir die Welt nicht zu Füßen legen, sie gehört mir nicht, ich werde dir keinen Stern pflücken«. Entgegen jeder seichten Schlagersentimentalität ein reales Statement, ein Zerplatzen einer Seifenblase einer heilen Welt, kein Stern in Aussicht, der meinen Namen trägt? Wie destruktiv ist das denn? Klare Worte zu Beginn, bevor überhaupt Musik einsetzt. Doch auch die Worte »Ich liebe Dich mit meiner ganzen Liebe« fallen. Noch einen weiteren deutschen Titel gibt es auf dieser CD der Schweizer Band, "Die Schildkroete auf dem Karussell", doch der ist instrumental. Alle anderen Texte sind in Englisch, und bieten neben einer Geschichte über einen lustigen Erdbeermann einiges an nachdenklichen Texten, man sollte einmal lesen!
Das Konzept Lyrik und Musik ist sicher nicht neu und hier auch nicht neu erfunden worden, doch stellt dieses Album eine weitere Variante des Themas dar. Dieses ist das Debütalbum der Formation und gleich ein ungewöhnlicher Einstieg. Der Gesang, der sich so gar nicht an üblichen Hörgewohnheiten orientiert, mag die/den Eine/Anderen irritieren, steht er doch nicht nur als typischer Gesang im Vordergrund, sondern die Akteurin nutzt sie als Instrument, mitten im Kontext der anderen Instrumente. Jazz ist es eigentlich schon, doch mischen sich darin auch Chanson-Elemente und avantgardistische Züge, die das Hören nicht unbedingt zugänglicher machen, dieses andererseits aber auch einen besonderen Anspruch unterstreicht, nämlich den, alles andere als im Mainstream mit zu schwimmen.
Sehr stilprägend sind zudem Gitarre und Keyboards als weitere Soloinstrumente, aber auch im Verbund mit dem Schlagzeug als gestaltende Elemente. Ich stoße auf Spuren von kindlicher und erfrischender Naivität, auf wohldurchdachte Strukturen, auf Spontaneität in einer musikalischen Vielfalt, die man nicht oft auf diese Art und Weise vorfindet. Oft ging es mir beim Durchhören so, dass ich mich gerade auf eine bestimmte stilistische Ausprägung eingestellt habe, und dann plötzlich eine andere Stimmung die Oberhand gewinnt. Persönlich gefällt mir die Spielweise des Gitarristen sehr gut, vermag er doch hin und her zu springen zwischen luftigen Solopassagen, gedämpften Saitentupfern und frech eingeworfenen Statements.
Lyrische Momente wechseln so mit Fusion-Ausprägung, wenn dann elektronische Keyboardsounds eingebracht werden oder das Schlagzeug einmal rockiger wird. Der Moog flirrt gelegentlich in die Szenerie, um von der klar gespielten Gitarre abgelöst zu werden. Man benötigt tatsächlich einige Hördurchgänge, um der Musik Herr zu werden. Allen Musikern kann uneingeschränkt Professionalität bescheinigt werden, und immer dann, wenn sie los gelassen werden, zum Beispiel bei "Wrap Up The Moon", wo mir erstmalig auffällt, dass ja gar kein Bass dabei ist, obwohl Basslinien diesen Song zusammen halten. "Mr. & Mrs. Clockwork" ist einer der Instrumentaltitel, bei der die Stimme dennoch nicht zu kurz kommt, werden hier einfach Wortfetzen zu Hilfe genommen. Hier bin ich mir persönlich nicht so sicher, ob das uneingeschränkt so passt. Man ist halt Gesang mit Text gewohnt oder aber wieselflinken Scat, hier liegt der Fall anders. So gefällt mir die lange, rein instrumentale Passage besser, vor allem das von den übrigen Instrumenten vorangetriebene Gitarrensolo, das mit Keyboard und Schlagzeug kommuniziert. Inmitten des Titels verliert sich die Musik wie in einer Traumlandschaft, sie schwebt, ohne Rhythmus, Boersch-Supan scheint hier zu sprechen, nur in einer dann wohl unbekannten Sprache, doch meint man, gelegentlich etwas erkennen zu können, vielleicht jede/r dann auch andere Worte. Das ist recht interessant und herausfordernd.
Insgesamt halte ich diese Produktion für sehr gelungen und abseits so manchen Pfades, meine persönliche Anschauung ist es, dass mir der Gesang nicht unbedingt sehr zusagt, manchmal etwas mehr, dann wieder weniger. Aber letztlich passt es meistens zusammen, gelegentlich scheint er keine Kernschmelze mit den übrigen Instrumenten einzugehen und steht dann doch etwas daneben. Aber ich denke, daran kann man arbeiten.
Am besten ist es für mich stimmig in ruhigen Momenten wie auf dem Abschlusstitel. Hier herrscht eine sehr gute Harmonie am Anfang des Songs zwischen Keyboard und Gesang, der sich jedoch auch beim Aufwallen der Gefühle entsprechend hält, das für mich vielleicht beste Beispiel dafür, wie es aus meiner Sicht am besten passt.
Line-up:
Christine Boersch-Supan (vocals)
Martin Knorz (Fender Rhodes, Moog)
Phillip Staffa (guitar)
Fabian Hoenes (drums, glockenspiel)
Tracklist
01:Ich kann dir die Welt nicht zu Füßen legen [Boersch-Supan/Mueller](4:17)
02:Aquatic Remedy [Boersch-Supan/Boersch-Supan](4:08)
03:Underneath [Boersch-Supan/Boersch-Supan] (6:14)
04:Wrap Up The Moon [Staffa/Staffa](4:50)
05:Mr. & Mrs. Clockwork [Staffa](9:23)
06:Lullabyebye[Boersch-Supan/Boersch-Supan] (7:00)
07:Funny Little Strawberry Man [Boersch-Supan/Boersch-Supan] (4:52)
08:Fallen Fruit [Boersch-Supan/Boersch-Supan] (6:08)
09:Die Schildkroete auf dem Karussell [Boersch-Supan](4:16)
10:Riverside Song [Boersch-Supan/Boersch-Supan] (5:22)
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