Mangrove / Coming Back To Live
Coming Back To Live Spielzeit: 50:17 (CD 1), 44:04 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Mangrovian Music, 2006
Stil: Neo Prog

Review vom 23.11.2006


Ulli Heiser
Hätte ich CD 1 des Doppelpacks nicht selbst eingelegt und somit gewusst, dass der Bandname Mangrove lautet: Ich hätte auf eine alte, mir unbekannte Genesis-Scheibe getippt. Erst mal, so aus der Lamäng.
Die Stimme, die Art des Songwritings... Schon mal schön, wenn eine neue CD gleich mit den ersten Takten 'alte Erinnerungen' weckt.
Roland van der Horst und Joost Hagemeijer taten richtig, das 1995 gegründete Zweier-Projekt Brainstorm zur Bandstärke auszubauen, um in der Lage zu sein, auch live aufzutreten. Sicher ist Prog Rock wohl die Spielart, die dem Hörer vor den heimischen Lautsprechern, bzw. unter dem Kopfhörer, den größtmöglichen Hörspaß beschert. Oder sagen wir mal so, zu Hause und gerade unter den Ohrmuscheln hat man in der Regel die nötige Ruhe, um den Detailreichtum dieser so facettenreichen Musik am besten aufzunehmen. Aber auch live ist diese Art Musik ein Erlebnis der besonderen Art. Im Grunde ist es mit allem so: Live ist selten zu toppen.
Aufgenommen wurden die 10 Tracks (mit fast 100 Minuten Spielzeit!!) am vierten November 2005 im niederländischen Gigant in Apeldoorn. CD 2 besteht fast komplett aus dem letzten Studioalbum "Facing The Sunset". Nun ja, schließlich war es das Release-Konzert des Konzeptalbums.
CD 1 ist gefüllt mit Material der ersten beiden Scheiben. Im Vordergrund stehen die Keyboards, zu denen sich perfekte Melodien und Vocals gesellen. "Zone I" wartet außerdem mit einem knallenden Bass auf. "Cold World" fährt die ganze Bandbreite an 70er Neoprog. Musikalische Spannung baut sich auf. Man bekommt Harmonien um die Ohren gebraten, schöne Vocals und beruhigende Keyboardsequenzen - bis sich via Break eine bedrohliche Stimmung zusammenbraut. Immer wieder gern gehört, dieses 'Spielen' mit dem Hörer. Nach der akustischen 'Bedrohung' schleicht sich, einer idyllisch gezeichneten Streuobstwiese gleich, der nächste Ohrschmeichler an. Der hört auf den Namen "Wizard Of Tunes" und spätestens jetzt bekomme ich Appetit auf die Studioalben der Band. Überhaupt kann ich Mangrove ein enormes Gefühl für perfektes Songwritng attestieren Es passt einfach alles. Seien es die Kombinationen Taste/Stimme, die gekonnt eingesetzen Gitarrenriffs und Läufe. Man hat immer das Bedürfnis durchs Fenster zu schauen, um die Wärme einer aufgehenden Sonne zu erhaschen. Camel konnte ähnliches bei mir bewirken.
Roland van der Horsts Stimme tut natürlich ein Übriges, um die angenehmen Melodieführungen zu verstärken. Warm und weich tönt sein Organ und wenn die Backing-Truppe eingreift (immerhin sind dann vier Kehlen am intonieren), ist es einfach nur schön. Per Keyboard oder echtem Mellotron: Keine Ahnung, aber es klingt so lecker retro, ohne alt zu sein, so süß ohne seicht zu sein, so vertraut ohne berechenbar zu sein. Prog, wie ich ihn mag, auch weil das so ideal in die jetzige Jahreszeit passt.
CD Nummer zwei beginnt in der Tat so, wie man es von einem Konzeptalbum erwartet. Man kann sich mehr 'Zeit lassen', weil nicht innerhalb von Minuten auf ein Songende hin gearbeitet werden muss. Zurückgenommene Instrumentierung lassen Rolands Stimme nach einem klasse Trackstart so ab Minute drei fast alleine das Programm bestreiten. Schwere Orgelklänge und Chorbackings tun das ihre, um 'Stimmung zu machen'. Dezent stoßen Bass und Trommelbude dazu, der Klang wird 'voller' und es 'mellotront' wie es in vergangenen, seligen Zeiten an der Tagesordnung war. Bisschen Heep'sche Keyboardreminiszenz... Ganz toll.
Sobald der Gesang aussetzt, oder besser: Wenn keine Texte 'ablenken', kann man sich wunderbar seinem Kopfkino widmen. Sei es nun die wärmende Sonne auf der Streuobstwiese mit den herrlich schmeckeneden 'Dur-Kirschen', oder aber die bedrohlich schnell herannahende dunkle Gewitterwand, deren erste schwarze Wolkenfetzen wie im Zeitraffer die Wiese erobern und die Bäume plötzlich in dunkle 'Moll-Farben' tauchen.
Tolle Musik, toll dargeboten - meine Neugierde auf Weiteres ist geweckt.
Line-up:
Roland van der Horst (guitars, vocals)
Joost Hagemeijer (drums, vocals)
Pieter Drost (bass)
Chris Jonker (keyboards)

Additional Musicians:
Nathalie Balkema (backing vocals)
Monique Leerkes (backing vocals)
Tracklist
CD 1:
01:Zone I (6:16)
02:Zone III (2:55)
03:Cold World (6:58)
04:Wizard Of Tunes (9:07)
05:Back Again (5:54)
06:Fatal Sign (10:05)
07:City Of Darkness
CD 2:
01:Facing The Sunset (13:25)
02:I Fear The Day (10:03)
03:Hidden Dreams (20:36)
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