Melencolia Estatica / Hel
Hel Spielzeit: 41:07
Medium: CD
Label: Temple of Torturous, 2012
Stil: Black Metal / Ambient

Review vom 12.12.2012


Andrea Groh
Melencolia Estatica ist das von der Italienerin Climaxia 2004 gegründete Black Metal-Projekt. Sie ist dort zuständig für Gitarre, Bass, 'vocal orchestrations' (aha…) und natürlich das komplette Konzept dahinter.
Für ihre Veröffentlichungen arbeitet sie mit wechselnden Gastmusikern. Das war beim Debüt "Melencolia Estatica" (2006), beim Nachfolger "Letum" (2008) und nun auch bei der aktuellen "Hel" (2012) so.
Wenn man die Tracklisten aller drei Scheiben betrachtet, fällt auf, dass es jeweils nur einen Titel mit verschiedener Nummerierung gibt, was darauf schließen lässt, es handele sich um Konzeptalben.
Bei "Hel" geht es nicht - wie man bei einer Black Metal-Band vielleicht vermuten könnte - um die Unterwelt (zumindest nicht im traditionell-mythologischen Sinne), sondern die Inspiration kommt von Fritz Langs "Metropolis".
Was mir übrigens beim Betrachten des Booklets sofort ins Auge sprang, noch bevor ich die Info gelesen hatte.
"Hel" steht hier wahrscheinlich einerseits für die 'Unterwelt' oder 'Hölle', in der die Arbeiter der Stadt leben, andererseits war Hel die große Liebe des Erfinders Rotwang, die sich dann jedoch für Joh Fredersen entschied und bei der Geburt von Freder starb. Rotwang wollte ursprünglich nach dem Antlitz von Hel seinen Maschinenmenschen erschaffen, entscheidet sich dann aber für das Ebenbild von Maria, die den Arbeitern von (Un-)Gerechtigkeit erzählt und predigt.
Ein Stummfilmklassiker als Vorlage für eine Black Metal CD? Warum nicht…
Die Musik auf "Hel" fängt die Kälte und Verzweiflung der Arbeiterschicht bzw. der Stadt Metropolis gut ein. Diese besteht nicht nur aus zwei getrennten Welten, eine für die Ober- und eine für die Unterschicht, sondern auch aus Maschinen und Mechanik, niemals stillstehend, gnadenlos weiterlaufend… bis zum Untergang.
Dazwischen eine Frau als Symbol des Kampfes, die echte um Hoffnung zu bringen, die künstliche, um zu zerstören, später als Sinnbild des Bösen interpretiert.
Somit passt es gut, dass ausgerechnet eine Frau sich des Stoffes angenommen hat, Climaxa als Maria
Dieses Mal ist sie nicht alleine für die Stimme(n) zuständig, Afthenktos unterstützt sie dabei als männlicher Gegenpart. Zusammen können sie mehr Facetten abdecken: Keifen, klagen, flüstern… immer wieder etwas anderes.
Gleichfalls sind die Songs auf "Hel" wandlungsfähig und unberechenbar, haben schnelle und fiese Stellen genauso wie ruhige Momente voller Verzweiflung. Ansätze von Schönheit werden gleich wieder vernichtet, in die Schwärze des Abgrundes gezogen. Gerade darin liegt die Stärke der CD, unterscheidet sich von üblicher Black Metal-Raserei, wirkt etwas elektronisch bzw. avantgardistisch, hier zeigt sich der Ambient-Anteil. Dazu passen Zeilen wie:
»The unending waves of a conscious coma white noise of decline«
Melencolia Estatica haben hier mit "Hel" ein ambitioniertes Werk geschaffen, das vor allem dann seine Wirkung entfaltet, wenn man versucht, in seine Vorstellungswelt einzutauchen, die Dystopie von "Metropolis". Wobei bestimmt nicht jeder Kinobegeisterte die schwarzmetallische Umsetzung schätzen wird und umgekehrt für manche (Black) Metaller da zu viel gewollt wird.
Ich finde die Idee der Kombination durchaus interessant. Hm, und jetzt könnte ich den Film nochmal ansehen, zumal es lang her ist und ich ihn nur in der gekürzten Fassung kenne…danke für die Anregung, Climaxia.
Line-up:
Climaxia (guitars, bass, vocal orchestrations)

Session Members:
Afthenktos (vocals)
Thorns (drums)
Noxifero (guitars)
Anamnesi (bass)
Tracklist
01:Hel I (7:47)
02:Hel II (6:48)
03:Hel III (7:53)
04:Hel IV (6:22)
05:Hel V (7:03)
06:Hel VI (5:14)
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