Mindy McCready / I'm Still Here
I'm Still Here Spielzeit: 47:53
Medium: CD
Label: Iconic Records, 2010
Stil: New Country

Review vom 11.05.2010


Daniel Daus
Wenn wenig Geld und wenig Verstand zusammenkommen, ist das schon eine nicht gerade günstige Konstellation (in Amerika vermutlich in großen Teilen der Bevölkerung bereits Normalzustand, bei uns mit stark steigender Tendenz). Wenn plötzlicher Geldsegen und Ruhm unvermittelt auf wenig Verstand treffen, kommt dabei auch nicht viel mehr rum, sondern meist noch weniger, wie man es an vielen Beispielen der Showbranche (unabhängig vom Geschlecht) heute tag täglich öffentlich demonstriert bekommt.
Auf weiblicher Seite glänzen besonders Mädels wie Paris Hilton, Lindsay Lohan, Pamela Anderson oder Britney Spears als Paradebeispiele zur Freude der Klatsch-Gazetten mit kontinuierlichen Peinlichkeiten. Statt sich der vielen Vorteile zu erfreuen, die ein finanziell gesichertes Dasein so mit sich bringen könnte und dem lieben Gott zu danken, nicht jeden Morgen regelmäßig in aller Frühe aufstehen und sich durch den Berufsverkehr quälen zu müssen, um sich dann im Arbeitsalltag für ein paar Penunzen die Nerven kaputt zu machen, wird die Kohle mit beiden Händen rausgeworfen, der Kopf zugedröhnt, bis selbst das letzte bisschen Hirn blockiert ist, meist zum Leidwesen der Kinder, die natürlich auch noch dazwischen irgendwann mit irgendwelchen Proleten gezeugt wurden.
Im New Country-Genre gibt es auch einige Leuchten in dieser Hinsicht zu bewundern, die ungekrönte Königin ist jedoch mit Abstand Mindy McCready. Die hatte 1996 einen Plattenvertrag ergattert und mit ihren beiden ersten Alben Platin- bzw. Goldstatus erreicht und konnte mit der Single "Guys Do It All The Time" sogar einen Nr.1-Hit verbuchen. Album Nr. 3 floppte, ihre notorische Unzuverlässigkeit hatte den Verlust des gut dotierten BNA-Deals zur Folge. Auch ein Comeback-Werk bei Capitol Records brachte 2002 nur mäßigen Erfolg.
Von da an ging es schlagartig bergab. Sie wurde mit gefälschten Rezepten für Schmerzmittel erwischt, Drogenbesitz, Fahren unter Alkoholeinfluss, danach ohne Führerschein. Ihr Freund Billy McKnight (von dem sie natürlich auch ein Kind hat) verprügelte sie derart, dass er sogar wegen Mordversuch hinter Gitter musste. Nach Verstößen gegen Bewährungsauflagen folgte dann ein Selbstmordversuch, den Mindy überlebte, die obligatorische Versöhnung mit Billy (...) und die endgültige Inhaftierung für ein Jahr nach einem heftigen Streit mit ihrer Mutter. Sie wurde allerdings nach vier Monaten wieder vorzeitig entlassen.
Und sollte man meinen, die liebe Mindy wäre mittlerweile geläutert, nachdem sie jetzt mit ihrem neuen Album "I'm Still Here" einen hoffnungsvollen Neuanfang offenkundig proklamiert, macht schon parallel - Paris Hilton lässt grüßen - wieder die Ankündigung der Veröffentlichung eines Sex-Videos mit ihr als Protagonistin die Runde und lässt den Rezensent dieses Magazins irgendwie ratlos zurück.
Kommen wir zum Wesentlichen unseres Treibens und damit zum Gehalt ihres neuen Tonträgers. Da gibt es relativ wenig zu meckern, ein New Country-Longplayer auf der Höhe der Zeit. Sogar sehr authentisch, könnte man meinen, wenn man es eben nicht mit Mindy McCready zu tun hätte. Diese zeigt sich gesangstechnisch auf jeden Fall in sehr guter Verfassung und hat drei der ansonsten von Songwriterprofis (u.a. Gary Burr, Troy Verges, Hillary Lindsey, Blair Daly, Kim Tribble) geschriebenen neuen zehn, z.T. persönlich gestalteten Tracks mitkomponiert (den Titelsong "I'm Still Here" im Gefängnis). Instrumentell wurde sie von vielen Großen der Nashville-Musiker-Garde wie u.a. Greg Morrow, Paul Leim, Mike Brignardello, Pat Buchanan, Jerry McPherson, Brent Mason, Paul Franklin, Tony Harrell, Jonathan Yudkin bestens und erstklassig unterstützt.
Die Songs wickelt sie dabei spielend leicht in Bandbreiten modernerer Interpretinnen wie LeAnn Rimes, Kellie Pickler, Carrie Underwood ("I Want A Man", "I Want To Love You", "The Way You Make Me Melt") bis zu den Grand Dames des Genres wie Martina McBride, Faith Hill ("Songs About You", "Fades") oder Reba McEntire ("Wrong Again", "I'm Still Here") ab. Die schöne Ballade "By Her Side" wird gleich zweimal, in einer Vollversion (mit Steel, Dobro, zarte Orgel, Powerrefrain) und einer sich zurücknehmenden Akustikvariante präsentiert. Lediglich beim Cover von
Garth Brooks' berühmten "The Dance" kann sie trotz aller Bemühungen der Beteiligten der Aura und dem Pathos im Vergleich zum Original des großen Entertainers nicht ganz Paroli bieten.
Als Bonus gibt es noch ihre beiden größten Hits "Guys Do It All The Time" (in einer schön rockigen, gitarrenbetonten Version) und "Ten Thousand Angels" (sehr verkitscht mit retromäßigen Streichern dargeboten, daher aus meiner Sicht misslungen) als Neueinspielungen.
Ingesamt ist "I'm Still Here" von Mindy McCready ein akzeptables Album geworden, das theoretisch eine ordentliche Grundlage darstellen könnte, um Mindy in eine geordnete Bahn zurückzuführen (soweit das bei ihr möglich ist). Na ja, vermutlich wird dann bald dieses ominöse Video auftauchen, das dann hoffentlich wenigstens aus der Zeit stammt, als sie noch ein hübsches Ding war (sh. unser Künstler-Index). Den Einblick könnte man dann als Backgroundwissen für die nächste potentielle Album-Rezension von ihr nutzen, man muss ja schließlich wissen, wovon man redet.
Tracklist
01:Wrong Again
02:By Her Side
03:I Want A Man
04:I'm Still Here
05:I Want To Love You
06:Songs About You
07:The Way You Make Me Melt
08:The Dance
09:I Hate That I Love You
10:Fades
11:By Her Side (Acoustic version)

Bonus Tracks:
12:Guys Do It All The Time
13:Ten Thousand Angels
Externe Links: