moe. / No Guts, No Glory
No Guts, No Glory Spielzeit: 60:43
Medium: CD
Label: Sugar Hill Records, 2014
Stil: Jam Rock


Review vom 01.07.2014


Steve Braun
Was wohl dabei herauskommt, wenn eine Jam-Band ein Akustikalbum herauszubringen versucht? Ein Hard Rock-Album mit einem Hip Hop-Produzenten! Al Schnier findet jedenfalls, das sei typisch für moe.... Nicht unbedingt nur für 'Möööh' (wie ich die Truppe gern scherzhaft tituliere), sondern dieses Überraschungsmoment gilt - wie ich finde - für jede gute Jam Rock-Band.
Nein, liebe Freunde dieser sehr speziellen, uramerikanischen Form von 'Progressive' Rock: Eine lupenreine Hard Rock-Scheibe erwartet Euch mit "No Guts, No Glory" (natürlich) nicht, aber derart hart - wie im (sensationellen) "Annihilation Blues", "This I Know" oder teilweise in "Calyphornya" - hat man moe. schon lange nicht mehr gehört.
Der entscheidende Mann - so Schnier weiter - sei Dave Aron gewesen, der sich in den vergangenen Jahren zu einem herausragenden Produzenten der Hip Hop-Szene gemausert hat. Dass er aber auch ein gutes Ohr für Rock hat, konnte er mit seiner Arbeit für Prince oder U2 nachdrücklich beweisen. Er richtete diesmal moe.s Fixpunkt auf die Verschmelzung von akustischen und 'elektrifizierten' Elementen zu einem genretypisch wabernden Klangkörper. Besonderes Augenmerk legte er dabei wohl auf Jim Loughlins exquisite Künste auf dem Vibraphon. Selten zuvor hat dieses Instrument einen derart wichtigen Stellenwert in moe.s musikalischem Geflecht eingenommen.
Trotzdem ist "No Guts, No Glory" ein sehr typisches moe.-Album geworden, vielleicht sogar das beste, das ich bis dato gehört habe! Oder, um den Titel ziemlich frei zu interpretieren: Der Mut zum Risiko wird den verdienten Ruhm einbringen!
'Typisch' sind die kaum zu zügelnde Energie und Cleverness der Kompositionen, die komplexen Rhythmen, die überbordende Inspiration und sprühende Vitalität der fünf Spitzenmusiker aus Buffalo. Fähigkeiten, die moe. schon lange einen festen Platz im Olymp des Jam Rock eingebracht haben und die sie während ihrer beeindruckenden Shows massenhaft in Form von 'Heiligem Geist' herabregnen lassen.
In konzentrierter Form hat sich dieser Genius in den beiden Longtracks manifestiert. "Silver Sun" verbindet zudem sogar die Alte und die Neue Welt des Progressive Rock. Abwechselnd werden überaus entspannt-lockere (amerikanische) Polyrhythmiken von einer 'very old school' (und damit sehr britischen) Distinguiertheit, die hier nachdrücklich an Breathe erinnert, abgelöst. Detailversessen spielt moe. bei diesem Stück mit Emotionen zwischen Rastlosigkeit und Muße.
"Billy Goat" beginnt dagegen leicht funky, steigert sich melodieverliebt kontinuierlich, um von stark kontrastierenden Heavy-Attacken unterbrochen zu werden. Eine höchst energetische Textur, britzelnde Gitarrensoli, zuckersüße Vibraphon-Einlagen... dieses Opus ist ein wahrer Geniestreich von Widespread Panic'schen Dimensionen.
Im Gegensatz zu den ...LaLa's sind die Songs von "No Guts, No Glory" im Durchschnitt wieder etwas länger geworden, was unter anderem an den sorgsam zelebrierten Einleitungen liegt. Oft weitgehend akustisch interpretierte Themen steigern sich sukzessive - wie "White Lightning Turpentine" - in infernalische Gitarrenschlachten. Einen ganz ähnlichen Verlauf nehmen das 'rootsige' "This I Know" und das abartig gute Jam-Monster "Calyphornya". Womit schon mal fünf herausragende Songs namentlich genannt wären und der Rest ist keineswegs weniger hochkarätig...
Die dem Reggae niemals abgeneigte Jam-Gemeinde wird zu "Little Miss Cup Half Empty" mit THC-haltigen Klängen versorgt - ein Stück, das gewaltig nach Fisch... hoppalla - natürlich Phish 'riecht'. Eine fantastische Bläserfraktion bringt knallbuntes Sgt. Pepper-Feeling in "Blond Hair And Blue Eyes" - ein Zug am Doobie und "Dead Or Die" atmet freakige Westcoast-Wolken aus. Das vielleicht beste von elf bärenstarken Stücken...
Ich lehne mich wohl nicht allzu weit mit der Behauptung aus dem Fenster, "No Guts, No Glory" sei eines der besten, wenn nicht das ultimative moe.-Album bis dato. Spielfreudig ist der Fünfer aus Buffalo wie eh und je, aber diese neuen Kompositionen verfügen über eine selten zuvor von ihnen gehörte Komplexität, Dichte und Tiefe - als ob sich die Band eine weitere Dimension erschlossen hätte...
Eine mir nicht vorliegende DeLuxe-Edition soll noch drei weitere, also vierzehn Songs enthalten - das Cover ist wieder mal preisverdächtig. Das 'Rahmenprogramm' stimmt also ebenso - wer hier nicht zuschlägt hat eine, garantiert mehr als fünf Millimeter breite Lücke im CD-Regal und wer will das schon?!?
Line-up:
Al Schnier (lead vocals, electric and acoustic guitar, Hammond B3, piano, mandolin)
Chuck Garvey (lead vocals, electric and acoustic guitars)
Rob Derhak (lead vocals, bass)
Jim Loughlin (percussion, vibraphone)
Vinnie Amico (drums, percussion)

Guest Musicians:
Dave Aron (clarinet - #8)
Willie Waldman (trumpet - #8)
Lukky Martin (trombone - #8)
Tracklist
01:Annihilation Blues (4:21)
02:White Lightning Turpentine (4:42)
03:This I Know (4:25)
04:Same Old Story (4:23)
05:Silver Sun (9:41)
06:Calyphornya(5:12)
07:Little Miss Cup Half Empty (5:19)
08:Blond Hair And Blue Eyes (4:59)
09:Do Or Die (3:50)
10:The Pine And The Apple Tree (3:52)
11:Billy Goat (9:38)
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