Molly Hatchet / 26.11.2009, Spirit of 66, Verviers (Belgien)
Spirit of 66
Molly Hatchet
Spirit of 66, Veerviers (Belgien)
26. November 2009
Konzertbericht
Stil: Southern Rock


Artikel vom 28. Januar 2010


Jochen v. Arnim
Gitarren-Armee im Spirit of 66
Die Location im ostbelgischen Verviers ist einer von den Läden ganz nach meinem Geschmack. Nach einem recht schmalen und unscheinbaren Eingangsbereich öffnet sich dem Besucher ein großer Raum mit überschaubarer Bühne, einer vernünftigen Bar und einer Empore für diejenigen Fans, die den ganzen Überblick brauchen. Die Höhe des kleinen Saals macht somit auch das Raumklima bei vollem Haus erträglich. Rauchen darf man in Belgien ja eh nicht, was die Zahl der Glimmstängel zumindest mal reduziert, wenn auch nicht unterbindet. Über der Bühne erstreckt sich auf der Breite der Wand eine Landkarte der USA mit dem angedeuteten Verlauf der 'Route 66' und ansonsten ist die Deko auch mit den klassischen Relikten der Highway-Philosophie bestückt. Im Schnitt werden hier ca. 20 Live-Acts pro Monat durchgeführt und da sind schon öfters mal richtige Leckerbissen drunter. Ich habe keine Ahnung, wie der Betreiber Francis Géron das macht, aber ein ganz großes 'Chapeau' für so ein prall gefülltes Programm!
Zum Thema: Dass sich die Überschrift ein wenig ironisch anhört, muss dem informierten Liebhaber des Southern Rock sicherlich nicht extra erklärt werden, haben sich die Mannen von Molly Hatchet in den Irrungen und Wirrungen der Bandgeschichte doch schon vor Jahren von diesem Image getrennt und treten seither mit 'lediglich' zwei Gitarren und einem Bass in Erscheinung. Verstärkt mit Keyboards, Drums und Gesang/Harmonika macht das aber immer noch stolze sechs Mann Besetzung, die sich dem internationalen Publikum stellte. Wie so oft im Spirit of 66 wirkt auch dieser Gig sehr handgestrickt - zum Glück! Da begeben sich die Musiker noch durch die Menge auf die Bühne, es gibt keinen Pressegraben, keine Gitter oder überhebliche Security und auch bei mehreren hundert Besuchern wirkt der Laden familiär.
Was erwartete ich nach fast 20-jähriger Molly Hatchet-Live-Abstinenz (wieso eigentlich?) von unseren Heroen der frühen achtziger Jahre? Dieses gewisse Gefühl, die alten Zeiten der hundertfach abgenudelten LPs oder der an die Grenze der Belastbarkeit aufgedrehten HiFi-Anlage im Auto beim Befahren der 'Alligator Alley' in Florida wieder aufleben zu lassen? Who knows, kaum in Worte zu kleiden.
Mehr oder weniger pünktlich kündigte der ubiquitäre Roadie, Tontechniker, Security und what not dann endlich der recording audience die Mannen aus Florida an und ich gestehe, anfangs doch etwas schockiert gewesen zu sein. Obwohl mir die mehrfache Umbesetzung der lead vocals durchaus noch geläufig war, hatte sich in der Erinnerung immer der Klang von Danny Joe Browns Stimme festgefressen. Phil McCormacks Röhre schwächelte für den subjektiven Genuss dann doch etwas zu sehr. Bei "Beatin' The Odds" und "Whiskey Man" gab es den ein oder anderen Aussetzer mit der Atmung und häufiges Räuspern im off des Mikrofons war zu beobachten. Don't get me wrong - es war ein super Konzert, mit meinem persönlichen Favoriten "Fall Of The Peacemaker" war ich ja schon mehr als zufrieden und Phils Bühnenpräsenz mit stechenden wilden Augen bot schon was für das Auge! Dave Hlubek bekam trotz seiner Leibesfülle und dicker Finger die Saiten sauber voneinander getrennt und brillierte gelassen im Zusammenspiel mit dem Wirbelwind Bobby Ingram, dem man den Spaß am live act deutlich ansah, wie seinen restlichen Kollegen übrigens auch. Obwohl man ja nun schon lange mit einem Mann und sechs Saiten weniger spielt, drangen die guten alten typischen Gitarren-Läufe des Southern Rock durch und so manch ein Southern Cross wurde im Publikum geschwenkt. Sowohl John Galvin an den Keyboards als auch Bassist Tim Lindsey gaben sich äußerst erfolgreich im Bestehen neben Ingram und McCormack und auch Drummer Shawn Beamer verschwand weiß Gott nicht unsichtbar hinter seiner Schießbude. Ganz großes Kino war übrigens - bis auf stimmliche Abstriche - eine gut 12-minütige Version von "Free Bird", in der das Konzert gegen Ende quasi gipfelte.
Leider war nach gut 1 ¾ Stunden Schluss im Spirit of 66, aber wir können uns schon auf den Molly Hatchet-Ableger Skinny Molly oder Blackberry Smoke freuen, die sich hier in Kürze die Ehre geben werden. Wie andere aus meinem Dunstkreis hatte ich schon die Hoffnung aufgegeben, mal wieder etwas Solides aus der Southern-Ecke zu sehen zu bekommen, aber ich wurde mit diesem Abend eines Besseren belehrt: ein überzeugender solider Auftritt einer durchweg sympathischen Band in passendem Ambiente - und die Zukunft in Ostbelgien lässt hoffen…
Externe Links: