Mr. Speiche's Monokel Blues Band & Friends With Achim Mentzel / Butter & Beton
Butter & Beton Spielzeit: 69:02
Medium: CD
Label: Busch Funk, 2012
Stil: Blues Rock


Review vom 30.12.2011


Mike Kempf
Das Jahr kann für mich, rein musikalisch betrachtet, kaum besser beginnen und präsentiert mir gleich einen absoluten Kracher! Und nicht nur das, spiegelt die mir vorliegende Tonkonserve "Butter & Beton" zum Teil mein tollstes Live-Erlebnis des vergangenen Jahres wider, als ich mit meinem Kollegen Holger am 27. Oktober 2011 das Kesselhaus aufsuchte, um mir die Geburtstagsveranstaltung zum 35-jährigen Bandbestehen der Monokel Blues Band und gleichzeitig den 65. Geburtstag von Speiche, dem Urgestein der Band, reinzuziehen.
Während "Der Kindertraum", der Opener der Platte, aus meinen Boxen ertönt, steht meine Körperbehaarung vor Freude zu Berge, werden umgehend die Erinnerungen wach, als wir beim Gig an vorderster Front standen und uns gut vier Stunden vom gebotenen Blues Rock der legendären Ost-Berliner Kapelle zur vollsten Zufriedenheit verwöhnen ließen. Bernd 'Zuppe' Buchholz begrüßt mit einem rollenden 'R' die Fans und weiter: »Die errsten drrei Gäste befinden sich berreits hier auf der Bühne. Begrrüßt mit mir am Keyboarrd Wolfgang 'Boddi' Bodag...«. Beim folgendem "Bye Bye Lübben City" offenbaren die Gitarristen Heinz Glass und Jürgen 'Jay' Bailey erstklassige Soli, die ich als ausgesprochen gut empfinde und sich die Vergleiche mit internationalen Top-Klampfern nicht scheuen brauchen. Dazu bläst ihr Band-Freund Sören Birke glänzend in seine Harp und gibt dem Song das gewisse Etwas.
Dass 'Hau-Drauf-Experte' Olli Becker sein Handwerk an seiner Schießbude versteht, unterstreicht Track Nummer vier, "Drums", und wie es der Titel vermuten lässt gibt es ein knapp zweieinhalbminütiges Drumsolo, dabei wird er noch von Percussionseinlagen Tina Powileits unterstützt, die später bei vier weiteren Songs mitwirkt. Mit dem "Boogie Mobil" wird das Tempo erhöht und über "Das Landei" zur "Oma Krüger" gebraust. Bevor 'die Oma' den über 1.000 Fans offenbart wird, gibt der Frontmann den Anwesenden folgenden Rat:»Achtet das Alterr, denn es ist Eurre Zukunft. Oma Krrügerr«. Das Teil muss man sich als Hörprobe gönnen.
So wie es sich für ein erstklassiges Blues Rock-Album gehört, wird mit viel Rhythmus, tollen Gitarrensoli, tiefem Bassgezupfe, schlagstarken Drums und einer, vielleicht nicht wunderschönen, dafür aber sehr prägnanten und ausdrucksstarken Stimme, für die 'Zuppe' verantwortlich ist, gearbeitet.
Einer meiner persönlichen Favoriten ist "Schwarze Marie", für mich der Klassiker schlechthin, der sich glänzend fürs eigene Refrain-Gesinge, sprich das Mitzwitschern von 'Schwarze Marie', eignet. Dabei wird das Teil mit wundervoller, hintergründiger Klampferei begleitet und hinterlässt bei mir bleibende (positive) Schäden! Egal wer die Sechssaiter in Szene setzt, sowohl Glass als auch Bailey wechseln sich ständig mit den Soli ab und hinterlassen Beide ein sehr gekonntes, ausgewogenes Gitarrenspiel der Spitzenklasse.
Kaum habe ich die "Schwarze Marie" verdaut, ertönt mit "Der Schreier" ein weiteres Highlight. Highlight deshalb, weil 'Zuppe' neben seinem Gesangsvortrag auch seine Mundharmonika bedient, sich im Verbund mit Gast-Harper Birke die Lunge freipustet und Bläser Reinhard Schmid am Saxophon noch ein paar tolle 'Gewürznoten' beimischt. Zum Ende hin wird das Stück von den Stromklampfen in voller Fahrt nach Hause gefahren. An dieser Stelle ein Zwischenlob von mir: Das ist Blues Rock aus Deutschland der Güteklasse A!
Bevor der Spezial-Gast Achim Mentzel Little Richards "Lucille" zum Besten gibt, werden die einzigen englischsprachigen Tracks der Platte (plus "Lucille"), "Tell Me" und "You Talk Too Much" vorgetragen. Das von Glass gesungene "Tell Me" ist mit einer Länge von über elf Minuten der Longplayer des Silberlings, bietet zahlreiche Soli von Birkes Harp, Wolfgang 'Boddi' Bodags Keyboard, den E-Gitarren der Herren Wille Borchert, Bailey, dem Sänger des Stücks und dem Saxophonisten Schmid. In der Gesamtheit ergibt es ein absolutes Filet-Stück. Auch hier - unbedingt mal reinhören!
"You Talk Too Much" steht ganz klar im Fokus der Harmonika-Spezis Birke und 'Zuppe'. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir ein paar Meter vor dem Gast-Harper standen, er unaufhörlich in sein Instrument blies und sich dabei völlig verausgabte! Während ich schon Müdigkeitsattacken beim Aufblasen eines simplen Luftballons bekomme, kann Sören sicherlich problemlos eine Glühbirne auspusten. Wenn es darum geht, die Maße seines Lungenvolumes zu ermitteln, dürfte er ein Kandidat fürs Buch der Rekorde sein. Für den Gesang ist diesmal Bailey zuständig.
Zum Schluss heißt es Showtime für Mentzel! Dieser wird vom Moderator des Events Michael Rauhut angekündigt und er teilt den Fans mit, dass er und Speiche erstmals nach 46 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne stehen! Im Übrigen ist Rauhuts gesprochene Einleitung vom 27. Oktober des letzten Jahres zwar nicht auf der Platte berücksichtigt, dafür aber Wort für Wort zum Nachlesen im Booklet abgedruckt. Ein guter Service! Dann heißt es mit "Lucille" von der Rock-Ikone aus den Fünfzigern Little Richard, Rock'n'Roll pur und man kann förmlich die Zeit des Petticoats spüren. Letztlich brilliert das Teil nicht wegen der tollen Stimmbänder Mentzels, sondern eher wegen der dargebotenen Dynamik, und auch hier werden Bilder meines Langzeitgedächtnisses wach, und ich sehe noch die Bilder vor Augen, als der leicht übergewichtige 'Wirbelwind' über die Bühne peste.
Fazit: Ich habe eben ein deutschsprachiges Blues Rock-Album gecheckt, das sich in bemerkenswertem, erstklassigen Live-Sound offenbart. Dabei dürften dem Monokel-Fan alle Songs bekannt sein, handelt es sich hierbei fast nur um Klassiker der Kapelle oder gecoverten Stücken, die sich fest in der Rockgeschichte etabliert haben. Dass die Ost-Berliner Band sich als perfekte Live-Truppe präsentiert, ist genauso bemerkenswert wie die Tatsache, dass jeder einzelne Musiker eindrucksvoll seine sehr guten Fähigkeiten am jeweiligen Spielgerät demonstriert! Was bleibt mir anderes übrig, nachdem ich eine Top-Platte zu Gehör bekam, es keine Schwachstellen gibt, der Sound perfekt abgemischt wurde, die Spielzeit des Silberscheibchens perfekt ausgereizt ist und die Hauptprotagonisten dafür sorgen, dass ich auf 'Wolke 7' schwebe? Genau, ich komme an einem Tipp nicht vorbei!
Line-up:
Jörg 'Speiche' Schütze (Bass - #1-3, 5-12)
Heinz Glass (Gesang #10, Gitarre - #1-3, 5-12)
Jürgen 'Jay' Bailey (Gesang - #11, Gitarre - #1-3, 5-12)
Bernd 'Zuppe' Buchholz (Gesang - #1-3, 5-12, Harmonika - #1-3, 5-9)
Olli Becker (Gesang, Schlagzeug)

Freunde:
Wolfgang 'Boddi' Bodag (Gesang, Keyboard - #1-3, 5-12)
Tina Powileit (Schlagzeug, Percussion - #4-6, 8, 9)
Wille Borchert (Gitarre - #1-3, 5-12)
Pad Schneider (Gitarre - #12)
Sören Birke (Gesang, Harmonika - #1-3, 5-7, 9-11)
Reinhard Schmid (Saxefon - #10-12)

Spezial-Gast:
Achim Mentzel (Gesang - #12)
Tracklist
01:Der Kindertraum
02:Bye Bye Lübben City
03:Amboss oder Hammer
04:Drums
05:Boogie Mobil
06:Das Landei
07:Oma Krüger
08:Schwarze Marie
09:Der Schreier
10:Tell Me
11:You Talk Too Much
12:Lucille
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